# taz.de -- Lili Sommerfeld über den Nahost-Konflikt: „Lass mir nicht den Mu… | |
> Lili Sommerfeld ist Sängerin, Chorleiterin, queerpolitisch unterwegs. Und | |
> aktiv beim Verein „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in | |
> Nahost“. | |
Bild: Lili Sommerfeld, Musikerin und Aktivistin, steht zur ihrer Meinung | |
wochentaz: Frau Sommerfeld, wann waren Sie das letzte Mal auf einer | |
Demonstration? | |
Lili Sommerfeld: Das war wohl Mitte Mai auf dem Hermannplatz in | |
Berlin-Neukölln. Es war eine spontane Demo, die tatsächlich von der Polizei | |
erlaubt wurde. Es ging um den Nakba-Tag am 15. Mai, den „Tag der | |
Katastrophe“, womit die Palästinenser die Staatsgründung Israels aus ihrer | |
Perspektive meinen. | |
Die Berliner Polizei hatte zuvor eine [1][Demonstration zum Thema | |
verboten]. | |
Ja, eine Demo zu dem Tag ist – wieder einmal – verboten worden. Voriges | |
Jahr haben sie auch eine Demo von uns, dem Verein Jüdische Stimme für einen | |
gerechten Frieden in Nahost am Nakba-Tag, verboten. Dieses Jahr haben wir | |
darum bei der Aktion „They ban, we Dabke“ Dabke getanzt. | |
Dabke? | |
Ja, den [2][palästinensischen Kreistanz]. Es gab keine Plakate, es wurde | |
nichts skandiert – einfach nur getanzt. Wir trugen die Farben rot, weiß, | |
grün, das sind die palästinensischen Farben, manche trugen eine Kufiya, | |
das Pali-Tuch. | |
Sie sind Jüdin. Wieso engagieren Sie sich für die palästinensische Sache? | |
Da muss ich mal ausholen. Ich hatte das große Glück, mit einer Mutter | |
aufzuwachsen, die mir politisch ein großes Vorbild war. Meine Mutter ist | |
gebürtig aus Eilat, das ist ganz im Süden von Israel. Ihr Vater war | |
deutscher Jude. Sein Vater wiederum, mein Urgroßvater Rolf Julius | |
Sommerfeld, schickte seinen Sohn, ebenfalls Rolf, zunächst 1934 mit 14 | |
Jahren auf ein Schweizer Internat und 1937 auf ein Schiff nach Haifa. Er | |
selbst blieb in Europa und wurde von den Nazis deportiert und umgebracht. | |
Im selben Jahr, in dem er seinen einzigen Sohn nach Palästina schickte, ist | |
in Jerusalem meine Oma mütterlicherseits geboren: Sie hat sich selbst als | |
palästinensische Jüdin bezeichnet. | |
Wieso? | |
Ihre Familie war jüdisch und sehr, sehr früh aus Marokko nach Palästina | |
eingewandert, schon Ende des 19. Jahrhunderts. Es treffen sich also diese | |
arabische Jüdin, meine Oma, und der 18 Jahre ältere Rolf Sommerfeld, ein | |
[3][aschkenasischer], geflüchteter Jude, 20 Jahre später im Süden des | |
damals noch jungen Staates Israel, heiraten sie und bekommen meine Mutter. | |
Als sie sechs oder sieben Jahre alt ist, sind sie weg aus Israel. Sie waren | |
in Kenia, in Tansania und dann landen sie irgendwann in Deutschland – Rolf | |
hatte ja eine Verbindung hierhin. Leider habe ich ihn nie kennengelernt, er | |
starb 1980 an Krebs. | |
Wann kamen Sie? | |
Ich bin 1987 in Berlin geboren, aber nach der Trennung meiner Eltern, als | |
ich ein Baby war, sind wir nach Bayern gezogen und ich bin mit meiner | |
Mutter und Oma aufgewachsen. Sie waren die prägenden Personen. | |
Wie war es als Jüdin in Bayern? | |
Ich habe im Landkreis Ebersberg bei München gewohnt. Mein einziger Kontakt | |
mit Juden kam so zustande, als ich mit einem jüdischen Mädchen aus meiner | |
Parallelklasse ein Jahr lang zur jüdischen Gemeinde nach München gefahren | |
bin zum Religionsunterricht. Ich wollte das ausprobieren, aber weil ich nie | |
gläubig war, verlor ich schnell das Interesse. Trotzdem habe ich schon früh | |
gespürt, so mit 14 oder 15, dass von mir erwartet wird, dass ich eine ganz | |
bestimmte Haltung zum Staat Israel habe. | |
Wer erwartete das? | |
Die Gesellschaft. Das war ein sehr diffuses Gefühl. Ich bin aufgewachsen | |
