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# taz.de -- Manganknollen sind radioaktiv: Schätze der Tiefsee
> Konzerne wollen Rohstoffe wie Mangan bald aus der Tiefsee gewinnen. Jetzt
> zeigt eine Studie: Die Meeresschätze sind oft radioaktiv.
Bild: Kostbarkeiten aus den Tiefen des Meeres – nur leider zuweilen radioakti…
Berlin taz | Der geplante Bergbau in der Tiefsee steht vor einer weiteren
Schwierigkeit. Laut einer vergangene Woche veröffentlichten Studie des
Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) in
Bremerhaven liegt die radioaktive Belastung untersuchter Manganknollen über
den Grenzwerten der deutschen Strahlenschutzverordnung.
Zwar ist schon länger bekannt, dass die rohstoffreichen Manganknollen, die
etwa Nickel, Kobalt oder Kupfer bergen, auch natürliche radioaktive Stoffe
wie Thorium-230 und Radium-226 enthalten. „Allerdings wurden diese Werte
bisher noch nicht im Kontext der Strahlenschutzgesetzgebung betrachtet“,
sagt Studienerstautorin und Biogeochemikerin Jessica Volz vom AWI. Die
Studie zeige, dass die äußere Schicht der extrem langsam wachsenden Knollen
Werte radioaktiver Strahlung des Hundert- bis Tausendfachen einiger
Grenzwerte erreichen kann, die im Rahmen von Strahlenschutzregelungen
gesetzt seien.
„Für Radium-226 etwa konnte das AWI-Team Aktivitäten von oftmals über 5
Becquerel pro Gramm auf der Außenseite der Manganknollen nachweisen. Zum
Vergleich: Die deutsche Strahlenschutzverordnung sieht für eine
uneingeschränkte Freigabe Höchstwerte von lediglich 0,01 Becquerel pro
Gramm vor“, so das AWI.
Die neue Studie zeige, „dass sich neben den Folgen für die Meeresökosysteme
auch potenzielle Gesundheitsgefahren für Menschen im Zusammenhang mit der
Förderung und Verarbeitung von Manganknollen sowie der Nutzung der daraus
gewonnenen Produkte ergeben können“, sagt Sabine Kasten, die
Forschungsvorhaben zum Tiefseebergbau des AWI koordiniert, „diese müssen
bei den weiteren Planungen dringend berücksichtigt werden“.
## „Wissen über die Tiefsee reicht bei Weitem nicht aus“
„Wir dürfen 2023 keinen neuen Industriezweig vorantreiben, der dafür sorgt,
dass Arbeitskräfte im Nordostpazifik für den Überkonsum einiger weniger
reicher Staaten leiden müssen“, sagt Till Seidensticker, Meeresexperte der
Umweltorganisation Greenpeace. „Die Studie ist ein erneuter Beleg dafür,
dass unser Wissen über die Tiefsee bei Weitem nicht ausreicht, um dort so
massiv einzugreifen, wie die Industrie es vorhat.“
Die Ergebnisse der Studie erhalten ihre Bedeutung dadurch, [1][dass durch
eine Besonderheit in den Regeln der Internationalen Meeresbodenbehörde ab
Juli Lizenzen für den Tiefseebergbau beantragt werden könnten]. Vor zwei
Jahren hatte der kleine Inselstaat Nauru sein Interesse bekundet, für ein
kanadisches Unternehmen die Lizenz zu beantragen, im Pazifik Rohstoffe
abzubauen. Mit dieser Interessenbekundung zwingt Nauru die
Meeresbodenbehörde nun dazu, innerhalb von zwei Jahren ein Regelwerk mit
genauen Umweltauflagen und Modalitäten für den Tiefseebergbau
auszuarbeiten. Bei ihrer [2][letzten Sitzung Anfang April] war es den 36
Mitgliedstaaten der Meeresbodenbehörde aber nicht gelungen, ein solches
Regelwerk aufzustellen.
## Auch afrikanische Staaten drängen auf einen Start
Von der Nachrichtenagentur Reuters sieben befragte Experten hielten es für
unmöglich, dass ein Regelwerk von 200 bis 300 Seiten rechtzeitig bis zum
Ablauf der Frist im Juli vorgelegt werden kann. Deshalb gilt es nun als
rechtlich offen, ob die Meeresbodenbehörde auch ohne ein solches Regelwerk
Bergbaulizenzen erteilen kann – auf Basis der bisherigen, aber nicht sehr
detaillierten Regeln für die Explorationen. Nauru kündigte an, dann vorerst
keine Abbaulizenz beantragen zu wollen. „Unser Interesse ist es,
Rechtssicherheit und eine verantwortungsvolle Entwicklung zu haben“, hatte
Margo Deiye, Naurus Botschafterin bei der Behörde, Ende April gesagt.
Theoretisch kann aber jeder Staat als Sponsor für Firmen ab Juli einen
Antrag stellen.
Auch afrikanische Staaten drängen auf einen Start. Sie verfügen zwar über
keine Lizenzgebiete wie die Industriestaaten. Aber weil es um Bergbau in
internationalen Gewässern geht, muss ein Teil der Einnahmen in einen
internationalen Fonds gehen. Das betont auch Alexander Proelß, Professor
für Internationales Seerecht an der Universität Hamburg. Wie hoch die
Einnahmen aus der Abbaulizenz aber sind und wie sie verteilt werden, sei
noch völlig offen. Auf jeden Fall lockt hier viele das große Geld.
## Vorerst keine Manganknollen für die deutsche Industrie
„Afrikanische Länder wollen den Abbau, pochen aber auf höhere Einnahmen“,
fasst Annemiek Vink von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe (BGR) die Interessenslage zusammen. Offen sind laut Proelß auch
die Haftungsfragen, etwa für Umweltschäden. Hinter vorgehaltener Hand wird
befürchtet, dass kleine „Billig-Sponsor-Staaten“ wie Nauru mächtigen
Konzernen die Tür zum Abbau öffnen, ohne diese wirklich kontrollieren zu
können.
Die Aufgabe, Manganknollen aus dem Pazifik für die deutsche Industrie zu
nutzen, ist allerdings komplex. Es sei nicht damit getan, die Knollen aus
der Tiefsee an die Meeresoberfläche zu bringen, betont BGR-Expertin Vink.
„Es muss auch Aufbereitungsanlagen geben.“ Für die Trennung der Metalle
gebe es noch gar keine Anlagen an Land. Für diese Anlagen könnten die
gemessenen Grenzwertüberschreitungen ein Problem werden.
21 May 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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