# taz.de -- Verlegungen von werdenden Müttern: Vom Kreißsaal auf die Autobahn | |
> Eine Schwangere musste von Bremens Klinikum Mitte in das 80 Kilometer | |
> entfernte Klinikum Vechta fahren. Ein Einzelfall war das nicht. | |
Bild: Der Weg zum nächsten Kreißsaal ist manchmal weiter, als man denkt | |
Hamburg taz | Eine [1][werdende Mutter], die im Klinikum Bremen-Mitte | |
bereits im Kreißsaal lag, ist von der Klinik wieder weggeschickt worden. | |
Von diesem ungewöhnlichen Verlauf einer Geburt berichtet das | |
[2][Fernsehmagazin „buten un binnen“]. Da keine andere der vier Bremer | |
Geburtskliniken Platz hatte, wurde die in Begleitung ihrer Mutter ins | |
Krankenhaus gekommene Frau in das 80 Kilometer entfernte Vechta geschickt, | |
wo das Baby zur Welt kam. | |
Die Fruchtblase der Schwangeren war dem Bericht zufolge zwei Wochen vor dem | |
errechneten Geburtstermin geplatzt. Im Kreißsaal angekommen, sei bereits | |
eine Kardiotokografie gemacht worden, bei der Herztöne des Kindes und Wehen | |
überwacht werden, und ein Venenzugang gelegt worden. Sie sah sich als | |
Patientin aufgenommen, als die Hebamme sie bat, eine andere Klinik | |
auszuwählen. | |
Der Sprecher des Bremer Klinikverbunds Gesundheit Nord (Geno), Rolf | |
Schlüter, bestätigt den Vorgang. „Mir tut die Familie auch total leid“, | |
sagt er. Es sei hier aber um die Resourcenplanung gegangen. Kreißsäle und | |
Hebammen seien genug da gewesen. Aber auf der normalen | |
Wöchnerinnen-Station, wo Mutter und Kind nach der Geburt hinkommen, sei | |
kein Bett frei gewesen. Und eine Verlegung direkt nach der Geburt, wenn | |
Mutter und Kind eine Bindung aufbauen, versuche man zu vermeiden, so der | |
Geno-Sprecher. | |
Das Klinikum Bremen-Mitte sei auf die Versorgung von Frühgeburten | |
spezialisiert und müsse deshalb stets Betten für Früh- und Risikogeburten | |
vorhalten. Das Klinikum habe im Juli 2022 die Geburtstation [3][vom | |
Klinikum Links der Weser] übernommen und die dortige Zahl der Kreißsäle von | |
vier auf sechs erhöht. Dort arbeiteten nun 40 Hebammen und es kämen in der | |
Woche etwa 50 Kinder zur Welt. | |
## Verlegungen sind üblich | |
Da sich die Geburten nicht planen ließen, wären zu Spitzenzeiten | |
Verlegungen in andere Kliniken nötig. „Wir haben zehn bis 20 Prozent | |
Verlegungen hier im Klinikum Mitte“, sagt Schlüter. Dafür gebe es | |
verschiedene Gründe. „Wir bemühen uns schon, so dicht wie möglich zu | |
verlegen.“ Direkt in der Nähe biete zum Beispiel das Josef-Stift | |
Entbindungen an. | |
Im konkreten Fall sei nach Auskunft der Ärzte und Hebammen zwar bereits die | |
Fruchtblase geplatzt, die übrigen Geburtsanzeichen wären aber noch in dem | |
Rahmen gewesen, dass die Fahrt ins 80 Kilometer entfernte Vechta von den | |
Medizinern als sicher eingeschätzt worden sei. „Wenn die Fruchtblase | |
geplatzt ist, gibt es ein Zeitfenster von 24 Stunden, innerhalb dessen das | |
Kind zur Welt kommen sollte.“ Die Familie hätte mit dem eigenen Auto fahren | |
wollen, es wäre aber ein Krankentransport möglich gewesen. | |
## Verlegungsprozess seit Mai standardisiert | |
Laut Schlüter wurde die Entscheidung im gegenseitigen Verständnis | |
getroffen. Die taz konnte die Betroffenen nicht erreichen. Laut „buten un | |