mit einem sehr starken Gefühl von [4][othering] – so nenne ich es heute. | |
Damals kannte ich den Begriff nicht. | |
Sie gehörten nicht dazu? | |
Ja. Ich habe keinerlei Antisemitismus erfahren – nie. Niemand hat mich je | |
spüren lassen, ich sei schlechter, blöder, weniger wert, weil ich Jüdin | |
bin. Was ich gefühlt habe: Du bist ganz anders als wir, das ist spannend | |
und sehr, sehr schön. Ich habe ganz viel, gerade von Eltern von Freunden | |
von mir, das Gefühl vermittelt bekommen, wie toll sie es finden, dass ihr | |
Kind mit einer Jüdin befreundet ist. Und spätestens beim zweiten Treffen | |
hat man über den Holocaust geredet. | |
Und Israel? | |
Israel war für mich als Kind und Jugendliche in erster Linie das Land, wo | |
ich relativ regelmäßig meine erweiterte Familie besucht habe. Meine Mutter | |
hat zwar keine Geschwister, aber meine Oma hat einige, und die haben wieder | |
Kinder, die haben wieder Kinder, die dann meine Generation waren. Und | |
natürlich habe ich „den Konflikt“ dort, so habe ich es damals noch genannt, | |
mitbekommen. Und jetzt kommt meine Mutter ins Spiel. | |
Wie das? | |
Meine Mutter war und ist politisch links und hat mir beigebracht, dass | |
Menschenrechte das allerwichtigste sind. Gleichzeitig bekam ich zum | |
arabisch-israelischen Konflikt in Deutschland aus den Nachrichten, von | |
meinen Freundinnen, deren Eltern und den Lehrern und so weiter immer nur | |
Floskeln zu hören: Israel ist von Feinden umzingelt, die Juden werden immer | |
angegriffen und haben das Recht, sich zu verteidigen, es ist die einzige | |
Demokratie im Nahen Osten. | |
Stimmt das etwa nicht? | |
Es ist einseitig! In Deutschland sieht man immer nur die | |
jüdisch-israelische Perspektive – und plappert entsprechend die ganze | |
Propaganda nach. | |
Wo haben Sie die palästinensische Seite mitbekommen? | |
Zwischen 14 und 21 habe ich mit etwas angefangen, dass ich heute gerne als | |
Falafel-Aktivismus bezeichne. Also Aktivismus auf der Ebene: Wir essen | |
gerne Falafel, ihr esst gerne Falafel, lasst uns zusammen Falafel essen. | |
Ich dachte: Es gibt auf der kulturellen und menschlichen Ebene so viele | |
Gemeinsamkeiten zwischen Arabern und Juden, es gibt ja ein gemeinsames | |
Leben! Und die einzigen, die keinen Frieden wollen, sind die korrupten | |
Politiker da oben. Das war ein paar Jahre mein Stand. | |
Und heute? | |
2006 habe ich Abitur gemacht, 2007 ist meine Mutter mit meiner jüngeren | |
Schwester und meinem Stiefvater nach Tel Aviv gezogen. Das war ihr | |
Kindheitstraum. Aber sie sind nach 2 Jahren wieder zurückgekommen. | |
Warum? | |
Damals gab es die Gaza-Offensive „Gegossenes Blei“ zwischen Dezember 2008 | |
und Januar 2009. Es war ein Krieg mit über 2.000 Toten, schrecklich. Ich | |
war kurz vorher drei Monate in Tel Aviv, in der Zeit ist mit meiner Mutter | |
eine Veränderung vorgegangen – und mit mir auch. Ich fing an, mich auf | |
einem anderen Niveau mit diesem Thema zu beschäftigen. Seitdem nenne ich es | |
nicht mehr „Konflikt“, weil das suggeriert, dass da zwei Parteien | |
miteinander streiten, die mehr oder weniger auf Augenhöhe sind. | |
Aber hat Israel nicht das Recht, sich zu verteidigen, wenn die Hamas mit | |
Raketen aus Gaza schießt? Die Hamas will Israel vernichten, wie es in ihrer | |
Gründungscharta heißt. Wie soll da Frieden möglich sein? | |
Selbstverständlich darf Israel sich verteidigen und selbstverständlich | |
lehne ich die Gewalt der Hamas ab und verurteile sie regelmäßig. Aber warum | |
gelingt es uns nicht, auch diese Gewalt als Reaktion auf etwas zu | |
betrachten? Die Nakba ist kein Ereignis aus dem Jahr 1948, sie ist ein bis | |
heute kontinuierlicher Prozess aus systematischer Vertreibung und | |
