Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dokumentarfilm über Operation Gomorrha: Erinnerung, sprich!
> Zum 80. Jahrestag des schwersten Luftangriffs auf Hamburg zeigt Christian
> Grasse seinen Dokumentarfilm „Im Gedächtnis einer Stadt – Operation
> Gomorrha“.
Bild: Interview am Heiligengeistfeld: Im Spiegel der Stadt erweist sich das Fil…
„Stell dir die Hölle vor! Aber da brennt ja alles, das ist ja nur Feuer! So
war das auch!“ Hier beschreibt eine Zeitzeugin ihren Versuch, ihrer Enkelin
zu erklären, wie sie die Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 erlebt hat.
Beim schwersten Luftangriff auf Hamburg wurde ein Feuersturm entfacht, in
dem mehr als 40.000 Menschen starben.
Die alte Dame wurde von Christian Grasse befragt, einem freien Hamburger
Dokumentarfilmer. Der interviewt seit zehn Jahren für ein monumentales
Projekt Zeitzeug*innen zu ihren [1][Erinnerungen] an die Zeit zwischen
der Weimarer Republik und dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Rund 300 hat er
inzwischen gefunden, sie mit seiner Kamera besucht und dabei hat er mehr
als 1.000 Stunden Filmmaterial aufgenommen.
Diese Aufnahmen hat er ursprünglich für ein Archiv des Hamburger
Schulmuseums gesammelt. Als Filmemacher aber hat er immer auch Teile
ausgekoppelt, thematisch gebündelt und als eigenständiges Werk präsentiert.
Im Mai dieses Jahres stellte er einen Film über die Schlacht um Berlin im
Jahr 1945 vor. Einen anderen machte er über U-Boot-Fahrer.
Der [2][Feuersturm von Hamburg] aber ist ein Thema, das ihn besonders
gefangen hält: Er kann nicht aufhören, weiter Zeitzeug*innen dazu zu
befragen. Und so hat er nun zum 80. Jahrestag des [3][schwersten
Luftangriffs auf die Stadt] eher widerwillig eine Arbeitskopie seines Opus
magnum „Im Gedächtnis der Stadt – Operation Gomorrah“ montiert.
Zuerst sollte sie nur 28 Minuten lang sein. Jetzt hat sie doch mit 47
Minuten in etwa die Länge einer klassischen TV-Dokumentation. Er selbst
nennt sie – historisch natürlich höchst unkorrekt – seinen
„Kamikaze-Schnitt“. Geplant ist ein viel längerer Film, aber wann dieser
fertig sein wird, kann Grasse selbst nicht sagen.
Denn offensichtlich kann er nicht aufhören zu sammeln. Er selbst spricht
von seiner „Leidenschaft“ und dem „Goldrausch“, dem er verfiel, als er
merkte, wie fruchtbar diese Arbeit für ihn ist. Er befragte Menschen aus
den verschiedensten sozialen Schichten und Milieus: „vom Bankdirektor bis
zum Verbrecher“.
Zum Teil hat er dabei mit Namenslisten gearbeitet – so etwa in
Großbritannien, wo seine Arbeit von verschiedenen Museen unterstützt wird.
Aber zum Teil hat er auch einfach in Hamburg Menschen im entsprechenden
Alter auf der Straße angesprochen. Sein ältester Zeitzeuge ist 104, der
jüngste heute 86 Jahre alt.
Zum Feuersturm auf Hamburg befragte er englische und deutsche Flieger,
damalige Soldaten der Flugabwehr – vor allem aber Zivilist*innen. Mit
vielen von ihnen besucht er die Orte, an denen sie die Katastrophe
erlebten, spricht mit ihnen in Luftschutzbunkern, auf Hamburger Straßen, in
denen heute nichts mehr an die damaligen Trümmerfelder erinnert oder im
Anflug auf Hamburg in einem Kleinflugzeug.
Eine ältere Dame hat er so im Rollstuhl vor den Bunker am Heiligengeistfeld
geschoben, der inzwischen umgebaut und begrünt wird. So sind Grasses
Aufnahmen inzwischen selbst historisch, sein Film gerät zur
Langzeitdokumentation. Dass die Rollstuhlfahrerin 1943 als junge Tänzerin
in dem Hans-Albers-Film „Große Freiheit Nr. 7“ mitspielte, ist eine der
Perlen, die Grasse immer wieder entdeckt und durch die Geschichte in seinen
Filmen lebendig wird.
Er verzichtet deshalb ganz auf die in Dokumentationen üblichen Stilmittel
wie historisches Filmmaterial und Fotos aus Archiven oder eine
Erzählstimme. Stattdessen lässt er die Menschen selbst zu Wort kommen, denn
er sieht es als seine Pflicht an, ihnen mit seinem Film „gerecht zu
werden.“
Viele von ihnen erlebten zwischen dem 27. und 28. Juli 1943 die
intensivsten Momente ihres Lebens. Grasse erzählt, dass er durch diese
Arbeit gelernt hat, die Stadt Hamburg mit anderen Augen zu sehen. Und ein
wenig wird es so wohl auch vielen Zuschauer*innen ergehen.
28 Jul 2023
## LINKS
[1] /Historiker-Malte-Thiessen-ueber-Bomben-Gedenken/!5523345
[2] /Bombenangriff-auf-Hamburg-vor-80-Jahren/!5941946
[3] /80-Jahre-Operation-Gomorrha/!5946144
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Hamburg
Dokumentarfilm
Gomorrha
Film
Hamburg
Konferenz
NS-Literatur
## ARTIKEL ZUM THEMA
Filmbiografie „One Life“ im Kino: Held im Stillen
Die Filmbiografie „One Life“ erzählt von Nicholas Winton, der kurz vor dem
Zweiten Weltkrieg Kinder aus der Tschechoslowakei retten ließ.
80 Jahre „Operation Gomorrha“: Trümmer für die Zukunft
In Hamburg jährt sich zum 80. Mal die britisch-amerikanische Luftoffensive
„Operation Gomorrha“ mit 37.000 Toten. Endet die Erinnerung mit den letzten
Zeitzeuginnen*?
Bombenangriff auf Hamburg vor 80 Jahren: Bleibende Leerstellen
Eine Tagung beschäftigte sich mit dem Bombenangriff auf Hamburg im Juli
1943. Was bedeutet Gedenken an den „Feuersturm“ für die Erinnerungspolitik?
Überlebende über NS-Zeit und das Danach: „Nach 1945 waren die Lehrer Nazis�…
Die Jüdin Marione Ingram hat den Hamburger Feuersturm erlebt und im
Versteck überlebt. Heute agitiert sie in den USA gegen Rassismus. Ein
Protokoll.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.