binnen“ sagte die frisch gebackene Oma, Mutter und Kind gehe es gut. „Wir | |
sind unendlich stolz, aber ein fader Beigeschmack bleibt.“ | |
Der Bremer FDP-Gesundheitspolitiker Ole Humpich sagt indes, es war für die | |
Mutter „großes Glück“, dass die Aufnahme in Vechta reibungslos verlief. B… | |
bis zu 20 Prozent Verlegungen von schwangeren Frauen handele es sich | |
„offenkundig um ein strukturelles Problem“. | |
Für den Bremer CDU-Politiker Rainer Bensch steht fest, dass die Stadt zu | |
wenig Wochenbettplätze hat. Auch in anderen klinischen Feldern habe Bremen | |
„erhebliche Kapazitätsprobleme“ in den kommunalen Häusern der Geno. Desha… | |
sei es wichtig, die [4][geplante gänzliche Schließung] der Klinik Links der | |
Weser ([5][taz berichtete]) abzuwenden. „Sonst erleben wir solche Dramen | |
auch noch bei Herzinfarktpatienten.“ | |
Der Sprecher der Bremer Gesundheitssenatorin, Lukas Fuhrmann, sagt: | |
„Verlegungen von Schwangeren kommen in allen Kliniken mit Geburtsabteilung | |
in Bremen leider immer wieder vor, was wir sehr bedauern.“ Die Kliniken | |
führten dies nur nach genauer Abwägung durch. | |
„Zum Beispiel würde bei einer weit fortgeschrittenen Geburt eine Verlegung | |
nicht mehr durchgeführt werden“, erläutert Fuhrmann. Die Gründe seien | |
Personalengpässe und die Versorgung des Umlands. „Alleine im Jahr 2022 | |
wurden in Bremen 6.773 Geburten durchgeführt, 2.804 Schwangere stammten | |
dabei aus Niedersachsen“, so Fuhrmann. | |
Entlastung erhoffe man sich von den Absolventinnen eines | |
Hebammenstudiengangs. „Natürlich ist eine Verlegung für Schwangere und Kind | |
ungünstig“, sagt Fuhrmann. Um den Prozess so gut wie möglich zu | |
organisieren und für die Schwangeren verständlich zu machen, habe die | |
[6][Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke)] erst im Mai einen | |
„standardisierten Prozess“ erarbeiten lassen, der Kliniken entlaste und | |
Schwangeren mehr Sicherheit gebe. Dazu, so der Sprecher, erhalte man „viele | |
positive Rückmeldungen“. | |
16 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Hebammen-in-Deutschland/!5926866 | |
[2] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/geburt-bremen-klinik-krankenhaus-v… | |
[3] /Klinikschliessung-in-Bremen/!5944920 | |
[4] https://cdu-fraktion-bremen.de/news/kliniken | |
[5] /Klinikschliessung-in-Bremen/!5944920 | |
[6] /Neuer-Ansatz-in-der-Gesundheitspolitik/!5930276 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Bremen | |
Gesundheitspolitik | |
Geburt | |
Krankenhäuser | |
Bremen | |
Schwerpunkt Bürgerschaftswahl Bremen 2023 | |
Geburtshilfe | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Klinikschließung in Bremen: Düstere Aussichten | |
In Bremen sollen zwei kommunale Kliniken zusammengelegt werden. Hier zeigt | |
sich: Mitarbeiter*innen lassen sich nicht wie Betten verschieben. | |
Neuer Ansatz in der Gesundheitspolitik: Die besonders Verwundbaren im Blick | |
Die vor vier Jahren in den Bremer Senat gewählte Linke Claudia Bernhard | |
lernte in der Pandemie, den Spielraum von Gesundheitspolitik auszuweiten. | |
SRH-Klinikum in Zeitz schließt Geburtsstation: 35 Minuten bis zum Kreißsaal | |
Zum 1. Mai schließt die Geburts- und Kinderstation im Zeitzer SRH-Klinikum. | |
Das hat dramatische Folgen für die sachsen-anhaltische Stadt. |