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# taz.de -- Regeln für den Tiefseebergbau: Ein halb geschriebenes Gesetz
> Bis Sonntag soll die Internationale Meeresbehörde den Rohstoffabbau am
> Meeresboden regeln. Das wird nicht klappen.
Bild: Roh- und Lebensstoff: Ein weißer Schwamm wächst auf einer Manganknolle …
Was geschieht am 9. Juli? Das fragen sich gerade viele, die sich für die
Tiefsee interessieren – sei es, weil sie dort wertvolle Bodenschätze
vermuten oder weil sie deren fragiles Ökosystem schützen wollen. Das liegt
nicht nur an der am Sonntag beginnenden nächsten Sitzung der
Internationalen Meeresbehörde in Kingston, Jamaika. Sondern auch an einer
wichtigen Frist, die an diesen Tag abläuft.
Zwei Jahre hatten die Mitgliedsstaaten der Organisation Zeit, sich Regeln
für den Tiefseebergbau zu geben – doch das haben sie nicht geschafft. Nun
könnte das im kleinen Inselstaat Nauru ansässige Unternehmen Nori auch ohne
detaillierte Regeln eine Lizenz dafür beantragen, metallhaltige Knollen vom
Boden des Pazifiks abzubauen.
Die Manganknollen in der Tiefe enthalten wichtige Industriemetalle wie
Mangan, Kupfer, Kobalt, Nickel und [1][Molybdän]. Der kanadische
Rohstoffkonzern The Metals Company möchte mit ihrem Abbau beginnen und hat
als notwendigen staatlichen Partner dafür Nauru gewonnen. Wird das
Unternehmen am Sonntag also einen Antrag auf eine Lizenz stellen?
„Am 9. Juli passiert vermutlich erst mal gar nichts“, sagt Carsten
Rühlemann von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Er
bereitet in Kingston in der Rechts- und Fachkommission der Internationalen
Meeresbodenbehörde [2][die nächste Sitzung vor]. In dem Gremium würden
politische Fragen – wie der Umgang mit dem Frist-Ende für die
Regelerstellung – nicht behandelt, sagt der Experte, aber natürlich sei es
Thema für Pausengespräche. „Nauru hat angekündigt, keinen Antrag zu
unterstützen, solange es keine Regeln gibt“, so Rühlemann.
Er hält den Weg Naurus, Druck aufzubauen, nicht für verwerflich. „Es waren
immerhin zwei weitere Jahre Zeit, Regularien fertigzustellen, an denen
schon seit 12 Jahren gearbeitet wird“, sagt der Meeresgeologe, „jetzt ist
Bewegung in das Thema gekommen“. Inzwischen lägen 107 Paragrafen und 14
teils umfangreiche Anhänge und Richtlinien vor.
Anfang 2025, glaubt Rühlemann, könne das Regelwerk fertig sein. Zurzeit
berieten die Fachleute der Kommission über Grenz- und Schwellenwerte etwa
für die Belastungen mit Schadstoffen, für das Aufwirbeln von Sedimenten
oder die Belastung durch Licht und Lärm.
## Norwegen nicht von Regeln betroffen
Auf dem Boden der Tiefsee herrschen ab einer Tiefe von etwa 1.000 Metern
extreme Lebensbedingungen in völliger Dunkelheit. Spuren im Schlick bleiben
jahrzehntelang erhalten. Was Roboter auslösen, die den Schlick umgraben und
Knollen fördern, ist bislang unklar. Naturschützer, die die Verhandlungen
auf Jamaika verfolgen, betrachten den Vorstoß Norwegens zum jetzigen
Zeitpunkt deshalb mit großer Sorge.
Zwar sei Norwegen nicht von den Regeln der Meeresbodenbehörde betroffen,
solange es in seinen Hoheitsgewässern bleibt. Doch: „Wenn der
Tiefseebergbau international beginnt, kann die Regierung in Norwegen
Bedenken im eigenen Land leichter abtun“, sagt Seidensticker. Und „wenn die
Staatengemeinschaft ihn überwiegend kritisch sieht, hätte sie ein
Argumentationsproblem“. Es zeichne sich in Kingston nämlich ab: „Es gibt
keinen Automatismus, dass jeder Antrag, der eingeht, auch genehmigt wird.“
Auch Tim Packeiser von der [3][Umweltorganisation WWF] sagt, er sei bislang
noch „relativ ruhig“. Es seien noch zu viele Fragen ungeklärt für Anträg…
und viele der 169 Mitgliedstaaten der Meeresbodenbehörde stünden dem
Tiefseebergbau durchaus skeptisch gegenüber. 15 von ihnen – darunter
Deutschland, Belgien und seit Neuestem auch die Schweiz, Sitz global
agierender Bergbaukonzerne – setzen sich ausdrücklich für ein Moratorium
ein, solange das kaum bekannte Ökosystem Meeresboden der Tiefsee nicht
besser erforscht ist.
Dass Norwegen aber gerade jetzt seine Erkundungspläne verkündet habe, sei
gewiss kein Zufall, sagt Packeiser. „Norwegen handelt in der Regel
strategisch und nie zufällig“, sagt der Meeresökologe, „der Vorstoß hat
sicherlich auch die Absicht, die Position Naurus zu stärken“. Es sei
bemerkenswert, dass Norwegen vorpresche in einer Situation, in der die
Staatengemeinschaft versuche, sich auf einen Umgang mit diesem schwierigen
Thema zu einigen.
4 Jul 2023
## LINKS
[1] /Nach-Krieg-um-Bergkarabach/!5749235
[2] /UN-Konferenz-zur-Hochsee/!5914503
[3] /Fuehrung-des-Umweltverbands-WWF/!5850257
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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Meeresschutz
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