Vernichtung von palästinensischem Leben, die von einer Regierung mit | |
enormer militärischer Macht vollzogen wird. Natürlich regt sich dagegen | |
Widerstand, auch wenn man die Methode verurteilen mag. Aber jetzt komme ich | |
zurück zu mir. | |
Gerne. | |
Dieser Gaza-Krieg war ein Weckruf für mich und meine Mutter, sie hielt es | |
nicht mehr aus, in diesem Land zu leben. Als sie zurückkamen, hat sie einen | |
traurigen Witz gemacht: Die gute Nachricht ist, es gibt eine ganz tolle | |
Friedensbewegung in Israel, sehr engagierte, kluge Leute. Die schlechte | |
Nachricht: Nach zwei Jahren kenne ich sie alle! | |
Weil sie so klein ist? | |
Ja, klar! Die Leute sind nun in der dritten Generation an diesen „Zustand“ | |
gewöhnt, er wird von den meisten Israelis als notwendiges Übel | |
wahrgenommen. Es gibt auch jetzt innerhalb der großen | |
Anti-Netanyahu-Bewegung nur wenige, die das System der „jewish supremacy“ | |
hinterfragen. Denn die zionistische Idee ist unser täglich Brot, Frühstück, | |
Abendessen – du nimmst sie auf mit der Muttermilch. Es geht um das ganze | |
Geflecht der jüdischen Vorherrschaft zwischen Mittelmeer und Jordan, von | |
der Belagerung und regelmäßigen Bombardierung von Gaza, zur Besatzung des | |
Westjordanland, zur Annexion Ost-Jerusalems bis hin zur | |
Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen Juden und Palästinenser*innen | |
innerhalb der „Grenzen von 1967“. | |
Bitte zurück zu Ihnen. Wie kamen Sie zum [5][Verein Jüdische Stimme]? | |
Da muss ich nochmal ausholen. 2014 war wieder Gaza-Krieg und ich war in | |
Jerusalem, um ein Musikvideo für meinen Song „Jerusalem“ zu drehen. Zum | |
ersten Mal habe ich selber Raketenbeschuss erlebt, was eine krasse | |
Erfahrung ist – auch wenn wir uns sicher fühlen konnten, weil Israel ja das | |
Raketenabwehrsystem Iron Dome hat. Zur selben Zeit war | |
Fußball-Weltmeisterschaft und wir haben das Finale am Strand von Tel Aviv | |
gefeiert. Dort sah man regelmäßig die Militärflugzeuge Richtung Süden nach | |
Gaza fliegen – und ein paar Leute am Strand haben geklatscht. Diese | |
Gleichzeitigkeit – wir feiern hier, dort fallen Bomben – hat mir das Herz | |
zerrissen. Als ich zurück kam nach Berlin, hatte ich einen Burn-out. | |
Wegen Israel? | |
Auf vielen Ebenen. Ich konnte keine Songs mehr dazu singen, denn für wen | |
sollten die sein? Ich wollte meine eigene jüdisch-israelische Familie | |
wachrütteln: Könnt ihr mal gucken, was mit dieser Gesellschaft passiert? | |
Man hat euch so viel Angst eingeflößt über Generationen: dass ihr von | |
Feinden umzingelt seid, dass mit diesen Arabern kein Frieden möglich ist. | |
Diese Angst ist nicht produktiv, jemand muss den Hebel umlegen, und die | |
einzigen Menschen, die wirklich Zugang zu einem Hebel haben, seid ihr, die | |
Israelis! Aber nun dachte ich, sie zu überzeugen, ist vergeblich. | |
Was haben Sie getan? | |
Ich habe mich von dem Thema verabschiedet. Nachrichtenstopp. So nach neun | |
Monaten habe ich aber wieder Hummeln im Hintern bekommen – einfach weil ich | |
eine Aktivistin war und bin. Ich hab dann, weil ich frisch verliebt war, | |
den Hashtag #Ehefüralle ins Leben gerufen. Das Schlagwort „Ehe für alle“ | |
stammt von mir. | |
Echt? | |
Ja! Ich kannte mich nicht wirklich aus in der queer-aktivistischen Welt. | |
Ich war einfach selber relativ frisch out und es hat mich aufgeregt, wie | |
viele Unterschiede zwischen Ehe und „Lebenspartnerschaft“ es gab. Wussten | |
Sie, dass die „Homo-Ehe“ bei 150 Rechten benachteiligt war? | |
Ehrlich gesagt, nein. | |
Da dachte ich, ich muss das in die Hand nehmen und habe mir den Namen „Ehe | |
für alle“ überlegt – nach dem französischen Vorbild „mariage pour tous… | |
