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# taz.de -- Afghanistan unter den Taliban: Trügerische Sicherheit
> Seit zwei Jahren herrschen die Taliban. Die Sicherheit hat sich
> verbessert, aber Frauen haben kaum noch Rechte. Ein Trip durch ein
> verängstigtes Land.
Masar-i-Scharif und Kabul taz | Das Tragen ihrer schweren schwarzen
Kleidung und ihres Schleiers fällt Hila Mohammadi* zurzeit besonders
schwer. Kein Wunder, denn in Masar-i-Scharif in der Provinz Balkh im Norden
Afghanistans herrschen Mitte August meist weit über 40 Grad. Mohammadi, 48,
ist Lehrerin – und trotz der erdrückenden Hitze, die die Gesundheit vieler
Afghan:innen gefährdet, herrscht weiterhin Schulbetrieb. „Hitzeferien
würden den Unterricht zurückwerfen, meinen die Taliban“, so Mohammadi.
Dabei sind die Hürden für Bildung in diesen Tagen gänzlich andere.
Seit zwei Jahren regieren [1][die Extremisten] ganz Afghanistan. Seitdem
dürfen Mädchen nicht mehr die Oberstufe von der 7. bis zur 12. Klasse
besuchen. Bis heute hat [2][kein Staat der Welt das Taliban-Regime
anerkannt]. Aufgrund der Repressalien der neuen Machthaber bestehen
Wirtschaftssanktionen, die hauptsächlich die afghanische Bevölkerung
treffen. Die ausländischen Devisenreserven des Landes in Höhe von fast 10
Milliarden US-Dollar sind weiterhin eingefroren. Seit Ende vergangenen
Jahres besteht außerdem ein Universitätsverbot für Afghaninnen.
In manchen Regionen des Landes, die in den letzten 20 Jahren des Krieges
vernachlässigt wurden, spielen die Verbote der Taliban teils keine Rolle.
Mädchenschulen oder Universitäten gab es dort auch damals nicht, während
korrupte Beamte ausländische Gelder akquirierten, sich persönlich
bereicherten und vorgaben, sie errichtet zu haben. Die sogenannten
Geisterschulen gehören bis heute zu den größten Schandflecken der
westlichen Intervention in Afghanistan.
Doch in Balkh war das anders. „Hier wird schon lange Wert auf Bildung
gelegt“, meint Hila Mohammadi und erinnert an historische Persönlichkeiten
wie die Dichterin Rabia Balkhi aus dem 10. Jahrhundert. Dort, wo die
Schulen weiterhin geöffnet sind, herrscht die strenge Sittenkontrolle der
Taliban. Ein neuer Dresscode für Männer und Frauen wurde durchgesetzt.
Erstere tragen Bart und Käppchen, während Letztere sich strenger verhüllen
müssen. Das Gesicht solle man am besten mit schwarzen medizinischen Masken
verdecken, obwohl die Coronapandemie auch in Afghanistan schon längst
vorbei ist. Die Maske ist aus Sicht der neuen Machthaber praktischer als
ein Schleier.
Jüngst sorgten sie auch mit der massenhaften Schließung von
Schönheitssalons für Schlagzeilen. Zehntausende von Afghaninnen waren
gezwungen, ihren Betrieb aufzugeben. „Ich konnte mit meiner Arbeit meine
ganze Familie ernähren. Mein Mann ist körperlich behindert und kann deshalb
nicht arbeiten. Durch das Verbot wurde meine Existenz praktisch zerstört“,
erzählt Nahida, die vor Kurzem ihren Salon in Masar-i-Scharif schließen
musste. Wer sich den Anordnungen widersetzt, muss mit Drohungen und
Enteignungen rechnen.
Die Schönheitssalons gehörten zu den letzten unabhängigen
Frauenwirtschaften. Außerdem waren sie für viele Afghaninnen ein
Rückzugsort. Die Taliban wiederum kritisierten die hohen Preise und
stellten die Salons mit Bordellen, in denen Unsittlichkeiten vorherrschen,
gleich. „Ich werde versuchen, von zu Hause aus zu arbeiten. Doch wer weiß,
wie lange das gut gehen wird?“, meint Nahida. Zu einem offenen Interview
war sie erst bereit, nachdem eine ihrer Kundinnen die taz vermittelte. Seit
der Rückkehr der Taliban bestimmen Angst und Misstrauen den Alltag.
