# taz.de -- Anklage gegen 81-Jährigen wegen Mordes: Sportschütze außer Kontr… | |
> Ein 81-Jähriger ist angeklagt, weil er in Bramsche einen Schüler | |
> erschossen hat. Seine Waffe war bei der Stadtverwaltung nicht | |
> registriert. | |
Bild: Nach den tödlichen Schüssen: Spurensicherung am Tatort in Bramsche am 2… | |
OSNABRÜCK taz | Der Morgen des 28. Februar 2023 hat sich tief ins | |
öffentliche Bewusstsein der kleinen Stadt Bramsche in der Nähe von | |
Osnabrück eingebrannt. Kurz nach 7.30 Uhr feuert ein 81-Jähriger vier | |
Schüsse auf einen 16-jährigen Schüler ab, der im selben Mehrfamilienhaus | |
lebt. | |
Die Schüsse fallen aus unmittelbarer Nähe, als der Schüler gerade das Haus | |
verlässt. Der erste schlägt ihm von hinten in die Wade, zwei treffen ihn | |
ins Gesicht, der letzte bohrt sich in die Hand. Danach schießt sich der | |
Schütze selbst in den Kopf, auf offener Straße, unweit des Opfers. | |
Die Mutter des Schülers hört die Schüsse, findet ihren Sohn, ist Zeugin des | |
Selbstmordversuchs. Auch viele Kinder sehen das alles, unterwegs zur | |
nahegelegenen Martinus-Grundschule. Der Täter überlebt, das Opfer nicht. | |
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat jetzt Anklage erhoben. Sie geht davon | |
aus, „dass die Mordmerkmale der Heimtücke und der Tötung aus niedrigen | |
Beweggründen erfüllt sein können“. Ob das Landgericht Osnabrück die Ankla… | |
zulässt, ist noch offen. Auslöser der Tat war ein Nachbarschaftsstreit. | |
Offenbar war der 81-Jährige der Auffassung, der Schüler mache zu viel Lärm. | |
## Waffenbesitzkarte aus den 80er Jahren | |
„Es gab Spannungspotenzial zwischen den beiden“, sagt Oberstaatsanwalt | |
Alexander Retemeyer, Staatsanwaltschaft Osnabrück, der taz. „Das Ganze ist | |
wirklich ungeheuer traurig. Weitere Dramatik kam hinzu, weil erst nicht | |
klar war, ob die Tat in Verbindung mit der Schule steht, als Amoklauf.“ | |
Geklärt werden muss jetzt nicht zuletzt, ob der Angeschuldigte schuldfähig | |
ist. Ist er es, droht ihm eine lebenslange Freiheitsstrafe. | |
Die Waffe des 81-Jährigen war eine „Walther GSP.22 l.r.“, eine | |
weitverbreitete Kleinkaliber-Sportpistole. Der Angeschuldigte war | |
Sportschütze, seine Waffe in einer Waffenbesitzkarte des Landkreises Vechta | |
eingetragen, ausgestellt vor knapp 40 Jahren. Dass er für die dortige Stadt | |
Damme seit Ende 1985 als verzogen galt, unbekannt, ins Ausland, danach im | |
Landkreis Osnabrück lebte, änderte daran nichts. Eine Einziehung der | |
Waffenbesitzkarte durch den Landkreis Vechta erfolgte nicht. | |
Zum Tatzeitpunkt sei auf den Angeschuldigten noch eine zweite Pistole | |
registriert gewesen, sagt Retemeyer, „eine normale“. Bei der | |
Stadtverwaltung Bramsche waren beide Waffen nicht registriert. So entging | |
ihr Besitzer jeder Kontrolle. Am 28. Februar nahm er die Walther mit in die | |
Öffentlichkeit, geladen und schussbereit. Dass eine [1][Waffenbesitzkarte] | |
das nicht erlaubt, muss ihm bewusst gewesen sein. Das Ende war tödlich. | |
Die Waffenbesitzkarte sei 1982 „unbefristet“ ausgestellt worden, teilt der | |
Sprecher des Landkreises Vechta, Jochen Steinkamp, auf taz-Anfrage mit. „Im | |
Nachgang hat der Landkreis Vechta eine Zuverlässigkeits- und | |
Bedürfnisprüfung durchführen wollen, wie sie nach dem [2][Waffengesetz] | |
etwa alle drei bis fünf Jahre notwendig ist. Das zuständige | |
Einwohnermeldeamt hatte dem Landkreis jedoch zurückgemeldet, dass der Mann | |
unbekannt ins Ausland verzogen sei. Der Landkreis Vechta habe seine | |
Zuständigkeit danach nicht mehr ausüben können.“ | |
Es ist Steinkamp anzumerken, wie sehr ihn bewegt, welche Folgen diese | |
Kontrolllücke hatte. Warum die Waffenbesitzkarte nicht eingezogen wurde, | |
obwohl eine Prüfung unmöglich war? „Nach dem Waffengesetz kann die | |
Waffenbesitzkarte wieder eingezogen werden, wenn eine solche Prüfung | |
negativ ausfällt“, räumt Steinkamp ein. Aber: „Seinerzeit gab es weder ein | |
nationales Waffenregister noch eine grenzüberschreitende behördliche | |
Kooperation, die den Fall weiter nachvollziehbar gemacht hätte.“ Der | |
Waffenbesitzer, vom behördlichen Radar verschwunden, blieb bewaffnet, wurde | |
vergessen. Bis zum 28. Februar. | |
[3][Seit 2013 hat Deutschland ein nationales Waffenregister], betrieben | |
durch das Bundesverwaltungsamt. Es bündelt die Daten der rund 550 örtlichen | |
Waffenbehörden. [4][Mehr als 942.000 private Waffenbesitzer] waren hier im | |
1. Quartal 2023 registriert, mit über fünf Millionen Waffen. Seit 2020 wird | |
zudem der komplette Lebenszyklus einer Waffe erfasst, von der Herstellung | |
bis zur Vernichtung, vom Import bis zum Export. | |
Dem Schüler aus Bramsche hat das nichts genützt. | |
7 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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