Ich habe das ins Internet gepustet, eine Facebook-Seite erstellt, | |
Handyvideo gemacht und so weiter. Dann kam der Volksentscheid in Irland, wo | |
die Ehe für alle per direkter Bürgerabstimmung Realität wurde. Auf einmal | |
haben sich auch wieder deutsche Medien für das Thema interessiert – und da | |
war ich mit meinem Hashtag die richtige Ansprechpartnerin. Sechs Wochen | |
später hatten wir das größte LGBTQ-Bündnis in der Geschichte von | |
Deutschland und ich habe mich gemeldet, um diese Kampagne zu koordinieren. | |
Damals habe ich Aktivismus gelernt und wie es ist, gemeinsam für eine | |
politische Sache zu kämpfen. Aber bald bin ich wieder ausgestiegen. | |
Warum? | |
Die Sache war auf einem guten Weg, andere konnten das fortführen – und 2017 | |
wurde die Ehe für alle Gesetz. Ich wollte noch mal studieren und eine | |
Chorleiterausbildung machen, seit 2009 leite ich nämlich einen Chor. Um | |
2016/17 war ich auch wieder bereit, mich mit dem Thema Nahost zu | |
beschäftigen. Es hat mich nicht in Ruhe gelassen, dass die Regierungen in | |
Israel immer behaupten, eine Politik im Namen aller Juden der Welt zu | |
betreiben. Dagegen habe ich so einen inneren Widerstand, weil ich absolut | |
nicht möchte, dass diese Politik in meinem Namen geschieht. Aber es ist | |
nicht einfach, hier in Deutschland kritisch gegenüber Israel zu sein. | |
Wie meinen Sie das? | |
Meine Mutter, die auch Musikerin ist, hat wegen ihres Engagements schon | |
diverse Auftritts- und Konzertverbote bekommen, weil sie als | |
BDS-Unterstützerin gilt. Mir ist das auch einmal passiert. | |
Sie meinen die palästinensische Kampagne [6][„Boykott Desinvestitionen und | |
Sanktionen“], die 2019 vom Bundestag als antisemitisch verurteilt wurde. | |
Wie stehen Sie zu BDS? | |
Ich persönlich erlaube mir, israelische Produkte als Konsumentin zu | |
boykottieren, genauso wie ich mich bemühe, kein Fleisch aus | |
Massentierhaltung zu kaufen. Und was Divestment und Sanctions angeht: | |
Staaten, die Menschenrechte verletzen und Völkerrechte missachten, sollten | |
keine U-Boote von Deutschland geschenkt bekommen. Die BDS-Kampagne ist | |
eine zivilgesellschaftliche Initiative, die sich differenziert von | |
Antisemitismus abgrenzt und drei konkrete und legitime Ziele mit dezidiert | |
gewaltfreien Mitteln verfolgt. Dass wegen BDS erst meiner Mutter und dann | |
mir deswegen Auftritte untersagt wurden, war ein Schock. | |
Hat Sie das überrascht? | |
Man muss sich das vorstellen, mit meiner Familiengeschichte! In dieser | |
Gesellschaft, die sich damit rühmt, dass hier Platz ist auch und besonders | |
für Juden! Weil wir ja der Beweis dafür sind, dass sich die Deutschen | |
geläutert haben! Aber wenn ich sage: „Nein, Netanjahu, deine Politik ist | |
nicht in meinem Namen!“ – dann verbieten mir die Deutschen aufzutreten. | |
Ihnen wurde Antisemitismus vorgeworfen? | |
Nicht direkt. Das würde schlecht aussehen, wenn nicht jüdische Deutsche | |
einer Jüdin sagen, du bist Antisemitin. Aber man kann ja heute einfach | |
„BDS-Nähe“ sagen, das ist gleichbedeutend, und trotzdem was anderes. | |
Haben Sie überlegt, weniger laut zu sein, um Ihrer Musikerinnenkarriere | |
nicht zu schaden? | |
Nee, aber ich war mehrfach an einem Punkt, wo ich mir überlegt habe, | |
Deutschland zu verlassen. Ich lasse mir nicht den Mund verbieten, weder als | |
Sängerin noch als Aktivistin! Aber ich liebe das Leben in Berlin sehr! Fürs | |
erste wird Deutschland also meine Komplexität aushalten müssen. Natürlich | |
lebe ich in ständiger Gefahr, dass meine Auftraggeber*innen und | |
Kolleg*innen mich nicht mehr als Sängerin oder Moderatorin buchen, weil | |
ihnen nicht passt, wie ich mich politisch engagiere. Das wird immer wieder | |
