| # taz.de -- Wenn Rechte das Gendern kritisieren: Den Ballon vorbeiziehen lassen | |
| > „Gender“ ist für Rechte ein besonders billiges Thema. Doch so oft unser | |
| > Autor die Argumente kaputtpikst: Irgendwer pustet immer wieder Luft in | |
| > den Ballon. | |
| Bild: Der Ballon kommt wieder | |
| Die Genderblase macht mich müde. Aber nicht die, an die Sie jetzt denken. | |
| Ich meine eine riesige Blase aus heißer Luft, die mir Migräne macht. Nennen | |
| wir sie präziser: die Antigender-Blase. | |
| Anlass für meine Ermattungssymptome ist ein deutscher Stadtrat. Der hat auf | |
| Antrag einer deutschen rechten Partei seinen Behörden untersagt, inklusive | |
| Sprache zu nutzen (zu gendern). Wer genau sich wo darüber streitet, das | |
| kann auf Bild nachlesen, wer sich grade frisch fühlt. Ist austauschbar, | |
| denn der Anlass könnte ein anderer sein, zum Beispiel eine Landesregierung | |
| oder ein regierender Bürgermeister, die sich zuletzt in ähnlichen | |
| Prestigeprojekten der Zeichensetzung betätigt haben. Als gäbe es sonst | |
| nichts, um die Verwaltung zu beschäftigen. | |
| Aber Hauptsache gegen „Gender“ positioniert. Kommt noch billiger als gegen | |
| Fußgängerzonen und Flüchtlingsheime. | |
| Wenn ich Umfragen und persönliche Gespräche aus den letzten Jahren richtig | |
| interpretiere, dann haben merklich weniger Leute ein Problem mit | |
| Frauenthemen als mit „Gender“. Haben bedeutend weniger Leute Vorbehalte | |
| gegen [1][LGBT-Personen] als gegen „Gender“. Stört es kaum jemand, dass man | |
| sich mit Familienpolitik beschäftigt, mit der [2][Krise der | |
| Erziehungsberufe], mit ungesunden Schönheitsidealen, mit | |
| geschlechtersensibler Medizin, mit Girls' Days, mit häuslicher Gewalt – | |
| dafür umso mehr, dass man sich mit „Gender“ beschäftigt. | |
| ## Ein träger Flump | |
| Und was ist noch mal „Gender“? | |
| Der ganze „Oh nein, dieses Gender!“-Diskurs ist kein Bläschen mehr, sondern | |
| ein schwerfälliger Ballon, der seit Jahren die Welt umkreist und zirka alle | |
| achtzig Tage irgendwo mit einem trägen Flump in den Feuilletons landet. | |
| Dann möchte man sich als Genderkolumnist jedes Mal dazu verhalten, das Ding | |
| wegkicken oder mit einem nadelspitzen Argument kaputtpiksen, klappt aber | |
| nicht. Irgendwer pustet immer neue heiße Luft rein. Zuvorderst die Rechten | |
| in Nord-, Süd-, Ost-, West- und Mitteleuropa. Die haben sich aus diesem | |
| „Gender“ eine prächtige Hülle für redundantes Politikgelaber gebastelt. … | |
| kommen dann wahlweise Ressentiments rein gegen westlichen urbanen | |
| Liberalismus, gegen Amerika, gegen das akademische Milieu, und so weiter. | |
| Wer begeistert mitmacht, sind die Sprachhüter*innen. Leute, die sonst | |
| beruflich Leuten vorschreiben, wie man zu reden hat und jetzt darüber | |
| schreiben, dass man Leuten nicht vorschreiben soll, wie man zu reden hat. | |
| Und wer auch mitpumpt am Ballon, sind Progressive, die gerne | |
| not-like-other-Progressive sein möchten. Haha, keine Sorge, so ne | |
| Gender-Socke bin ich nicht! Da kommen dann noch Ressentiments rein: gegen | |
| Liberalismus, Amerika, das akademische Milieu, … | |
| Ich bin müde. Aber der Ballon kommt wieder, ich seh ihn am Horizont. Ich | |
| hab das Kicken und Kaputtpiksen satt. Würde es helfen, wenn ich ihn einfach | |
| vorbeiziehen ließe? | |
| Das wäre schön. | |
| 14 Jul 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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