| # taz.de -- Chemie-Skandal in Belgien: Wahrheit, die krank macht | |
| > Chemikalien aus einer 3M-Fabrik verseuchen die Umgebung im belgischen | |
| > Zwijndrecht. Gefährdete Anwohner*innen bereiten eine Sammelklage vor. | |
| Zwijndrecht/Brüssel taz | Wenn Kurt Verstraete nach Hause kommt, in der | |
| Einfahrt seines renovierten Bauernhofs parkt und die paar Meter bis zur Tür | |
| zurücklegt, wird er jedes Mal daran erinnert, was aus dem Traum vom | |
| Landleben geworden ist. Erwartungsvolles Gackern begrüßt ihn, geht er an | |
| dem Gehege vorbei. Hoffend auf Futter, kommen die vier Hühner aus ihrem | |
| Unterschlupf. Doch ihre Eier, die Verstraete und seine Familie früher so | |
| gerne aßen, rühren sie heute nicht mehr an: bei Messungen 2021 wird | |
| festgestellt, dass sie zwischen 80- und 310-mal mehr Anteile der | |
| hochgiftigen Chemikalie PFOS enthalten, als in Europa zulässig ist. | |
| Kein Wunder also, dass auch die Blutwerte der Verstraetes damals weit über | |
| der als sicher geltenden Grenze von 5 Mikrogramm pro Liter liegen, als sie | |
| sich daraufhin testen lassen. 751 sind es bei der Mutter, 310 Mikrogramm | |
| PFOS bei der Tochter, der Sohn kommt auf 607. Das Blut von Kurt Verstraete, | |
| einem 52-jährigen Ingenieur, der im nahen Hafen von Antwerpen arbeitet, | |
| weist 1.023 Mikrogramm PFOS pro Liter auf. | |
| Familie Verstraete ist kein Einzelfall in Zwijndrecht, einem Städtchen von | |
| knapp 20.000 Menschen im Norden Belgiens. Bei Bauarbeiten zur Erweiterung | |
| des Antwerpener Rings wurde im Sommer 2021 entdeckt, dass der Boden mit | |
| sogenannten Ewigkeits-Chemikalien (siehe Beitext) verseucht ist. Eine | |
| Blutuntersuchung bei knapp 800 Bewohner*innen in einem | |
| Drei-Kilometer-Radius um die Fabrik des Chemie- und Mischkonzerns 3M ergab, | |
| dass 90 Prozent von ihnen erhöhte Werte hatten, 59 Prozent davon in einem | |
| Maß, das Gesundheitsrisiken wahrscheinlich macht. Nur 9 Prozent zeigten | |
| Werte, die als sicher gelten. | |
| „Wir wollten hier Obst und Gemüse ohne Pestizide anbauen. Nun bekommen wir | |
| unser Gift eben auf diese Weise ab“, bemerkt Kurt Verstraete sarkastisch. | |
| Der schlanke, jugendlich wirkende Mann wuchs mitten auf dem Land auf, mit | |
| Gemüsegärten und vielen eigenen Hühnern. Genau das wollten er und seine | |
| Familie auch, als sie 2013 dann das große Anwesen zwischen dem Städtchen | |
| und dem Fluss Schelde bezogen. Es liegt in einem landwirtschaftlichen | |
| Gebiet, etwa einen Kilometer Luftlinie von der 3M-Fabrik entfernt. Aus dem | |
| Fenster fällt der Blick über den weiten, sehr gepflegten Garten. Die Fabrik | |
| sieht, hört und riecht man hier nicht. | |
| Inzwischen fühlt sich Kurt Verstraete oft machtlos. Seine Stimme ist ruhig, | |
| er ist kein aufbrausender Typ. Doch dass der Konzern die Risiken für die | |
| Gesundheit lange verkannte, dass 3M das Ausmaß der Verschmutzung und damit | |
| verbundene Gefahren für sich behielt, macht ihn wütend. „Natürlich ist es | |
| schwer, individuelle Erkrankungen eins zu eins darauf zurückzuführen. Aber | |
| die [1][flämische Regionalregierung ließ hier kürzlich eine Studie unter | |
| 300 Jugendlichen durchführen,] die in der Nähe der Fabrik wohnen. Meine | |
| Tochter nahm auch daran teil. Drei Viertel davon haben erhöhte PFAS-Werte.“ | |
| Vieles von dem, was in Zwijndrecht in den letzten zwei Jahren geschehen | |
| ist, erinnert an den Film „Dark Waters“ (siehe Beitext). Nicht grundlos ist | |