Während die Welt sich auf andere Kriege und Konflikte fokussiert, dreht
sich das Rad der Zeit in Afghanistan zurück. Die Taliban, die vor zwanzig
Jahren von den USA und ihren Verbündeten gestürzt wurden, sind wieder an
der Macht. Viele Afghan:innen fragen sich deshalb zu Recht, was der
ganze Einsatz und die Fortführung des „längsten Krieges“ der US-Geschichte
überhaupt gebracht hat.
In den ersten zwei Jahren des wiedergeborenen Taliban-Emirats hat sich
vieles im Land verändert. [3][Masar-i-Scharif] gehört zu jenen Städten, in
denen das besonders deutlich wird. Einst waren hier Nato-Truppen
einschließlich der deutschen Bundeswehr stationiert, während vom Westen
subventionierte Warlords in ihren Palästen residierten und mittels
fragwürdiger Deals, Korruption und mafiaähnlicher Netzwerke zu
Multimillionären wurden. Mittlerweile sind nur noch die Taliban präsent.
Einst versteckten sie sich in den umliegenden Dörfern. Nun marschieren sie
mit ihren Kalaschnikows durch die Stadt und haben gelernt, die
zurückgelassenen Geländewägen ihrer einstigen Feinde zu lieben.
Der neue Bürgermeister der Stadt lebt mit seiner vierzehnköpfigen Familie
in einem modernen Hochhaus. Er und einige andere lokale Taliban-Köpfe sind
die neuen Nachbarn von Hila Mohammadi und ihrer Familie. „Es gibt viele
Probleme, doch niemand traut sich, etwas zu sagen“, sagt einer ihrer Söhne.
Einmal hätten die Frauen des Taliban-Bürgermeisters die Rohre verstopft,
indem sie alle Essensreste in das Abflussrohr warfen. In den Gängen des
Erdgeschosses würden seine Leibwächter manchmal Motorrad fahren.
Die Rawze-ye Sharif, die Blaue Moschee der Stadt, die zu den bekanntesten
Pilgerstätten Afghanistans gehört, wurde einst von vielen Familien besucht.
Kinder tollten umher. Frauen lachten, ruhten sich aus und machten Fotos.
Die meisten Selfies, die heute geschossen werden, sind jene der Taliban.
Das Gelände der Moschee ist zur reinen Männerdomäne geworden. [4][Frauen]
wird der Zugang meist verweigert.
Dasselbe gilt in öffentlichen Parks. Der einstige Trubel hat abgenommen.
Die Stimmung wirkt gedrückt. Während die Taliban zwei Jahre nach ihrer
Machtübernahme die bestehende Sicherheit im Land lobpreisen, wird nicht
erwähnt, dass für viele Angriffe und Bombenattentate die Extremisten selbst
verantwortlich waren. „Was bringt mir diese vermeintliche Sicherheit, wenn
ich hier als Frau keine Zukunft habe? Wenn meine Töchter nicht in die
Schule gehen dürfen oder nicht studieren können?“, resümiert Mohammadi. Der
Begriff „Sicherheit“ sei Teil des Taliban-Neusprechs geworden, während
persönliche Freiheiten abgeschafft und eine totalitäre Diktatur aufgebaut
werde.
Diese Meinung teilen nicht nur jene, die Opfer der neuen Repressalien sind,
sondern sogar Männer, die einst auf Seiten der Taliban kämpften. „Ich will
mit diesen Leuten nichts mehr zu tun haben. Sie sind tyrannisch und
unterdrücken die Bevölkerung“, sagt der dreißigjährige Murtaza, der als
Rikscha-Fahrer versucht, über die Runden zu kommen. Heute ist er
kahlgeschoren und glattrasiert, doch vor knapp mehr als einem Jahr war
Murtaza selbst noch ein Talib. Er trug lange Haare und Bart sowie einen
schwarzen Turban. Tatsächlich geht seine Vita noch weiter. Vor einigen
Jahren war er nämlich ein Soldat der mittlerweile aufgelösten,
republikanischen Armee, die von den USA und ihren Verbündeten nach deren
Einmarsch Ende 2001 aufgebaut wurde.
