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# taz.de -- Extremwetter in Afghanistan: Dauerdürre und Fluten
> Schlimme Starkregen sind Auswirkungen von Afghanistans Klimakrise. Weil
> sich die Taliban selbst isoliert haben, fehlen Mittel für
> Vorsorgemaßnahmen.
Bild: Überleben wird immer schwerer: von Überflutungen betroffene Provinz War…
Berlin taz | Von schweren Regenfällen ausgelöste Fluten haben in
Afghanistan Straßen, Ackerland, Stallungen und 900 Wohnhäuser weggespült.
Das Taliban-Staatsministerium für Katastrophen-Management meldete bislang
insgesamt 38 Tote und 57 Verletzte; zwei Menschen waren noch vermisst.
Die Behörden zahlten betroffenen Familien erste Hilfen aus und koordinieren
sich mit der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) und
Hilfsorganisationen.
Die erste Starkregenwelle kam Sonntag früh gegen 2 Uhr. In den Berggebieten
um die Hauptstadt Kabul brachen über schlafenden Menschen Häuser zusammen,
die auf dem Land meist aus Lehmziegeln bestehen und flutanfällig sind. Am
Dienstag und Mittwoch zog die zweite Welle durch 22 der 33 Provinzen des
Landes. Neue Opferzahlen liegen noch nicht vor. Gleichzeitig haben Teile
Afghanistans [1][wie derzeit viele andere Länder mit außergewöhnlicher
Hitze zu kämpfen].
Der jetzige Starkregen ist Folge der klimawandelbedingten Ausdehnung der
Monsungebiete Südasiens tief nach Afghanistan hinein. Die Schlammfluten,
die sich in zuvor ausgetrockneten Flussbetten bilden, sind Resultat von
Dürren, die in Stärke und Frequenz zunehmen.
## Plus 1,8 Grad seit 1950
Laut der NGO Germanwatch gehörte Afghanistan zwischen 2000 und 2019 zu den
zwanzig am meisten von Klimaextremen betroffenen Ländern. Rohullah Amin,
Chef der Abteilung Klimawandel der Nationalen Umweltschutzbehörde NEPA,
sagte, die Durchschnittstemperatur im Land habe sich seit 1950 um 1,8 Grad
erhöht.
2023 ist für [2][Afghanistan nun das dritte Dürrejahr in Folge], was im
Landessüden zu neuen Binnenflüchtlingsbewegungen geführt hat. In den
vergangenen fünf Jahren sank der Grundwasserspiegel landesweit
durchschnittlich um elf Meter, meldet die NEPA. Sie gehört zu den wenigen
seit 2001 mit Hilfe des Westens neu aufgebauten Institutionen, die die
Taliban nicht aufgelöst haben – [3][im Gegensatz etwa zur
Menschenrechtskommission].
Die aktuellen Überschwemmungen werden auch durch jahrzehntelange
kriegsbedingte Entwaldung begünstigt. Nur noch 2,1 Prozent der Fläche
Afghanistans sind bewaldet, in den 1970ern waren es noch 4,5 Prozent. Die
[4][Holzmafia treibt Raubbau] mit den besonders wertvollen letzten
Zedernwäldern des Landes, das war schon unter der westlich gestützten
Regierung so und setzt sich jetzt unter den Taliban fort. Das Holz ist auf
Baustellen in Pakistan und am Golf begehrt.
## Neue Rahmenbedingungen
Der Klimawandel verändert Afghanistan schon seit Jahrzehnten. Die Kriege
der letzten 40 Jahre überschatteten aber die Folgen. Wettermuster änderten
sich fundamental. Bis in die 1980er-Jahre kannten die bis dahin meist auf
dem Land lebenden Afghan*innen zwei regelmäßig auftretende Regenzeiten
pro Jahr, etwa zwei Wochen im Frühling und eine Woche im Herbst. Darauf
hatte sich die Landwirtschaft seit Jahrhunderten eingestellt.
Zusammen mit dem Schmelzwasser der – jetzt schrumpfenden – Gletscher in
Hindukusch und Pamir, die in der warmen Jahreszeit Bäche, Flüsse und
unterirdische Bewässerungssysteme, sogenannte Karese, speisten, reichte das
für den Anbau der Grundnahrungsmittel Weizen und Reis. Wegen des Krieges
verfielen viele Karese, die Dörfer und Talschaften traditionell in
Gemeinschaftsarbeit in Stand hielten. Die Agrarproduktion ging zurück,
während die Bevölkerung stark wuchs.
Wegen des Krieges konnte sich kaum eine Umweltbewegung bilden. Vor 2021
beteiligten sich [5][kleine Gruppen von Jugendlichen an der weltweiten
Klimastreikbewegung]. Aber auf lokaler Ebene herrscht wegen der offenbaren
Schäden durchaus Umweltbewusstsein. Im Distrikt Dschaghori baut die
Bevölkerung in Eigeninitiative gerade einen Damm für Regenwasser. In der
Provinz Paktia sprachen Stammesräte ein Abholzungsverbot aus.
Die Taliban wollen mit der UNO „technisch“ [6][bei der Bekämpfung von
Klimaschäden] kooperieren. Sie organisieren Wiederaufforstungskampagnen,
nicht ohne Seitenhieb auf das westliche Militär, das Wälder und Obstgärten
zerstörte, die Aufständischen als Deckung dienten. Und sie beschwerten
sich, dass sie im Dezember nicht zur Umweltkonferenz COP27 nach Ägypten
eingeladen wurden.
Immerhin habe Afghanistan die Klimaabkommen von Tokio und Paris
unterzeichnet. Das ist ein Zeichen, dass sie sich daran gebunden fühlen und
auf ausländische Hilfe hoffen. Nach der Machtübernahme der Taliban hat der
Westen seine Entwicklungshilfe jedoch eingestellt – und damit auch alle
Klimaprojekte.
26 Jul 2023
## LINKS
[1] /Studie-zu-Hitze-auf-der-Nordhalbkugel/!5950755
[2] /Heuschreckenplage-in-Afghanistan/!5931770
[3] /Expertenbericht-ueber-Taliban/!5942280
[4] /Archiv-Suche/!1284945&s=holzmafia+afghanistan&SuchRahmen=Print/
[5] /Protokolle-von-Klimastreikenden/!5917623
[6] /Wissenschaftler-ueber-den-Klimawandel/!5814191
## AUTOREN
Thomas Ruttig
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