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# taz.de -- Angriffe auf Lehrkräfte: Die Gewalt ist zurück
> Körperliche Attacken auf Lehrkräfte haben in Niedersachsen wieder
> zugenommen. Lehrkräfte sehen die Schuld daran auch bei vielen Eltern.
Bild: Zuhause ein liebes Kind, in der Schule nicht: In Niedersachsen nimmt die …
Hamburg taz | Erst am Montag mussten sich ein Elternpaar und ihre
erwachsene Tochter wegen des Vorwurfs der Beleidigung und Bedrohung einer
Lehrkraft in Vechta vor Gericht verantworten. Der Sohn beziehungsweise
Bruder war von einer Realschule in Damme verwiesen worden, woraufhin die
Angeklagten ins Sekretariat der Schule gestürmt sein sollen, um den Lehrer
zu bedrohen, der den Verweis ausgesprochen hatte. Das Amtsgericht Vechta
verurteilte die drei Angeklagten nun zu Geldstrafen.
[1][Angriffe auf Lehrer:innen] nahmen in Niedersachsen in den
vergangenen Jahren wieder zu: Waren es in 2021 noch 121 Fälle von
Körperverletzung gegen Lehrkräfte, wurden im darauffolgenden Jahr 159 Fälle
in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst, wie aus einer Anfrage
der Deutschen Presse-Agentur beim Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen
hervorgeht. Damit sind die Zahlen um rund 30 Prozent gestiegen und nähern
sich wieder dem Vor-Corona-Jahr 2019 an, in welchem 197 Fälle bekannt
wurden.
„Sicherlich ist Gewalt an Schulen kein neues Phänomen, vielmehr hat es das
leider schon immer gegeben“, erklärt die Sprecherin des Niedersächsischen
Kultusministeriums. Im Jahresbericht Jugend 2022 des LKA wird der Anstieg
dieser Gewalt aber vor allem pandemiebedingt erklärt.
Neben der angestiegenen psychischen Belastung junger Menschen durch
Zukunftsängste und Überforderung würden die Einschränkung des Soziallebens
in alltäglichen Lebensbereichen wie Schule, Sportvereinen oder selbst im
ÖPNV nun gewisse „Nachholeffekte“ mit sich ziehen. Wichtige
Entwicklungsschritte von jungen Menschen konnten nicht ausgelebt und
Konflikte nicht in Gruppen aufgearbeitet werden. [2][Da die persönliche
Auseinandersetzung] wieder weniger im virtuellen Raum als in der echten
Welt stattfindet, würde Frust vermehrt im Schulkontext ausgetragen.
## Einzeln sind Kinder harmlos
Zusätzlich gebe es aber auch vermehrt Missverständnisse durch
Sprachbarrieren mit insbesondere ukrainischen Schüler*innen. Das sei nicht
unbedingt förderlich für das ohnehin steigende Aggressionspotenzial,
befürchtet der Vorsitzende des Verbandes Niedersächsischer Lehrkräfte
(VNL), Torsten Neumann. „Es gibt eine Verrohung in der Gesellschaft“, sagt
er. Früher hätten sich Kinder der fünften Klasse nicht getraut, eine*n
Zehntklässler*in zu beleidigen, heute beginne das schon in der
Grundschule. Solche Dynamiken entstünden vor allem in Gruppen – einzeln
seien die Kinder meist harmlos.
Neumann stellt aber auch eine mangelnde Kooperation seitens der Eltern
fest. Selbst wenn ihre Kinder offensichtlich einen Fehler begangen hätten,
stünden sie oft nicht mehr hinter den [3][Erziehungsmaßnahmen der Schule]
oder würden die Schuld sogar auf die Lehrkräfte übertragen. Das nähmen die
Kinder auf und reagierten entsprechend. „Viele von ihnen verstehen nicht,
dass ihre Kinder, die zu Hause lieb und nett sind, es in der Schule nicht
sind“, sagt der Vorsitzende des VNL.
Derweil kommt aus der Landtagsopposition der Vorschlag, die
Schulsozialarbeit sowie die psychologischen Beratungsdienste auszubauen.
Der kultuspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Christian Fühner
schlägt vor, die im Rahmen des niedersächsischen Aktionsprogramms
„Startklar in die Zukunft“ geschaffenen befristeten Arbeitsplätze
„nachhaltig in den Stellenplan des Landes zu verankern“.
Das Programm stellt Sondermittel bereit, um Kinder und Jugendliche bei der
Bewältigung der Auswirkungen der Coronapandemie zu unterstützen. Dadurch
würde unter anderem die Organisation von Ferienfreizeiten und Festen, aber
auch die Digitalisierung in der Kinder- und Jugendarbeit gefördert.
Der VNL-Vorsitzende Neumann wünscht sich aber vor allem mehr Rückendeckung
von den Schulbehörden. Oftmals würden von den Schulen getroffene
Erziehungsmaßnahmen, die schlimmstenfalls im Ausschluss vom Unterricht
enden können, zum Nachteil der Schule abgewiesen. Unter diesen Bedingungen
gebe es wenig Aussicht auf Verbesserung, sagt er. Immer weniger junge
Menschen wollen hinsichtlich des steigenden Respektverlustes gegenüber
Lehrkräften an Schulen arbeiten. Die Politik müsse diesem Trend
entgegenwirken.
22 Aug 2023
## LINKS
[1] /Armbrust-Schuesse-in-Bremerhavener-Schule/!5915607
[2] /Drohungen-gegen-Lehrkraefte-in-Brandenburg/!5947345
[3] /Rechtsextremismus-an-Lausitzer-Schule/!5930789
## AUTOREN
Nina Christof
## TAGS
Schule und Corona
Bildung
Gewalt in der Schule
Niedersachsen
Schule
Bildungspolitik
Rechtsextremismus
Brandenburg
Suizid
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