## Der neue Feind: die afghanische Frau
Wie die meisten Taliban ist auch Murtaza ein [5][Paschtune], der aus einem
der umliegenden Dörfer stammt. „Die Armee beging mit den Amerikanern, die
unser Land besetzten, viele Verbrechen. Das wurde mir klar, als ich ein
Teil von ihr war“, erinnert sich Murtaza heute. Er wendete sich ab, lief zu
den Taliban über und war im Glauben, für eine gerechte Sache zu kämpfen.
Gegen Imperialisten, ausländische Besatzer, korrupte Warlords,
Kriegsverbrecher und Feinde des Islams.
Mit dem Abzug der Nato und dem Fall der afghanischen Regierung vor zwei
Jahren kam der Schock. Die neuen Taliban-Machthaber hatten nun einen neuen
Feind: die afghanische Frau. Jeden Tag gab es neue Repressalien, wurden
neue Verbote erlassen. „Sie wollen, dass die einfachen Menschen in diesem
Land bluten. Damit will ich nichts zu tun haben. Dafür habe ich nicht
gekämpft“, sagt Murtaza wütend. Er kaufte sich eine Rikscha und beschloss,
„halal“ – rein – sein Geld zu verdienen. Durch seine eigene, harte Arbe…
Einmal wurde er von einer Taliban-Patrouille angehalten. Der Grund: Eine
Frau war sein Fahrgast. „Mir wurde vorgeworfen, ein Zuhälter zu sein. Da
habe ich getobt“, erzählt er heute. Nachdem den Kämpfern klar wurde, dass
Murtaza einst einer von ihnen war, ließen sie ihn gehen.
Fälle wie jener Murtazas sind kein Einzelfall. Im gesamten Land haben sich
viele Taliban-Kämpfer von ihren Führern entfremdet. Sie sehen, wie jene,
die sie einst den Krieg schickten, heute in klimatisierten Appartements
leben, Range Rover fahren und teures Essen genießen, während vielen
Fußsoldaten nicht einmal der reguläre Lohn ausgezahlt wird. Und sie fragen
sich, warum sie ihre Mädchen nicht in die Schule oder ihre Frauen nicht zu
einem männlichen Arzt schicken dürfen. Für Aufsehen sorgte etwa auch der
Alltag jenes Taliban-Flügels im Golfemirat Katar, wo die Abzugsgespräche
mit der Trump-Administration geführt und abgesegnet wurden. Die dortigen
Taliban-Führer leben nicht nur im Luxus, sondern schicken ihre Töchter in
moderne und säkulare Bildungseinrichtungen.
Nichtsdestotrotz gibt es Dinge, mit denen die Taliban bei der Bevölkerung
punkten. Dies wird vor allem deutlich, wenn man durch das Land fährt. Die
Fahrt von Masar-i-Scharif nach Kabul dauert meist zwischen acht und zwölf
Stunden und gehört seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Routen des Landes.
Mittlerweile ist sie sicherer als je zuvor. Es gibt weder
Militäroperationen noch Taliban-Minen oder Räuberbanden. Bei allen
„Sicherheitskräften“, die man entlang der Route trifft, handelt es sich um
die Taliban selbst.
Bereits vor den Toren von Masar-i-Scharif werden die misslungenen Pläne der
einstigen Besatzer deutlich. Auf einem großen Areal wollte die Nato hier
einst einen neuen Militärflughafen errichten. Er wäre nicht nur der
zentrale Angelpunkt für den Norden Afghanistans geworden, sondern hätte in
Anbetracht der Nachbarstaaten auch eine wichtige geostrategische Bedeutung.