| Darkwater 3M der Name einer [2][„Vereinigung von Nachbarinnen und Bürgern, | |
| um Recht geschehen zu lassen im PFAS-PFOS-Fall gegen 3M“.] Zu den fünf | |
| Familien, die sie gründeten, gehörten bald nach Bekanntwerden des Skandals | |
| die Verstraetes. Das Ziel: „Wir wollen, dass 3M endlich zu seiner | |
| Verantwortung steht und betroffene Bürger*innen für alle erlittenen | |
| Schäden kompensiert, jetzt und in der Zukunft.“ | |
| Die Zukunft der Menschen hier ist auch das, was Steven Vervaet antreibt. | |
| „Wir müssen diesen Ort der nächsten Generation in einem besseren Zustand | |
| hinterlassen und die Verschmutzung beseitigen“, sagt er. Der 46-jährige | |
| Politiker der Partei „Groen“, selbst zweifacher Vater, ist in Zwijndrecht | |
| Beigeordneter für Umweltfragen und eines der Gesichter des Kampfes gegen | |
| die chemische Kontaminierung. Zu Beginn des Sommers empfängt er die taz in | |
| der Cafeteria des Rathauses, in dem eine Koalition aus Grünen, Christ- und | |
| Sozialdemokrat*innen regiert. „Aufgeräumt“ werden müsse – es ist ein | |
| Ziel, dem er sein politisches Wirken verschrieben hat. | |
| Ob des regnerischen Wetters trägt Vervaet eine schwarze Outdoorjacke. „Ohne | |
| PFAS“, betont er, auf die Beschichtung weisend und mit einem Anflug des | |
| halb gequälten, halb ironischen Lächelns, das einen an die Züge Kurt | |
| Verstraetes erinnert. Inzwischen ist er ein Experte für die alltäglichen | |
| Produkte und Situationen, in denen Menschen in Kontakt mit PFAS kommen | |
| (siehe Beitext). 2019, als er sein Amt antrat, war das noch anders. Vervaet | |
| machte sich vertraut mit seinem Fachgebiet und erfuhr, dass es im Umfeld | |
| der 3M-Fabrik in der Vergangenheit verschmutztes Grundwasser gab. Der Boden | |
| spielte damals noch keine Rolle. | |
| Die Geschichte von PFAS in Zwijndrecht ist kein Einzelfall, obwohl das | |
| Städtchen heute in ganz Belgien als Synonym für eine toxisch gewordene | |
| Umwelt gilt. Zugleich gibt es, wie [3][das investigative „Forever Pollution | |
| Project“] 18 europäischer Medien im Frühjahr publizierte, etwa 17.000 | |
| solcher verschmutzter Gebiete in Europa. Über 2.100 davon gelten als | |
| „Hotspots“, an denen die Konzentration „ein Niveau erreicht, das als | |
| gesundheitsgefährdend eingestuft wird“. Zwijndrecht hat zwar mit die | |
| höchsten PFAS-Werte, doch finden sich im stark industrialisierten Flandern | |
| genau wie in Teilen Großbritanniens oder Nordrhein-Westfalens auch | |
| zahlreiche andere stark verschmutzte Orte. | |
| Insofern ging die belgische Politik an der Schelde mit der Gefahr jahrelang | |
| auch nur so nachlässig um wie andernorts. „Zwijndrecht weiß seit Beginn der | |
| nuller Jahre einiges über die von 3M verursachte PFOS-Verschmutzung“, sagte | |
| Steven Vervaet, als er Anfang 2022 in einer Untersuchungskommission des | |
| flämischen Parlaments als Zeuge gehört wurde. Genau wie sein Bürgermeister | |
| und Parteikollege André Van de Vyver betonte er aber, die Kommune sei von | |
| bundesstaatlicher oder regionaler Seite nie wegen einer Gefährdung „für die | |
| Gesundheit unserer Leute“ alarmiert worden. | |
| ## Höchste je gemessene PFOS-Werte bei Mäusen | |
| Die 3M-Fabrik in Zwijndrecht, seit 1971 in Betrieb, stellt vor allem | |
| Halbfabrikate her, die an anderen Standorten weiterverarbeitet werden: | |
| Leim, synthetisches Gummi oder Kühlmittel für den Elektroniksektor. Dass | |
