# taz.de -- LKW-Fahrer auf Raststätte: Trucker streiken wieder wild | |
> Im hessischen Gräfenhausen-West parken georgische Lkw-Fahrer aus Protest | |
> gegen Lohnprellerei ihres Auftraggebers. Hat der dazugelernt? | |
An der Autobahnraststätte Gräfenhausen-West an der A5 zwischen Frankfurt am | |
Main und Darmstadt haben georgische Lkw-Fahrer erneut ihre Trucks | |
abgestellt, um Geld von ihrem säumigen polnischen Fuhrunternehmen | |
einzufordern. | |
Die aktuelle Situation ähnelt frappierend der im März und April, als mehr | |
als 60 Trucker aus Georgien und Usbekistan mit [1][einem mehrwöchigen | |
wilden Streik auf demselben Rastplatz] ausstehende Zahlungen, insgesamt | |
300.000 Euro, erkämpften. Stand Donnerstagnachmittag parken wieder 18 | |
Fahrzeuge auf der Raststätte. Wieder geht es um vorenthaltene Zahlungen und | |
ungerechte Abzüge, wieder sind es georgische Fahrer der Unternehmensgruppe | |
Mazur, denen der Kragen geplatzt ist. | |
„Es sind die gleichen blauen Lkws mit den gleichen Aufschriften, die wir | |
schon im Frühjahr gesehen haben: Lukmaz, Agmaz, Imperia“, sagt Anna Weirich | |
von der Beratungsstelle Faire Mobilität des Deutschen Gewerkschaftsbundes. | |
Sie war schon im Frühjahr wochenlang in Gräfenhausen und hatte, gemeinsam | |
mit ihrem Kollegen Edwin Atema von der niederländischen Gewerkschaft FNV, | |
die Fahrer bei den Verhandlungen mit dem Unternehmen unterstützt. | |
Mittwochfrüh war sie wieder vor Ort. | |
Laut der Fahrer sollen weitere Lastwagen auf dem Weg zu ihnen sein. | |
Begonnen hatten den Protest vier Trucker am Dienstag. Am Mittwoch war die | |
Zahl der Protestierenden auf zehn angewachsen. Noch am selben Tag | |
verhandelten sie telefonisch mit der Firma – und erreichten dem Vernehmen | |
nach zügig eine Übereinkunft. | |
## Unternehmer will Fahrer loswerden | |
Mehrere der Streikenden hätten ihr Geld bereits erhalten, berichtet Anna | |
Weirich. Vier beladene und drei unbeladene Lkws seien daraufhin abgefahren, | |
um die Fracht auszuliefern, das war offenbar Teil des Deals. Das | |
Unternehmen habe aber auch signalisiert, dass es nicht weiter mit den | |
Fahrern, die als Scheinselbstständige beschäftigt sind, zusammenarbeiten | |
werde, so Weirich. | |
Wie es mit denjenigen weitergeht, die nun neu zum Protest hinzugekommen | |
sind, ist noch nicht ganz klar. Weirich betont, dass die Verhandlungen | |
andauerten und peu à peu Zahlungen bei Fahrern einträfen. Offenkundig hat | |
Unternehmer Lukasz Mazur Lehren aus dem Streik im Frühjahr gezogen und | |
versucht nun, den Konflikt schneller zu lösen und schlechte Presse zu | |
vermeiden – und die beteiligten Fahrer zudem loszuwerden. | |
Im März und April hatte Mazur sich zunächst wochenlang geweigert, die | |
Schulden bei den Truckern zu begleichen. Nach fünf Wochen zähen Ringens, | |
das die mittellosen Fahrer auch dank der großen Solidarität aus der | |
Bevölkerung durchhalten konnten, knickte das Unternehmen ein und [2][kam | |
allen Forderungen der Fahrer nach]. | |
Von denen, die im Frühjahr gestreikt hatten, arbeitet zwar niemand mehr für | |
die Firma. Aber das Wissen darüber, wie man erfolgreich Druck erzeugt, | |
wurde offenbar weitergegeben. Dass die Fahrer für ihren Protest den | |
symbolischen Rastplatz abermals ansteuern, ist ein Ausdruck hiervon. | |
## Arbeitsrecht unterlaufen | |
Am Geschäftsmodell des Firmenkonsortiums hat sich indes nichts geändert. | |
Die Unternehmensgruppe Mazur mit ihren mehr als 1.000 Fahrzeugen gehört zu | |
jenem weit verbreiteten Sub-Sub-Subunternehmersystem, bei dem Firmen aus | |
Westeuropa westeuropäische Speditionen beauftragen, die den Transport | |
wiederum über Fuhrunternehmen aus Osteuropa abwickeln, welche ihrerseits – | |
oft scheinselbstständige – Fahrer aus Nicht-EU-Ländern beschäftigen. | |
Mithilfe solcher Auftragsketten drücken die Firmen die Kosten und | |
unterlaufen geltendes Arbeitsrecht. Für die Trucker heißt das oft | |
monatelang in ihren Fahrzeugen in Westeuropa unterwegs zu sein, fast nie | |
den Mindestlohn zu erhalten, der ihnen hier zusteht, sondern Tagessätze von | |
80 bis 90 Euro. | |
Der wochenlange Truckerstreik in Gräfenhausen hatte ein Schlaglicht auf | |
diese Verhältnisse geworfen – Forderungen nach einer stärkeren Regulierung | |
der Branche waren auf Bundes- wie auch EU-Ebene laut geworden. Passiert ist | |
noch nichts – abgesehen davon, dass sich herumzusprechen scheint, wie man | |
Forderungen auch unter ungünstigen arbeitsrechtlichen Bedingungen | |
realisieren kann. | |
20 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Nelli Tügel | |
Jan Ole Arps | |
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