vorkommen. Ich hoffe einfach darauf, dass es sich nicht durchsetzen können | |
wird, dass immer wieder Deutsche mit Täterhintergrund einer Jüdin ihr Recht | |
auf eine eigenen politischen Kopf absprechen können und sich stattdessen | |
mit meinen Argumenten auseinandersetzen, anstatt mit stumpfen | |
Vereinfachungen. Ich lebe in vielen Welten, der politischen Nahost-Bubble, | |
dem queerpolitischen Berlin, der Musikindustrie – und natürlich der | |
Chorszene. | |
Was ist Letztere für eine Welt? | |
Ich habe wie gesagt einen Popchor, der heißt „[7][Klangwerk 306]“. Wir sind | |
sehr erfolgreich, nach Zuschauerzahlen der erfolgreichste Popchor Berlins. | |
Dann habe ich noch einen Chor: „The Voices of Europe“. | |
Was macht der? | |
Das ist ein Chor des [8][Vereins „Tu was für Europa“], ein ganz toller | |
Verein, gegründet unter anderem von Martin Schulz von der SPD. Er wurde | |
kurz nach dem Brexit gegründet für Leute, die sagen, die europäische Idee | |
ist eine gute, wir wollen sie verbessern, wir wollen europäische Bande | |
schaffen. Dafür haben sie unter anderem diesen Chor geschaffen – und mir | |
die Leitung angeboten. Ich habe die 25 Sänger ausgesucht … | |
… aus ganz Europa? | |
Nein, aus ganz Deutschland. Die meisten haben irgendeinen europäischen | |
Migrationshintergrund, wir haben bestimmt 15 Muttersprachen im Chor und | |
singen auf 12 europäischen Sprachen. Neben den Chören bin ich auch tätig | |
als Vocal Coach für Chöre. | |
Was ist mit Ihrer Gesangskarriere? | |
Eigentlich mache ich seit 2014 nur noch ganz selten meine eigene Musik. | |
Warum? Sie hatten damals den Berlin Song Contest gewonnen. | |
Ja, das sah zunächst aus wie mein Durchbruch. Es gab Interviews mit allen | |
Zeitungen, viele Auftritte – aber alles ist nahezu im Nichts verpufft. Die | |
PR-Agentur hat quasi nichts für mich getan. Das alles war sehr | |
frustrierend. Ich habe gemerkt: Je näher ich der Musikindustrie kam, dieser | |
Popwelt, wo ich immer hin wollte, desto ätzender fand ich es da. | |
Wieso? | |
Weil die zwei Sachen, die mir wirklich wichtig sind, dort völlig irrelevant | |
sind. Erstens die Inhalte, also das, worüber ich singe und was ich zu sagen | |
habe, zweitens meine Fähigkeiten als Musikerin. Wichtig ist vor allem: Was | |
für Produkte kann ich mit dir verkaufen, bist du gerade trendy? Und das war | |
ich nicht. Also habe ich mich im Sommer 2014 nach dem Contest, meinem | |
Krisensommer mit erneutem Gaza-Krieg und Burn-out, davon abgewandt. Ich | |
habe mich für Jahre von der Bühne zurückgezogen. | |
Und heute? | |
Ich trete wieder sehr gerne auf, liebe es auf der Bühne zu stehen. Ich | |
singe die Songs meiner Heldinnen und Vorbilder von Aretha Franklin über | |
Freddy Mercury bis Lady Gaga. Ich streue in meine Shows auch eigene Songs | |
ein. Aber ansonsten mache ich kaum noch eigene Musik. Denn ich habe bisher | |
keinen Weg gefunden, wie ich meine eigene Musik mit meinen Botschaften auf | |
die Bühne bringen kann, ohne mich oder andere auszubeuten. Die | |
Musikindustrie ist eine Industrie – und wie alles andere den Regeln des | |
Kapitalismus unterworfen. | |
16 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Verbot-von-Nakba-Demonstrationen/!5931686 | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Dabke | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Aschkenasim | |
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Othering | |
[5] https://www.juedische-stimme.de/ | |
[6] /BDS-Bewegung-gewinnt-Rechtsstreit/!5825904 | |
[7] https://klangwerk306.de/ | |
[8] https://tu-was-fuer-europa.de/ | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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