| die Fabrik 2002 die Produktion des besonders verrufenen PFOS aufgab, mag | |
| dazu beigetragen haben, dass der Handlungsbedarf weniger akut schien. Doch | |
| 2004 stellten Forscher*innen der Uni Antwerpen in einem nahen | |
| Naturschutzgebiet die höchsten je gemessenen PFOS-Werte bei Mäusen fest. | |
| Weder das flämische Umweltministerium noch die entsprechende lokale Behörde | |
| schritten ein. Beide wurden damals von grünen Politikern geleitet. | |
| Vor diesem Hintergrund trat Steven Vervaet 2019 sein Amt an. Recht bald | |
| hatte er Kontakt mit 3M – wegen womöglich verschmutzten Grundwassers. Der | |
| Konzern, den er damals für „integer“ hielt, konnte seine Zweifel ausräume… | |
| Davon, was im Boden steckte, war allerdings nicht die Rede, was Vervaet bis | |
| heute ungeheuerlich findet. Zwei Jahre später rief ihn ein Umweltaktivist | |
| an und riet ihm dringend, im Umfeld der Fabrik Bodenproben entnehmen zu | |
| lassen. „Als die Werte zurückkamen, dachte ich: uiiii!“, erinnert sich der | |
| Beigeordnete lebhaft. Alle Werte lagen deutlich über der Norm für | |
| Bodensanierung. „Ich schrieb dann an das Ministerium und die Behörde für | |
| Giftmüllstoffe. Sie fielen aus allen Wolken.“ | |
| Der Konzern reagiert in solchen Fällen gerne mit elastischer Rhetorik. | |
| Rebecca Teeters, ihres Zeichens Senior Vice President of Fluorochemical | |
| Stewardship bei 3M, behauptete im Sommer 2021 vor besagter | |
| Untersuchungskommission, es gebe keinen wissenschaftlich bewiesenen | |
| Kausalzusammenhang zwischen PFOS und Gesundheitsschäden. Und | |
| Europa-Direktor Peter Vermeulen meinte kurz darauf im belgischen Radio: | |
| „Nach über 20 Jahren Forschung können wir daraus schließen, dass es bei den | |
| Konzentrationen, die wir heute und in der Vergangenheit sehen, keinen | |
| Einfluss auf die Gesundheit gibt.“ Auf eine aktuelle Anfrage der taz, ob 3M | |
| weiter hinter dieser Behauptung stehe, ging der Standort Zwijndrecht nicht | |
| ein. | |
| Dafür antwortete man, dass sich „die Art, wie wir mit PFAS umgehen, | |
| verändert“ habe. In Zukunft will 3M mit „proaktiven Schritten unsere | |
| Abhängigkeit von persistenten Materialien durch Innovation vermindern“, | |
| gegen Ende 2025 die Produktion von PFAS beenden und diese schrittweise aus | |
| seinen Produkten verbannen. Man strebt einen „verantwortlichen“ Umgang mit | |
| Wasser an, will mit PFOA und PFOS verschmutzte Gebiete sanieren und | |
| selbstverständlich auch die Kosten dafür zahlen, „zum Vorteil der | |
| Einwohner*innen von Flandern“. | |
| Der Beigeordnete Steven Vervaet ist ein pragmatischer Politiker. „Darauf | |
| drängen, das Problem zu lösen, aber sich nicht in seiner Wut verlieren“, | |
| lautet seine Devise. Er berichtet freilich von einer Unterredung mit | |
| 3M-Vertreter*innen, bei der ihm jemand vorhielt: „Die Gesellschaft wollte | |
| PFAS, sie hat PFAS bekommen.“ Da geht dann selbst ihm, der seine Worte | |
| bedächtig wählt und immer betont, Zwijndrecht sei eine sehr lebenswerte | |
| Kommune, der Hut hoch. „No way! No way!“, empört er sich. | |
| Dass den Menschen hier das Kleingärtnern genommen wurde und ihnen die | |
| flämische Regionalregierung rät, keine Eier von eigenen Hühnern mehr zu | |
| essen und wenig selbstgezüchtetes Gemüse, macht Vervaet sichtbar betroffen. | |
| Inzwischen hat man im Rathaus Maßnahmen ergriffen. Im erweiterten Umkreis | |
| der Fabrik wird ab 2024 der Boden saniert und die obersten 70 Zentimeter | |
