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# taz.de -- Globale Chemikalien-Konferenz in Bonn: Detox-Programm dringend gesu…
> Ein globales Abkommen soll den Einsatz von Chemikalien sicherer für
> Mensch und Umwelt machen. Mehr als 100 Staaten verhandeln.
Bild: Sie sind überall: Chemikalien in Kleidung oder Verpackungen, im Grundwas…
Berlin taz | Über 100 Länder verhandeln diese Woche in Bonn über ein
globales Chemikalien-Abkommen. Während es für den Schutz von Klima und
Biodiversität schon entsprechende UN-Verträge gibt, fehlt eines für die
globale Verschmutzung, die dritte der großen Umweltkrisen.
„Bei der Weltchemikalienkonferenz (ICCM) sollen Ziele, Maßnahmen und
Verantwortlichkeiten vereinbart werden, um Chemikalien und den Umgang mit
ihnen weltweit sicherer zu machen“, heißt es aus dem Umweltministerium. Das
trage dazu bei, [1][die Verschmutzungskrise zu bekämpfen] und damit unsere
Lebensgrundlagen zu sichern.
Weltweit werden derzeit etwa 350.000 verschiedene Chemikalien hergestellt.
Sie machen Kunststoff weich und Holz widerstandsfähig, Dosen außen bunt und
innen geschmacksneutral, Blusen bügelfrei und Schlafsäcke schwer
entzündbar. Feuerwehrausrüstungen, Lebensmittel, Verpackungen, Autos,
Flugzeuge – ohne Chemikalien ist unser Alltag nicht mehr vorstellbar.
Doch die praktischen Stoffe haben Nebenwirkungen. „In den letzten Jahren
verzeichnen wir immer massivere Auswirkungen von Chemikalien auf die
Umwelt, wobei sich Chemikalien nicht an Ländergrenzen halten“, sagt Stefan
Hahn vom Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin in
Hannover und Vorsitzender der Fachgruppe Umweltchemie der Gesellschaft
Deutscher Chemiker, „ein globales Regime wie das ICCM kann dazu beitragen,
die Emissionen zu reduzieren“.
Im Bonn wird es darum gehen, wie Chemikalien generell besser überwacht und
geprüft werden können, bevor sie Schaden anrichten. Es werden aber auch
bestimmte Stoffe und Stoffgruppen im Fokus stehen, etwa Blei, das in vielen
Ländern der Welt noch verkauft werden darf und beispielsweise in Farben die
Gesundheit der Bevölkerung bedroht.
## Afrikanische Staaten fordern mehr Regulierung von Pestiziden
Auch Pestizide werden thematisiert; die Gruppe der afrikanischen Staaten
schlägt vor, eine Allianz für hochgefährliche Pestizide zu gründen; sie
soll Wege für eine nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion
ohne hochgefährliche Ackergifte finden. [2][Ebenfalls breit diskutiert wird
die Stoffgruppe der PFAS]. Diese poly- und perfluorierten Chemikalien
finden sich in zahlreichen Alltagsprodukten von Pizzakartons und
beschichteten Gemüsedosen über Bratpfannen bis zu Regenjacken.
Inzwischen finden sich die Stoffe überall auf dem Globus, selbst in
zivilisationsfernen Gebieten wie der Arktis. Schon lange verdichten sich
die [3][Hinweise darauf, dass PFAS zahlreiche Krankheiten auslösen können],
etwa Krebs, Fortpflanzungsstörungen und Diabetes. In Europa warnen
Ärzteverbände seit Jahren vor den Stoffen, die Unternehmen wehren sich
bislang erfolgreich gegen eine weitgehende Regulierung.
Allerdings enden in Helsinki am Dienstag die monatelangen Konsultationen zu
einem möglichen Verbot von PFAS. Seit März konnte die Öffentlichkeit ein
Verbot der Chemikaliengruppe kommentieren. Nun will sich die
EU-Chemikalienagentur Echa zu ihren nächsten Schritten äußern.
„Mit der Regulierung Reach haben wir zwar schon ein vergleichsweise gutes
Chemikalienmanagement in Europa“, sagt der Chemiker Hahn, „aber auch wir
können von den Fehlern der Vergangenheit lernen und zukünftig noch besser
werden“. Als ein Beispiel für Verbesserungspotential nennt er eben die
aktuelle Diskussion über das PFAS-Verbot.
## Langlebigkeit von Chemikalien ist ein Problem
Der Umweltverband BUND weist [4][in einem aktuellen Positionspapier] zu
einer nachhaltigen Chemikalien- und Stoffpolitik darauf hin, dass vor allem
die Langlebigkeit – die Persistenz – vieler Chemikalien problematisch sei.
Einmal in der Umwelt oder im Organismus verbleiben etwa PFAS dort für lange
Zeiträume und reichern sich an.
„Und wer hätte gedacht, dass Mikroplastik im Körper Entzündungen
verursachen kann“, sagt der Chemiker Markus Große Ophoff vom Arbeitskreis
Umweltchemikalien im BUND. Jahrelang galt Mikroplastik als unschädlich und
inaktiv, „heute wissen wir es besser, aber die Partikel sind in der Welt“.
Der BUND fordert, das Vorsorgeprinzip umzusetzen und Chemikalien zu
entwickeln, die sich nicht langlebig in der Umwelt anreichern – auch dies
ein Thema in Bonn.
## Kanzler lädt zum Chemiegipfel
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) allerdings guckt in dieser Woche
weniger nach Helsinki und Bonn als nach Berlin. Dort lädt der Kanzler zu
einem Chemiegipfel der anderen Art, bei dem es nicht um bessere Produkte,
sondern günstigere Produktionsbedingungen geht.
Der VCI hofft beim Chemiegipfel im Bundeskanzleramt am 27. September auf
ein klares Zeichen zur Lösung der aktuellen Chemiekrise. An dem Termin mit
Bundeskanzler Scholz nehmen Repräsentantinnen und Repräsentanten von
Politik, Industrie und Gewerkschaften teil.
VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup warnte im Vorfeld, die Lage
der Chemie in Deutschland spitze sich weiter zu, „und wir brauchen ein
klares Commitment im Kampf gegen die akute Krise. Wir wollen gemeinsam mit
der Bundesregierung kluge Lösungen finden“. Die hohen Energiekosten seien
existenzgefährdend, aber auch die Mauern aus Bürokratie und Regulierung
müssten endlich eingerissen werden.
24 Sep 2023
## LINKS
[1] /Studie-zur-Belastung-des-Planeten/!5960174
[2] /Ewigkeitschemikalien-in-den-USA/!5942749
[3] /Chemie-Skandal-in-Belgien/!5950859
[4] https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/ressourcen_un…
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Chemikalien
Naturschutz
Umweltverschmutzung
Vereinte Nationen
Chemie
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Chemikalien
Mikroplastik
Schwerpunkt Glyphosat
Belgien
Gewässerschutz
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