| # taz.de -- Politologe über Lisa Paus: „Da fehlt ein Steuerungszentrum“ | |
| > Schon wieder Regierungskrach: Politologe Wolfgang Schroeder sieht es | |
| > kritisch, dass Familienministerin Paus das Wachstumschancengesetz | |
| > blockiert. | |
| Bild: Auf zur nächsten Blockade? Die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus… | |
| wochentaz: Herr Schroeder, die grüne Familienministerin Lisa Paus | |
| [1][blockiert das Wachstumschancengesetz] von FDP-Finanzminister Christian | |
| Lindner, [2][der Paus bei der Kindergrundsicherung ausbremst]. War das | |
| jetzt ein kluger Konter? | |
| Wolfgang Schroeder: Man kann sich nicht wirklich darüber wundern, dass die | |
| Grünen nach dem Motto: „Was ihr könnt, können wir schon lange“, | |
| zurückschießen. Die FDP hat ja letztens das vor allem von den Grünen | |
| verantwortete Heizungsgesetz lange blockiert. [3][Und man kann auch | |
| Verständnis für Lisa Paus haben], sie kämpft seit Langem für eine gute | |
| finanzielle Ausgestaltung der Kindergrundsicherung, da ist politischer | |
| Druck existenziell. Dieses Gesetzesprojekt ist ja auch das Flaggschiff der | |
| grünen Regierungspolitik im sozialpolitischen Bereich. Aber man muss auch | |
| die andere Seite sehen. | |
| Und die wäre? | |
| Die deutsche Wirtschaft läuft möglicherweise in eine veritable ökonomische | |
| Krise hinein. Andere Staaten verbessern die Wettbewerbsbedingungen für | |
| Unternehmen und Investitionen enorm. Dafür steht gegenwärtig der | |
| US-amerikanische Inflation Reduction Act. Vor diesem Hintergrund ist klar, | |
| dass eine Blockade der deutschen Antwort darauf als sehr problematisch | |
| betrachtet wird. So stehen die sozialpolitische Sachlogik und die | |
| Regierungslogik in einem offenen Konflikt. | |
| Also finden Sie die Aktion von Lisa Paus insgesamt doch eher unklug? | |
| Die Ampel wollte nach der Sommerpause mit einem Neustart rauskommen, also | |
| die Differenzen, die ja bestehen, intern klären und nicht weiter öffentlich | |
| austragen. Das ist nicht gelungen – und das ist nicht gut. Denn man muss ja | |
| sehen, dass die Zustimmungswerte und die Akzeptanz der Ampel so bescheiden | |
| sind wie kaum bei einer anderen Bundesregierung vor ihr. Aber natürlich ist | |
| das aus Sicht der Familienministerin eine Gratwanderung. Sie muss Druck | |
| ausüben. | |
| Das versucht Paus doch. Was würden Sie vorschlagen? | |
| Kommunikativ hat sie bislang keine gute Figur gemacht. Öffentlich ist nicht | |
| wirklich deutlich geworden, wie sie unter den veränderten wirtschaftlichen | |
| und politischen Verhältnissen die Kindergrundsicherung einführen will. Aber | |
| an diesem Streit zeigt sich auch ein wichtiger Missstand bei den Grünen. | |
| Der alte Flügelstreit? Dass den linken Grünen die Kindergrundsicherung | |
| wichtiger ist als dem Rest, ist ja durchaus bekannt. | |
| Klar, der kommt hier auch zum Tragen. Paus Unterstützer kommen derzeit fast | |
| ausnahmslos aus dem linken grünen Lager. Aus der Spitze der Partei selbst | |
| aber hat sie bisher fast keine Unterstützung erhalten. | |
| Selbst Ricarda Lang, die Linke in der Parteispitze, hat sich bislang nicht | |
| geäußert. | |
| Hinzu kommt, dass das Wachstumschancengesetz in enger Kooperation zwischen | |
| dem Finanzministerium und dem grün geführten Wirtschaftsministerium | |
| entwickelt worden ist. Die Grünen und ihr Vizekanzler sind also selbst | |
| stark in dieses Projekt involviert, das jetzt von einer grünen Ministerin | |
| in einer ersten Runde ausgebremst worden ist. Den Grünen fehlt derzeit ein | |
| handlungsfähiges Steuerungszentrum, das in der Lage ist, diese | |
| Interessenskonflikte auszugleichen. | |
| Ein Machtzentrum also. Sind das nicht Robert Habeck und Annalena Baerbock? | |
| Sie sind sicherlich die beiden zentralen grünen Figuren in der Regierung. | |
| Aber Habeck und Baerbock scheinen nicht mehr in der Lage zu sein, die | |
| vorhandenen Interessenkonflikte auszugleichen. Und die beiden | |
| Parteivorsitzenden, Ricarda Lang und Omid Nouripour, schaffen es | |
| gegenwärtig noch nicht, diese Lücke zu füllen. Das ist ein Problem. | |
| Einerseits ist der Versuch, durch Druck die Bedingungen für die | |
| Kindergrundsicherung zu verbessern, richtig. Andererseits braucht man dafür | |
| die entsprechende Macht oder muss Wege aufzeigen, wie man die eigene | |
| Position mehrheitsfähig machen kann. Aber so, wie die Dinge gerade laufen, | |
| werden solche Konflikte am Ende weder den Grünen noch der Ampel nutzen. | |
| Was bedeutet es gesamtgesellschaftlich, wenn die Ampel weiterstreitet? | |
| Dann kann die Regierung wenig leisten, um die gesellschaftliche Nervosität | |
| abzubauen. Das ist aber eine zentrale Voraussetzung, um eine gute | |
| Wirtschafts-, Klima- und Sozialpolitik zu verankern. Eine zerstrittene | |
| Regierung steigert die gesellschaftliche Nervosität. Und das ist Futter für | |
| die populistischen Kräfte in der Gesellschaft. | |
| 18 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
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