| abgetragen. Und im Mai begann die bislang größte Blutuntersuchung auf PFAS | |
| in Europa, zu der 75.000 Personen eingeladen wurden, die im Umkreis von | |
| fünf Kilometern um die Fabrik wohnen. Außerdem hat die Kommune 3M wegen | |
| Verletzung seiner Fürsorgepflicht für die Umgebung strafrechtlich belangt. | |
| Näheres kann Steven Vervaet derzeit aber nicht sagen, erst müssen die Akten | |
| eingesehen werden können. | |
| Unübersehbar aber ist: Die Lage beginnt an die in Parkersburg, West | |
| Virginia, gezeigt im Film „Dark Waters“ zu erinnern. Dort wurden 2005 und | |
| 2006 unter dem Namen „C8 Science Panel“ die Blutproben von rund 69.000 | |
| Anwohner*innen untersucht, was Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit | |
| schwerer Gesundheitsschäden (siehe Beitext) erlaubte. [4][In Zwijndrecht | |
| können die Menschen sich nun im Gesundheitszentrum Z+ kostenlos testen | |
| lassen,] zwischen der Apotheke und einem Laden mit Hundejäckchen. „Die | |
| Blutabnahme hat begonnen“, verkündet ein Plakat im Fenster. Beauftragt hat | |
| sie die belgische Regionalverwaltung. | |
| Drinnen läuft beschwingte Musik, am Eingang liegen Gesundheitsbroschüren | |
| aus und ein Ratgeber-Buch mit dem Titel „Nie mehr krank“. Claire De Baets, | |
| von der Laborgruppe Eurofins, die die operationelle Leitung hat, berichtet, | |
| bislang gebe es 10.500 Anmeldungen, 50 bis 70 neue kämen täglich dazu. „Die | |
| Leute sind motiviert, an dieser Untersuchung teilzunehmen, damit wir mehr | |
| Informationen sammeln können.“ Ein Jahr soll das Ganze dauern, erste | |
| Ergebnisse werden im Winter erwartet. | |
| Aus den USA meldet sich im Frühjahr Rob Billot, der „Dark | |
| Waters“-Protagonist, mit einer Videobotschaft. „In den letzten 24 Jahren | |
| habe ich alles getan, um bekannt zu machen, dass Kontaminierung durch PFAS | |
| eine massive Gefährdung der Gesundheit darstellt. Ich habe beobachtet, wie | |
| sich die Geschichte in Belgien entfaltet. Das Testen hat begonnen, und die | |
| Menschen begreifen, dass es sich um ein weltweites Problem handelt.“ | |
| Billot ermutigt: „Gesetze können sich ändern, Regulierungen können sich | |
| ändern, das Verhalten von Unternehmen kann sich ändern. Alle, die sich nun | |
| mit diesem Thema in Belgien beschäftigen: Seien Sie zuversichtlich! Sie | |
| können dazu beitragen, dass die Wahrheit herauskommt.“ | |
| Wenn Billot in Belgien ein Äquivalent hat, dann ist es der Brüsseler Anwalt | |
| Geert Lenssens. Der 62-Jährige ist ein Spezialist für Betrugsfälle und | |
| Sammelklagen. Anfang 2022 nahm ein Mann aus Zwijndrecht mit ihm Kontakt | |
| auf, der für seine Familie einen Anwalt suchte – es war Kurt Verstraete. | |
| Im Mai desselben Jahres reichten sie beim Zivilgericht in Antwerpen Klage | |
| gegen 3M wegen übermäßiger Belästigung durch Nachbarn ein. Ein Jahr später | |
| kommt das Urteil: das [5][Unternehmen ist haftbar und muss der vierköpfigen | |
| Familie provisorisch 2.000 Euro Entschädigung zahlen.] „Ein kleiner | |
| Vorschuss“, erläutert Lenssens. „Die Debatte darüber, wie hoch der | |
| tatsächliche Schadensersatz ausfällt, kommt noch. Im Fall gesundheitlicher | |
| Beschwerden kann der Fall zeitlich unbefristet wieder eröffnet werden.“ | |
| In seiner Kanzlei im Brüsseler Zentrum erklärt der Anwalt die Strategie: | |
| „Es ist eine Sammelklage mit einem Pilotfall. Das Besondere ist, dass wir | |
| ein großes Unternehmen als Nachbarn verklagt haben. Das Gericht hat | |