„Ein weiterer Kriegshub. Davon hatten sich viele hier etwas versprochen“,
erzählt Abdul Latif. Seit 20 Jahren fährt er mit seinem Taxi die Route
Masar-i-Scharif–Kabul. Der ethnische Usbeke kennt sie blind, obwohl sich
die Schlaglöcher auf den Straßen tagtäglich ändern, wie er sagt. Und auch
an den Taliban-Checkpoints kennt man Abdul Latif. Er wird meist freundlich
gegrüßt und durchgewunken.
Nach der Provinz Samangan, die an Balkh grenzt, erreicht man Baghlan, eine
der ältesten Regionen Afghanistans. In den letzten 20 Jahren war Baghlan
vor allem eins: lebensgefährlich. In vielen Distrikten bekämpften sich die
Taliban und die Armee tagtäglich. Ausgebrannte Autos, Kugelhagel und
Artilleriegeschosse dominierten das Straßenbild. Besonders unruhig war etwa
der Distrikt Cheshm-e Sher. Hier wurde Abdul Latif einmal von den Taliban
entführt. Da er damals den Jeep eines Bekannten fuhr, dachten die
Extremisten, er würde für einen bekannten Warlord aus Balkh arbeiten.
„Sie behandelten mich gut und aßen erst, nachdem ich meine Mahlzeit zu mir
genommen hatte. Wir hatten eigentlich viel Spaß, da ich sie zum Lachen
brachte“, erinnert sich Abdul Latif. Nach drei Nächten wurde er in die
Freiheit entlassen. Der verantwortliche Taliban-Kommandant entpuppte sich
als Bruder seines besten Freundes.
Nachdem man Baghlan hinter sich gelassen hat, beginnt die größte Hürde der
Strecke: der Salang-Pass. Einst wurde er von den Sowjets als
Entwicklungsprojekt gestartet. Später rollten die Panzer der Roten Armee
über den Salang nach Kabul. Die Tunnel und Straßen des Passes sind seit eh
und je in einem desolaten Zustand. Auch in den letzten Jahren und trotz
Milliarden von Hilfsgeldern gelang es den Regierenden in Kabul nicht, den
Salang zu restaurieren, zu groß war die Korruption im lukrativen
Baugewerbe.
Die anderen Fahrgäste rechneten bereits mit Stau, doch Abdul Latif winkte
ab. „Das Emirat arbeitet hier gar nicht mal so schlecht“, sagt er. Dann
kommt die Überraschung. In einigen Tunneln wurden die Schlaglöcher entfernt
und Teppiche ausgebreitet, die die Fahrt erleichtern sollen. In den
nächsten Tagen soll die Aufbereitung der Strecke intensiviert werden. Dann
ist sie nämlich tagsüber gesperrt und nur noch nachts befahrbar. Mit solch
erkennbaren Veränderungen würde jeder, der in Kabul regiert, punkten. Dass
es sich [6][bei den Machthabern um misogyne Fanatiker] handelt, ist dann
nicht nur für Männer wie Abdul Latif zweitrangig.
Sobald man den Salang-Pass hinter sich gelassen hat, ist die Reise nach
Kabul fast schon zu Ende. Über die Provinz Parwan gelangt man in den Trubel
der Hauptstadt. Einst waren die Straßen bis ins nördliche Kabul mit dem
Antlitz Ahmed Schah Massuds verziert. Der berühmte Mudschaheddin-Kommandant
kämpfte einst gegen die Sowjets und wurde in den 1990er Jahren zur
wichtigsten Figur im Kampf gegen die Taliban. Zwei Tage vor den Anschlägen
des 11. September 2001 wurde Massoud von Al-Qaida-Attentätern, die sich als
Journalisten ausgaben, ermordet. Zu seinen Lebzeiten konnten die Taliban
seine Heimatprovinz Panjsher nicht einnehmen.
Heute ist das anders. Panjsher ist in fester Taliban-Hand. Die Plakate, die
Massud und seine Kommandanten zeigten, wurden durch Siegesschriften des
Emirats verdrängt. Auch in Kabul hat sich das Stadtbild verändert. Viele
Graffitis, die von westlich unterstützten Künstlergruppen wie den Art Lords
gesprayt wurden, sind nicht mehr zu sehen. Stattdessen sind nun Ermahnungen
der Taliban zu lesen. Hinzu kommt, dass viele der Schutzwälle, die einst
den Verkehr hinderten, verschwunden sind. „Kein Wunder. Die wurden doch
aufgrund der Taliban-Anschläge errichtet. Mittlerweile herrschen die
einstigen Terroristen“, sagt Mohammad Karimi* aus dem Westen Kabuls.
