# taz.de -- Maulkorb für Kritiker in Bosnien-Herzegowina: Auf dem Weg in die D… | |
> In der serbischen Teilrepublik soll Verleumdung künftig unter Strafe | |
> stehen. Präsident Dodik versucht damit, Kritiker mundtot zu machen. | |
Bild: Verstehen sich: Milorad Dodik mit dem ungarischen Premier Viktor Orban | |
SARAJEVO taz | Wie weit kann Milorad Dodik gehen? Diese Frage stellen sich | |
nicht nur Journalisten in Bosnien und Herzegowina. Der „starke Mann“ der | |
serbischen Nationalisten und Präsident der serbischen Teilrepublik | |
Republika Srpska hat jetzt im Parlament ein umstrittenes Gesetz | |
verabschieden lassen, mit dem „Verleumdung“ unter Strafe gestellt wird. | |
Dieser Schritt sei nicht nur gegen das Dayton-Abkommen gerichtet, sondern | |
öffne den Weg für eine Diktatur, wie in Belarus, warnen Kritiker. | |
Die Abgeordneten der Republika Srpska votierten am Donnerstag mit 47 zu 16 | |
Stimmen dafür, das Strafrecht zu ändern. Einige Abgeordnete der Opposition | |
blieben der Abstimmung fern. Wird das Gesetz auch in der zweiten Kammer, | |
der Völkerkammer, durch gewunken, drohen Geldstrafen in Höhe von bis zu 60 | |
000 Euro wegen „Verleumdung“ – eine Umschreibung für Kritik an den | |
herrschenden Zuständen. Bislang war Verleumdung kein Straftatbestand. | |
Die Bestätigung der Änderungen des Strafgesetzes durch das Parlament, leite | |
eine neue Phase offener Repression ein, heißt es in einer Reaktion der in | |
Banja Luka ansässigen Nichtregierungsorganisation Transparency | |
International. Damit reiht sich „die Republika Srpska unter die schlimmsten | |
autoritären Regime in diesem Teil der Welt ein“, erklärt die Organisation. | |
Jeder Bürger werde unter den Konsequenzen dieses Gesetzes leiden, da jede | |
kritische Äußerung auch in den sozialen Medien individuell verfolgt werden | |
könne. | |
Die Entscheidung vom Donnerstag richte sich vor allem gegen Journalisten, | |
Medien, Aktivisten, Oppositionspolitiker und alle, die soziale Verhältnisse | |
kritisieren. Jeder müsse nun mit Polizeikontrollen, Konfiszierung der | |
persönlichen Papiere, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und anderen | |
Maßnahmen rechnen. | |
## Warnende Stimmen | |
Und das nicht nur in der Republika Srpska, warnen auch andere kritische | |
Stimmen. So würden auch alle Bürger aus dem zweiten Teilstaat, der | |
bosniakisch-kroatischen Föderation, unter dieses Gesetz fallen. Sogar | |
internationale Journalisten könnten bedroht werden, wenn sie auf dem | |
Territorium der Republika Srpska tätig würden. | |
Mit dem neuen Gesetz antwortet Milorad Dodik, der gute Beziehungen zu | |
Russland unterhält, auf Sanktionen, die die USA und Großbritanniens gegen | |
ihn persönlich verhängt haben. Jetzt werden die EU und vor allem [1][der | |
Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina], Christian Schmidt, nicht | |
nur verbal, sondern auch praktisch reagieren müssen. | |
Zwar hatte Schmidt kraft seiner besonderen Befugnisse (Bonn Powers) [2][zum | |
Jahrestag des Genozides in Srebrenica] Strafandrohungen für die Leugnung | |
des Völkermordes erneuert. Jetzt scheint er jedoch überrascht zu sein, dass | |
Dodik mit der Einschränkung und Abschaffung fundamentaler Freiheiten | |
antwortet. | |
Wird es eine klare und machtvolle Antwort Schmidts, der EU und der USA | |
geben? Die gespaltenen Europäer werden dazu kaum in der Lage sein, schätzen | |
politische Analytiker in Sarajevo. Mit Ungarns rechtslastigem | |
Regierungschef Viktor Orbán in Ungarn, einer rechten Regierung in Italien | |
sowie rechten Kräften, die in Spanien, Skandinavien, aber auch in | |
Deutschland an Einfluß gewinnen, könne sich Dodik jetzt solche Schritte | |
herausnehmen. | |
Zwar würden jetzt auch die Eufor-Truppen, die die Einhaltung des | |
Dayton-Abkommens überwachen sollen, in Bosnien aufgestockt. Doch in | |
Sarajevo zweifeln alle politischen Lager am politischen Willen Europas, | |
hart gegen Dodik vorzugehen. Auch die USA zeigten sich unschlüssig. | |
21 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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