# taz.de -- Zwei Jahre nach dem Machtwechsel in Kabul: Auf Kurt Becks Taliban-S… | |
> Exil-Afghanen mit SPD-Verbindungen wollen in Deutschland einen Dialog mit | |
> den Taliban initiieren. Es gibt viele ungeklärte Fragen. | |
Bild: Taliban am 15. August 2021 nach dem Eindringen in den afghanischen Präsi… | |
BERLIN taz | Als der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck nach einem Gespräch | |
mit dem damaligen afghanischen Präsidenten Hamid Karsai 2007 in Kabul | |
vorschlug, „moderate Taliban“ zu einer Afghanistan-Friedenskonferenz nach | |
Deutschland einzuladen, erntete er Spott und Empörung. Markus Söder, damals | |
CSU-Generalsekretär, höhnte, man merke, dass Beck „sich bislang mehr um | |
Winzer als um Weltpolitik gekümmert“ habe. | |
Der damalige afghanische Außenminister [1][Rangin Dadfar Spanta, vorher | |
Grünen-Kommunalpolitiker in Aachen mit deutschem Pass], ätzte, Becks Idee | |
sei, als ob er „von Kabul aus sagen würde, man sollte in Rheinland-Pfalz | |
mit moderaten NPDlern koalieren“. Spantas damaliger Chef Karsai hatte Beck | |
zufolge die Idee aber unterstützt, da er selbst Kontakte suchte, um eine | |
Versöhnung mit den Taliban einzuleiten. | |
Dass es dazu nicht kam, machte [2][SPD-Politiker Michael Müller im | |
taz-Interview] als die „Ursünde“ aus, die vor zwei Jahren zur erneuten | |
Machtübernahme der Taliban führte. Berlins früherer Regierender | |
Bürgermeister leitet seit Juli 2022 die Enquetekommission des Bundestags | |
zur Aufarbeitung des deutschen Afghanistan-Einsatzes. Diesen Fehler wollen | |
er und andere SPD-Politiker wie Ex-Außenstaatsminister Christoph Zöpel | |
nicht erneut machen. | |
Parteikollege [3][Ralf Stegner sagte jüngst dem Spiegel], es gebe | |
„Bemühungen um einen innerafghanischen Friedens- und Reformdialog“ mit den | |
Taliban und Vertretern von Ex-Präsident Karsai Mitte Oktober in | |
Deutschland. Stegner signalisierte gegenüber der taz Unterstützung: „Alle | |
Versuche, in Afghanistan etwas zu verbessern, sind besser, als nichts zu | |
tun.“ | |
## Afghanischer Ex-Doplomat bemüht sich um Dialog | |
Ein Initiator dieses Versuchs ist laut Stegner der afghanische Ex-Diplomat | |
Abed Nadjib, der viele Jahre lang sein Land in Deutschland vertrat. Auch | |
Nadjib hat inzwischen einen deutschen Pass, ist SPD-Mitglied und beim | |
Verein Afghanisch-Deutsches Forum aktiv. | |
Wie die taz erfuhr, könnte die Veranstaltung in Kooperation mit der | |
Evangelischen Akademie Villigst stattfinden, die seit Jahrzehnten eine | |
jährliche Afghanistan-Konferenz organisiert, jetzt mit Zöpel als | |
Schirmherr. Daran nahm mehrmals auch Karsai teil, der das neue Vorhaben | |
befürworte und teilnehmen möchte. | |
Nadjib und Co sind nicht die Ersten, die einen „innerafghanischen Dialog“ | |
in Gang setzen möchten. Im Juni kam auf Einladung von Norwegens Regierung | |
eine Delegation von Taliban-Vertretern der zweiten Reihe zu einem | |
Dialogtreffen nach Oslo. Zudem will die UNO zum zweiten Mal die | |
Afghanistan-Sonderbeauftragten der USA und anderer westlicher Staaten | |
einberufen, um ihr weiteres Vorgehen gegenüber dem Taliban-Regime zu | |
koordinieren. | |
Das werde nicht vor Oktober stattfinden, sagte der Vizechef der UN-Mission | |
in Afghanistan, der deutsche Diplomat Markus Potzel, der taz. Afghanische | |
und andere Aktivist*innen, die die Taliban und Gespräche mit ihnen strikt | |
ablehnen, fürchten, dass dort eine baldige diplomatische Anerkennung der | |
Taliban beschlossen werden könnte, ohne ihnen gewichtige Konzessionen | |
insbesondere bei den Frauenrechten abzuverlangen. Stegner jedenfalls | |
beteuert gegenüber der taz: „Niemand fordert die Aufnahme diplomatischer | |
Beziehungen oder die Entsendung eines Botschafters.“ | |
Schon Ende der 2000er Jahre fand ein regelrechter Wettbewerb darum statt, | |
wer als Erster Gespräche mit den Taliban anbahnen würde. Das erlaubte | |
ihnen, verschiedene Akteure gegeneinander auszuspielen. Die Konkurrenz ist | |
mit China und Russland inzwischen noch größer geworden. Beide pflegen | |
Kontakte zu den Taliban. | |
## Auswärtiges Amt in „Kenntnis“ über Konferenzpläne | |
Potzel sagte der taz, ihn hätten die Organisatoren um Nadjib nicht | |
kontaktiert, also gebe es auch „keine Koordination“. Aus dem Auswärtigen | |
Amt heißt es, man habe von einer solchen im Oktober in Berlin geplanten | |
Konferenz „Kenntnis“ und werde etwaige Visa-Anträge von | |
Teilnehmer*innen „anhand der für diese Zwecke vorgesehenen gesetzlichen | |
Vorgaben“ bearbeiten. Enthusiasmus klingt anders. | |
Dem Vorhaben stehen weitere Hürden im Weg. Etwa ob die Taliban-Führung | |
„pragmatischeren“ Leuten aus ihren Reihen eine Teilnahme erlaubt. Für | |
Karsai in Kabul gilt seit einer früheren Reise nach Deutschland und London | |
ein Ausreisestopp. | |
Auch könnten die Taliban Initiator Nadjib misstrauen. Er dürfte ihnen als | |
[4][Exponent ihres früheren Hauptgegners, der Nordallianz], bekannt sein, | |
aus deren Reihen sich aktuell wieder bewaffneter Widerstand rekrutiert. | |
Vor allem ist fraglich, ob der langjährige Ausschluss der Taliban von | |
politischen Gesprächen tatsächlich „die“ Ursünde war. Zumindest gleich | |
desaströs war, dass Vertreter prodemokratischer Kräfte zur ersten | |
Afghanistan-Konferenz 2001 in Bonn erst ein-, dann wieder ausgeladen | |
wurden. Warum das geschah, so Müller, versuche seine Kommission noch zu | |
ermitteln. | |
14 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Roths-offener-Brief/!5194677 | |
[2] /Michael-Mueller-ueber-Afghanistan/!5949655 | |
[3] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-politiker-stegner-zur-lage-i… | |
[4] http://www.suedasien.info/interviews/3045.html | |
## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
Sven Hansen | |
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