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# taz.de -- Klinikschließung in Bremen: Düstere Aussichten
> In Bremen sollen zwei kommunale Kliniken zusammengelegt werden. Hier
> zeigt sich: Mitarbeiter*innen lassen sich nicht wie Betten
> verschieben.
Bild: Das Klinikum Links der Weser in Bremen ist sanierungsbedürftig und soll …
Bremen taz | Ob wir etwas leiser reden könnten, bittet der junge
Mitarbeiter aus der Verwaltung der Gesundheit Nord, der kommunalen Bremer
Krankenhausgesellschaft, abgekürzt Geno. Hinter ihm sitzen in der Cafeteria
des Krankenhauses Links der Weser etwa zwei Dutzend
Krankenpfleger:innen auf apfelgrünen Stühlen. Sie hören dem Direktor
der Klinik dabei zu, wie er versucht, ihnen den Umzug ihrer Stationen ins
Klinikum Mitte, die größte der vier kommunalen Kliniken in Bremen,
schmackhaft zu machen.
Am Freitag vor einer Woche hat der Aufsichtsrat der Krankenhausgesellschaft
Geno unter dem Vorsitz von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die
Linke) beschlossen, das Links der Weser Ende 2027 zu schließen. Schon vor
Bekanntgabe dieser Entscheidung hatten Mitarbeiter:innen des LdW, wie
es in Bremen genannt wird, damit gedroht, einen Umzug nicht mitzumachen.
Die Szene im Flur, genau eine Woche nachdem die Schließungspläne öffentlich
gemacht worden waren, zeigt, wie schwer es für die Geschäftsführung wird,
die Mitarbeitenden umzustimmen. Und sie zeigt, dass die Idee, Kliniken
zusammenzulegen, in der Theorie gut ist. So kann einerseits der
Personalmangel aufgefangen werden, andererseits kann die Zentralisierung
medizinischer Angebote die Qualität steigern. In der Praxis funktioniert
das aber nur, wenn Menschen nicht wie Betten hin und her geschoben werden.
## Kliniken werden landauf, landab geschlossen
Das ist kein Bremer Spezifikum. Kliniken oder Abteilungen werden landauf,
landab geschlossen, bisher nur aus wirtschaftlichen Gründen. Die vom
[1][Bundesgesundheitsminister geplante Krankenhausreform] soll nun erstmals
dafür sorgen, dass inhaltliche Gründe ausschlaggebend sind.
Widerstände gibt es dennoch, weil sich Kommunalpolitiker:innen von
wütenden Patient:innen und Mitarbeiter:innen beeindrucken lassen,
die an „ihrer“ Klinik hängen. Nach Letzterem sieht es auch in Bremen
zunächst aus. Das Stadtteilparlament ist dagegen, die Opposition aus FDP
und CDU in der Bremischen Bürgerschaft hält gar die Notfallversorgung für
gefährdet.
Dabei geht es nur um einen Umzug innerhalb einer Stadt. Gerade einmal
siebeneinhalb Fahrkilometer trennen die Standorte LdW und Mitte. Dass der
Betriebsrat zu Demonstrationen aufruft und eine Petition initiiert hat,
könnte als symbolisches Handeln missverstanden werden, um Zugeständnisse an
Mitarbeiter:innen herauszuholen.
Aber dann würde Roman Fabian, der langjährige Vorsitzende des Betriebsrats
am LdW und Parteigenosse der Gesundheitssenatorin, nicht den
Verwaltungsmitarbeiter im Flur vor der Cafeteria anschnauzen. „Wir bleiben
hier, es sollen alle mitbekommen, wie wenig einverstanden wir sind!“
## Bremer Klinik-Belegschaft wehrt sich
Ein paar Minuten später gehen wir weiter, an der Personalversammlung in der
Cafeteria vorbei. Direkt nebenan, im Schulungsraum, findet eine Sitzung des
Betriebsrats statt. Dort sitzt hinter grauweißen Monitoren die Hälfte des
15-köpfigen Gremiums, mit Roman Fabian vier Männer und fünf Frauen. Man
könnte sich jetzt die Konzepte zur Gebäudesanierung des LdW erklären lassen
und warum eine Sanierung günstiger wäre, als das Haus zu schließen.
Schließlich schreibt es anders als der Gesamtkonzern schwarze Zahlen.
Wie immer bei solch weitreichenden Entscheidungen gibt es Argumente dafür
und dagegen und keine Garantie dafür, dass sie richtig ist. Darum geht es
heute nicht. Wir sind hier, um zu verstehen, warum die Belegschaft zu
großen Teilen in Fundamentalopposition zu den Plänen steht.