Der Student trägt inzwischen Vollbart und Peran Tumban, sprich,
afghanisches Hemd samt Pluderhose. „Ich wurde dazu genötigt. Unser
Uni-Alltag hat sich verändert“, erzählt er. Die Sittenwächter der Taliban
seien mittlerweile omnipräsent. Religiöse Studien haben zugenommen. Dort
werde jetzt der Taliban-Führer Haibatullah Akhundzada mit Gott und dem
Propheten Mohammed gleichgestellt. Seine Entscheidungen seien nicht zu
hinterfragen. Auch wenn alle Kommilitoninnen aus dem Campus verbannt
werden.
## Keine Gedankenfreiheit
Akhundzada hält sich im südlichen Kandahar auf und hat sich bis heute kein
einziges Mal der Öffentlichkeit gezeigt. Manche fragen sich, ob es ihn
überhaupt gibt. „Du sieht doch auch Gott nicht und glaubst an ihn. Also
stell keine Fragen mehr“, antwortete der neue Taliban-Dozent, nachdem ein
Freund Karimis kritische Fragen stellte. Von den Studenten verlangen die
neuen Machthaber nicht nur Gehorsam, sondern auch die Einhaltung des neuen
Dresscodes. Karimi protestierte lange dagegen.
Er rasierte sich, trug Jeans und Hemd. Vor einigen Monaten knickte er ein.
„Ich hatte einfach keine Kraft mehr, mir das täglich anzuhören“, sagt er.
Vor rund drei Wochen schloss er eines seiner beiden Studienfächer ab. Die
Abschlusszeremonie war trist. Es fehlten nicht nur die Studentinnen,
sondern auch viele seiner Dozenten, die mittlerweile [7][das Land
verlassen] haben, waren nicht vor Ort.
„In Afghanistan gibt es keine intellektuelle Freiheit mehr. Aber zum Glück
wird auch nicht alles zensiert“, erzählt Shams ul-Haqq. Seit fast drei
Jahrzehnten verkauft er Bücher nahe dem Mandaii, dem großen Basar der
Hauptstadt. In seinen Regalen lassen sich weiterhin die Biografien von Marx
und Che Guevara finden. Die Taliban, so ul-Haqq, seien der Meinung, dass
Diktatur und Strenge nötig seien, um die Gesellschaft auf dem rechten Weg
zu bringen. „Vielleicht haben sie ja nicht Unrecht damit?“, meint einer
seiner Kunden. Der Buchhändler nickt lächelnd und gesteht ein, dass in den
letzten Jahren viele Dinge falsch gelaufen seien. Kriminelle Banden und
korrupte Regierungsbeamte hätten in Kabul viel zerstört. Beides sei nicht
verschwunden, aber hätte zumindest abgenommen.
Dann beginnt eine große politische Diskussion zwischen Shams ul-Haqq,
einigen Kunden und den anderen Buchhändlern, die hier seit Jahren arbeiten
und allesamt Zeugen mehrerer Regierungsumstürze waren. Einige geben
talibanfreundliche Töne von sich. Die anderen schütteln den Kopf und halten
dagegen. „Das wird nichts mit denen“, sagt einer, nachdem er nervös um sich
geblickt hat. Er wollte sich absichern, dass keine Patrouille in der Nähe
ist. Gibt es am Ende vielleicht gar die große Erleuchtung unter den neuen
Machthabern? Ändern sie ihr Weltbild? Lassen sie Frauen arbeiten und öffnen
sie die Schulen und Universitäten? „Wie soll man erleuchtet werden, wenn
man einen schwarzen Turban trägt?“, fragt Shams ul-Haqq am Ende ironisch in
die Runde. Er lächelt und wirkt müde zugleich.
*Namen wurden aus Sicherheitsgründen geändert
25 Aug 2023
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Emran Feroz
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