# taz.de -- Gesetzgebung in Russland: Moskaus Feldzug gegen trans Menschen | |
> Duma-Abgeordnete wollen verhindern, dass Menschen sich mit einer | |
> Geschlechtsangleichung der Mobilmachung entziehen. Absurder geht es | |
> nicht. | |
Bild: Protest mit Regenbogenflagge 2015 in St. Petersburg | |
Neulich hat die russische Staatsduma in erster Lesung einem | |
[1][Gesetzentwurf über das Verbot von Geschlechtsangleichung] für trans | |
Menschen zugestimmt. [2][Das Verbot] betrifft sowohl die Möglichkeit, das | |
Geschlecht im Pass ändern zu lassen, als auch medizinische Eingriffe, die | |
für trans Personen nötig sein können. Ein [3][weiteres repressives Gesetz] | |
eines fast totalitären Staates – nichts Ungewöhnliches also? Tatsächlich | |
wurde damit eine neue Stufe der Unmenschlichkeit erreicht. | |
Erstens: Es gibt nur wenige trans Personen in Russland. Laut | |
Innenministerium haben zwischen 2016 und 2022 nur 3.050 Menschen ihr | |
Geschlecht im Pass umschreiben lassen. Das sind weniger als 500 im Jahr. | |
Wenn die Abgeordneten mit erhobener Stimme davon sprechen, dass Menschen | |
sich mit einem anderen Geschlecht registrieren lassen, um sich so vor der | |
Mobilmachung zu drücken und nicht in den Krieg in der Ukraine zu müssen, | |
klingt das selbst für Dumaverhältnisse völlig absurd. | |
Wegen jährlich 500 Menschen, ernsthaft? Tausende von Männern haben im | |
vergangenen Jahr in nur einem Monat das Land verlassen, um dem Krieg zu | |
entkommen. Ich spreche hier nicht mal darüber, dass es bei trans Personen | |
nicht nur den Übergang von Mann zu Frau, sondern natürlich auch umgekehrt | |
gibt. Aber das haben die Abgeordneten wohl vergessen – oder wussten es | |
nicht. | |
Zweitens: Die Gruppe dieser Menschen ist nicht nur klein, sie ist auch | |
weitgehend unpolitisch. [4][Das Leben von trans Menschen in Russland war | |
schon vor diesem Verbot extrem schwierig]. Das reicht von genereller | |
Stigmatisierung über Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche bis zu allen | |
daraus resultierenden seelischen Problemen. Sie sind bereits mit der | |
Bewältigung ihres komplizierten Lebens beschäftigt und haben keine Zeit für | |
Politik. Die Repressionen sind daher nicht nur absurd, sondern auch | |
politisch sinnlos. | |
Und drittens: Hier werden Menschen nicht für das bestraft, was sie tun, | |
sondern dafür, wer sie sind. Das ist das Allerschlimmste. Selbst die | |
brutalsten Gesetze gegen Oppositionelle sind immer Gesetze gegen Taten oder | |
Worte, die sich gegen das Regime richten. Das Gesetz gegen trans Personen | |
ist eine Maßnahme gegen eine bestimmte Gruppe Menschen. | |
Russische trans Aktivisten schlagen nun Alarm. Eine Randgruppe, die man | |
ignoriert oder höchstens als eine Art von Freaks betrachtet, die auf | |
irgendwelche Trends und Moden aus dem „verrottenden Gayropa“ hereingefallen | |
sind? An eben diese kleine Gruppe legt der Staat neue, unmenschliche | |
Maßstäbe an – die man dann auf die nächste Gruppe überträgt, die schon | |
etwas größer ist, und so weiter. So arbeitet der Repressionsapparat: | |
Schritt für Schritt, um Appetit auf mehr zu machen. Solange, bis niemand | |
mehr dagegen protestiert. | |
Aus dem Russischen von [5][Gaby Coldewey ] | |
Finanziert wird das Projekt von der [6][taz Panter Stiftung]. | |
Ein Sammelband mit den Tagebüchern ist im Verlag [7][edition.fotoTAPETA] | |
erschienen. | |
20 Jul 2023 | |
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[1] /Neues-Selbstbestimmungsgesetz/!5937342 | |
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[3] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5897752 | |
[4] /LGBTQ-Feindlichkeit-in-Belarus/!5933191 | |
[5] /Gaby-Coldewey/!a23976/ | |
[6] /Panter-Stiftung/Projekte/Internationale-Projekte/Osteuropa/!p5113/ | |
[7] https://www.edition-fototapeta.eu/ | |
## AUTOREN | |
Maria Bobyleva | |
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