| anerkannt, dass der Chemiekonzern und die Verstraetes Nachbar*innen | |
| sind. Was die übermäßige Belästigung betrifft, hatte die Familie durch ihre | |
| hohen PFAS-Werte eine starke Position. Lenssens: „Als Nachbarn muss man | |
| manches tolerieren, aber nicht solche Giftstoffe im Boden und im Blut!“ | |
| ## Der 3M-Konzern weicht aus | |
| 3M erklärt auf taz-Anfrage dazu, das Gericht habe zwar der Klage auf | |
| Nachbarschaftsbelästigung stattgegeben, doch nicht geurteilt, „dass PFAS | |
| negative Gesundheitseffekte haben oder verursachen können“. Der Anwalt | |
| betont dagegen: „Das Gericht hat ausdrücklich die Möglichkeit einer | |
| grundsätzlichen Entschädigung im Fall von Gesundheitsschäden genannt. Der | |
| Weg dahin steht jetzt offen.“ | |
| Nach der erfolgreichen Pilotphase folgt diesen Herbst der zweite Schritt: | |
| ein erneuter Gang vor das gleiche Zivilgericht, diesmal mit möglichst | |
| vielen Kläger*innen. Anfang des Sommers waren es 1.500, sagt Lenssens, | |
| Mitte August schon 2.500. Er erzählt auch von einem Krebsfall, in dem | |
| Dokumente einen Zusammenhang mit der PFAS-Verschmutzung belegen sollen. Und | |
| von einer Frau, der er im Juni begegnete, als er das Konzept bei einem „ | |
| Dark Water 3M“-Treffen vorstellte. „Sie sagte, ihre Kinder, die in | |
| Zwijndrecht aufwuchsen, seien krank und hätten alle drei die gleichen | |
| Symptome, auf die sie nicht näher eingehen wollte.“ | |
| Lenssens hat keinen Zweifel daran, dass die Verhältnisse im Wandel | |
| begriffen sind. „Die Zeiten, als Industrie- und vor allem | |
| Chemie-Unternehmen nur eine Lizenz benötigten, sich sonst um nichts zu | |
| kümmern brauchten, und sich die Behörden nur für ökonomische Interessen | |
| interessierten, sind vorbei“, so der Anwalt. „Wir erleben einen Weckruf, | |
| die Leute werden sich bewusst, dass sie alle von diesen Substanzen krank | |
| werden können. Zwijndrecht wacht auf, Belgien, Europa.“ | |
| Sein Mandant Kurt Verstraete ist trotz des anstrengenden Prozesses und des | |
| ständigen Austauschs mit seinen Mitstreiter*innen fürs Erste zufrieden. | |
| „Das ist jetzt ein Exempel, auf das sich zukünftige Klagen stützen können.… | |
| Im Moment, sagt Verstraete, fühle er keine gesundheitlichen Beschwerden. Ob | |
| das so bleiben wird? Und was, wenn nicht? „Es gibt keine Pille, keine | |
| Medizin, keine Operation dafür. Es bleibt einfach in deinem Körper.“ | |
| Nicht sicher ist auch, was wird, wenn die Bagger für die Sanierung kommen, | |
| wenn die obersten Bodenlagen abgetragen werden, das Gras, der Garten, die | |
| Bäume. Wenn alles verschwunden ist und nur noch Erdreich und Sperrzäune | |
| draußen vor dem Fenster zu sehen sein werden. Dahinter passieren dann | |
| Tausende von Lastwagen, beladen mit kontaminiertem Boden, die Fläche. Kann | |
| die Familie hier überhaupt wohnen bleiben? Kurt Verstraete zuckt die | |
| Schultern. „Es ist, als säßen wir in einem Zug und wüssten nicht, wo er | |
| anhält.“ | |
| 23 Aug 2023 | |
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| [2] https://www.darkwater3m.be/ | |
| [3] https://foreverpollution.eu/ | |
| [4] https://www.hln.be/zwijndrecht/gemeente-zwijndrecht-verontrust-over-resulta… | |
| [5] https://www.vrt.be/vrtnws/de/2023/05/16/chemieunternehmen-3m-%20muss-einer-… | |
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| Tobias Müller | |
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