# taz.de -- Chemikalienkonferenz endet mit Abkommen: Erstmals globale Regeln f�… | |
> Die UN einigen sich auf ein Abkommen zum Umgang mit Chemikalien. Das soll | |
> Umweltverschmutzung verhindern, die Millionen Tote verursacht. | |
Bild: Wie gefährlich sind die Chemikalien in Produkten wie dieser Kinder-Badel… | |
CHIANG MAI taz | Am Wochenende ist in Bonn eine Lücke im internationalen | |
Umweltrecht geschlossen worden: Auf der fünften Weltchemikalienkonferenz | |
wurde ein Rahmenabkommen zum sicheren Umgang mit [1][Chemikalien] und | |
Chemieabfällen beschlossen. Das Abkommen hätte eigentlich schon vor vier | |
Jahren verabschiedet werden sollen. Daher lamentierte die Chefin des | |
Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep), Inger Andersen: „Seit der | |
ursprünglichen Frist für einen neuen Rechtsrahmen sind nach Schätzungen der | |
Weltgesundheitsorganisation wahrscheinlich Millionen von Menschen an der | |
direkten chemischen Verschmutzung von Luft, Wasser, Boden und | |
Arbeitsplätzen gestorben. Unzählige Ökosysteme und Arten wurden verschmutzt | |
und vergiftet. Der Schaden dürfte sich auf Billionen von Dollar belaufen.“ | |
In Anbetracht der großen Schäden, die durch Chemikalien verursacht werden, | |
ist es erstaunlich, dass es bislang noch kein multilaterales Abkommen | |
gegeben hat, das den Umgang mit Chemikalien regelt. Es gibt zwar vier | |
Konventionen und das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht, doch | |
diese decken nur einen Bruchteil der geschätzt 40.000 bis 60.000 | |
Industriechemikalien ab. Dem deutschen Naturschutzbund zufolge enthalten | |
etwa Pestizide 1.000 verschiedene Substanzen. | |
Von diesen sind 338 gefährlich, aber nur 33 auf internationaler Ebene | |
reguliert. Die meisten Länder benutzen noch nicht einmal eine einheitliche | |
Klassifizierung von Chemikalien. Einzig Europa, China, Russland und ein | |
paar kleinere Länder haben das globale System zur Benennung von Chemikalien | |
vollständig umgesetzt. Selbst bei hochtoxischen Substanzen wie Blei sind | |
viele Länder nonchalant: Nur 37 Prozent verbieten bleihaltige Farben, wie | |
es in einem Bericht des Unep aus dem Jahr 2019 heißt. | |
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die | |
Belastungsgrenze des Planeten im Hinblick auf die Verschmutzung durch | |
Chemikalien bereits überschritten ist, wie eine aktuelle Studie zeigt. Und | |
das Problem wird immer größer: In den Jahren 2000 bis 2017 ist die | |
Produktionskapazität der chemischen Industrie von 1,2 auf 2,3 Milliarden | |
Tonnen pro Jahr gestiegen, und bis zum Jahr 2030 wird mit einer weiteren | |
Verdoppelung gerechnet. Das ist auch klimarelevant: Die chemische Industrie | |
ist für rund 5 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. | |
Auch die dritte planetare Krise, der Verlust der Artenvielfalt, ist zum | |
Teil auf Verschmutzung durch Chemikalien zurückzuführen. Diese lassen sich | |
mittlerweile an den entlegensten Orten nachweisen: So wurden krebserregende | |
PCB-Verbindungen in Sedimenten am Meeresboden gefunden und Pestizide im Eis | |
von Gletschern des Himalaja. Solche Stoffe reichern sich auch im | |
menschlichen Körper an: etwa Dioxine in der Muttermilch und brandhemmende | |
Stoffe in der Nabelschnur von Neugeborenen. | |
Damit soll nun Schluss sein. „Dieses Rahmenabkommen bietet eine Vision für | |
einen Planeten, der frei von Schäden durch Chemikalien und Abfälle ist“, | |
sagte Andersen nach Abschluss der Verhandlungen. Damit das neue, rechtlich | |
unverbindliche Abkommen nicht nur eine Vision bleibt, wurden 28 konkrete | |
Ziele vereinbart. Die Chemieindustrie soll möglichst ungefährliche | |
Alternativen zu heutigen Substanzen entwickeln und das Recycling und | |
Abfallmanagement in Richtung einer Kreislaufwirtschaft weiterentwickeln. | |
Das Abkommen hat zudem einen eigenen Fonds, der von Deutschland mit einer | |
Anschubfinanzierung von 20 Millionen Euro bedacht wurde. Damit sollen | |
Entwicklungsländer unterstützt werden, damit sie institutionell in der Lage | |
sind, ein modernes Chemikalienmanagement einzuführen. Auf eine | |
verpflichtende Abgabe der Chemieindustrie an diesen Fonds konnten sich die | |
Länder allerdings nicht einigen. | |
Das Abkommen unterstützt zudem die Schaffung eines „Weltchemikalienrats“ | |
nach dem Vorbild des Weltklimarats IPCC. Erst soll also der Erkenntnisstand | |
von Wissenschaftlern aufbereitet werden, und dann handeln Diplomaten eine | |
„Zusammenfassung für Entscheidungsträger“ aus. So wird sichergestellt, da… | |
alle Länder den Inhalt des Berichts akzeptieren. Und spätestens mit dem | |
ersten Bericht des neuen Rats wird sich zeigen, ob die Welt wirklich | |
begonnen hat, die Chemikalienverschmutzung zurückzudrängen. | |
1 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Christian Mihatsch | |
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