Petra Brakmann kann das gut erklären. Seit 1989 arbeitet die gelernte
Intensivpflegerin im LdW, jetzt auf der Station 23, der Chest Pain Unit.
Hier werden Patient:innen mit unklarem Brustschmerz betreut, die
Ärzt:innen und Pfleger:innen haben die Erfahrung und das Wissen, um
beurteilen zu können, wann eine Situation kritisch wird und schnelles
Handeln erforderlich ist. „Ich arbeite in einem tollen Team“, sagt
Brakmann, „wenn ich die Gewissheit hätte, das bleibt mehr oder weniger so
erhalten, könnte ich mir einen Umzug in ein neues Gebäude mit besseren
Geräten gut vorstellen.“
## Angestellten wollen die Kontrolle behalten
Wer ihr und ihren Kolleg:innen zuhört, versteht, dass sie nicht
irgendeinem Job nachgehen. Sie identifizieren sich mit ihrem Beruf und
ihrem Arbeitsplatz. Petra Brakmanns Arbeit ist ein Teil von ihr, von ihrem
Leben – und über das will sie die Kontrolle behalten. „Ich möchte wissen,
worauf ich mich einstellen muss.“ Der Geschäftsführung des LdW und der Geno
traut sie in dieser Hinsicht nicht über den Weg.
Ob das Misstrauen an jeder Stelle berechtigt ist, lässt sich nicht auf die
Schnelle überprüfen. Aber klar ist: Es ist so groß, das ist nicht über
Nacht entstanden. Vieles davon hat mit den Umzügen anderer Stationen aus
dem LdW ans neu gebaute Klinikum Mitte nahe der Innenstadt zu tun. 2021
betraf das die Kinderklinik, ein Jahr später die Geburtshilfe, Gynäkologie
und Neonatologie.
„Das lief nicht gut“, sagen die Betriebsrät:innen übereinstimmend. Das
hören sie von befreundeten ehemaligen Kolleg:innen, die teils noch dort
sind oder gekündigt haben. Drei aus der Kinderklinik kamen nach drei
Monaten zurück ans LdW, weil sie sich am neuen Arbeitsplatz nicht
wertgeschätzt fühlten für ihre Arbeit, herumgeschubst. Die Hierarchien,
das glauben in diesem Raum alle, seien im LdW flacher als in Mitte, die
Arbeitsabläufe eingespielter, die Strukturen gefestigter. Es gebe dort auch
keinen Teamgeist wie am LdW, allein schon aufgrund der Größe, sagen sie.
## Weg zur Arbeit wird weiter
Claudia Brand, die nach einer Unterbrechung von acht Jahren seit 2006
wieder im LdW arbeitet, hatte vor zwei Jahren überlegt mitzugehen.
Schließlich wechselte fast ihr ganzes „Top-Team“, wie die
Kinderkrankenpflegerin es nennt, auf die andere Weserseite. Für sie sind
die siebeneinhalb Kilometer kein Katzensprung, denn wie so Mitarbeitende
viele wohnt sie im niedersächsischen Umland.
Der Weg zum Klinikum Mitte führt für sie über die „Erdbeerbrücke“, eine
zweispurige Straße über die Weser, die je nach Verkehrs- und Baustellenlage
zum Nadelöhr werden kann. Bis zu einer halben Stunde mehr Fahrzeit müsse
sie pro Strecke einplanen, rechnet sie vor, und das nach einem Nachtdienst,
der neuneinhalb Stunden dauert. „Ich bin alleinerziehend, da zählt jede
Stunde“, sagt sie. Der Arbeitsplatzwechsel bedeutet auch für sie einen
empfindlichen Eingriff in ihr Leben.
Hinzu kommt, dass hier Menschen mit einer Veränderung klarkommen müssen,
die in der Pandemie unter sehr anstrengenden Bedingungen gearbeitet haben,
die seit Jahren mit unterbesetzten Schichten leben, Leiharbeiter:innen
anleiten müssen und das in einem Beruf, in dem es oft genug um Leben und
Tod geht. Die Ansage der Schließung trifft hier auf keine ausgeruhte
Büromannschaft, die sich an einen anderen Schreibtisch mit veränderter
Aussicht setzt.
Trotz aller Belastungen will Petra Brakmann an genau so einem Ort
weiterarbeiten. Die Pandemie habe die Teams im LdW auch zusammengeschweißt,
sagt sie. Dennoch überlegt sie, sich einen anderen Job zu suchen. „Weil ich
es dann selbst in der Hand habe.“
22 Jul 2023
## LINKS
[1] /Einigung-auf-Krankenhausreform/!5946911
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Bremen
Gesundheitspolitik
Krankenhäuser
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Krankenhausreform
Gesundheitspolitik
Geburtshilfe
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