# taz.de -- Bericht zu Muslimfeindlichkeit: Bittere Ergebnisse für Deutschland | |
> Diskriminierung von Muslim:innen ist in Deutschland Alltag. Das zeigt | |
> der Bericht des Unabhängigen Expert:innenkreises. | |
Bild: Gegen antimuslimischen Rassismus nachlegen, fordert Antirassismusbeauftra… | |
BERLIN taz | Jede zweite Person in Deutschland stimmt muslimfeindlichen | |
Aussagen zu. Das stellt die am heutigen Donnerstag veröffentlichte Bilanz | |
des unabhängigen Expert:innenkreises Muslimfeindlichkeit im Auftrag des | |
Bundesinnenministeriums (BMI) fest. | |
Laut Bericht sind [1][muslimfeindliche Einstellungen] also kein alleiniges | |
Phänomen des rechten Rands, sondern gesamtgesellschaftlich verankert. | |
Antidemokratische Gruppen könnten über Muslimfeindlichkeit an die | |
sogenannte Mitte anknüpfen. Oftmals sei diese gepaart mit Antisemitismus. | |
Die AfD etwa sei manifest muslimfeindlich. Sie habe es aber nicht | |
geschafft, den Diskurs zu verschieben und die anderen Parteien mit ihrem | |
offenen Rassismus anzustecken. Alle anderen Parteien grenzen sich klar ab | |
und benennen Muslimfeindlichkeit als Problem. Dennoch: Insbesondere die | |
Union, aber auch andere Parteien bedienen laut Bericht zumindest latent | |
muslimfeindliche Vorurteile. | |
So gelten etwa [2][muslimische Männer als vermeintlich gewaltbereit] und | |
muslimischen Frauen wird abgesprochen, selbstbestimmt zu handeln. Diese | |
Vorurteile tragen dazu bei, Muslim:innen und ihre Religion als | |
gefährlich und fremd zu markieren. | |
## Alle wollen hinschauen, aber Faeser sagt ab | |
„Wir müssen nachlegen im Kampf gegen antimuslimischen Rassismus“, sagt die | |
Antirassismusbeauftragte des [3][Bundes Reem Alabali-Radovan]. | |
Antimuslimische Diskriminierung habe ein erschreckendes Ausmaß, sei teils | |
regelrecht „normal“. Besonders alarmierend findet Alabali-Radovan die | |
Befunde zur Diskriminierung und Anfeindung von Frauen, die zum Beispiel | |
durch das Tragen eines Kopftuchs als Musliminnen sichtbar und damit | |
besonders vulnerabel sind. „Es liegt an uns allen – Politik, Verwaltung, | |
nichtstaatliche Akteure, aber auch jeder und jedem Einzelnen – hinzusehen | |
und zu handeln.“ | |
Diskriminierung erfahren die Betroffenen dabei vor allem bei der Arbeits- | |
und Wohnungssuche und im Bildungssystem. So bewerten Lehrkräfte zum | |
Beispiel Tests von Jugendlichen mit arabischen oder türkischen Namen | |
negativer, als es ihrer Leistung entspräche. Kopftuchtragende Frauen | |
berichten von besonders drastischen Anfeindungen in der Öffentlichkeit. | |
Innenministerin Nancy Faeser schreibt im Vorwort des Berichts, Musliminnen | |
und Muslime seien seit vielen Jahrzehnten Teil der Gesellschaft. Auch | |
Faeser fordert: Man müsse jetzt hinsehen. Sie selbst sagte eine Teilnahme | |
an der Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts aber kurzfristig ab. | |
## Ein wichtiger Schritt | |
Ähnliche Ergebnisse wie der heutige Bericht des BMI stellte bereits ein | |
[4][am Dienstag veröffentlichtes Lagebild zivilgesellschaftlicher | |
Organisationen] unter Federführung von CLAIM – Allianz gegen Islam- und | |
Muslimfeindlichkeit fest. Rima Hanano von CLAIM sagte der taz zum | |
heutigen Bericht aus dem BMI: „Diesen Bericht und die Einsetzung des | |
Expert:innenkreises haben zivilgesellschaftliche Gruppen lange | |
gefordert.“ | |
Dass der Bericht jetzt erscheint, sei ein wichtiger erster Schritt. Jetzt | |
müssten vor allem strukturelle Maßnahmen gegen antimuslimischen Rassismus | |
folgen. Es brauche ein zentrales Monitoring und die Dokumentation | |
antimuslimischer Übergriffe sowie Diskriminierung, ähnlich wie RIAS, die | |
Dokumentationsstelle für Antisemitismus. Auch Beratungsstellen bräuchten | |
eine langfristig gesicherte Finanzierung. | |
Es sei wichtig, alle gesellschaftlichen Bereiche in den Blick zu nehmen, | |
sagt Hanano: „Antimuslimischer Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches | |
Problem und wir müssen es gesamtgesellschaftlich angehen.“ Der Erfolg des | |
Berichts lasse sich erst an der konkreten Umsetzung von Maßnahmen gegen | |
antimuslimischen Rassismus messen. | |
## Bewusstsein stärken | |
Lamya Kaddor, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag | |
und Islamwissenschaftlerin, antwortete auf taz-Anfrage, dass Angst vor | |
Islamismus häufig zur Stigmatisierung von Muslim:innen führe. Aber: | |
„Angst ist keine gute Beraterin“, so Kaddor. Denn die Angst gehe mit großer | |
Unwissenheit über den Islam und Muslim:innen in Deutschland einher. Sie | |
würden als homogene Gruppe dargestellt und auch in den Medien häufig | |
einseitig problembezogen behandelt. | |
Kaddor fordert eine stärkere Verankerung des Islam in Deutschland über eine | |
heimische Imam:innen-Ausbildung, der Anerkennung muslimischer | |
Religionsgemeinden als Körperschaften des öffentlichen Rechts und | |
offizielle Ansprechpersonen, wie etwa die Antisemitismus- und | |
Antiziganismusbeauftragten. Es brauche zudem Fort- und Weiterbildung auch | |
in Justiz- und Sicherheitsbehörden. „Wir sollten ‚ohne Schaum vorm Mund‘ | |
das gesellschaftliche Bewusstsein für strukturellen Rassismus und | |
Diskriminierung in der Bevölkerung insgesamt stärken“, so Kaddor gegenüber | |
der taz. | |
Zur Veröffentlichung meldete sich Faeser nochmals per Pressemitteilung. Die | |
Ergebnisse des Berichts seien bitter. Die Ministerin verspricht: „Wir | |
werden uns intensiv mit den Ergebnissen und Handlungsempfehlungen | |
beschäftigen und alles tun, um Diskriminierungen abzubauen und Musliminnen | |
und Muslime besser vor Ausgrenzung zu schützen.“ | |
29 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Antimuslimischer-Rassismus/!5942941 | |
[2] /Expertin-ueber-Muslimfeindlichkeit/!5942353 | |
[3] /Reem-Alabali-Radovan-ueber-Asylreform/!5941239 | |
[4] |zum lagebild|https://www.claim-allianz.de/aktuelles/news/pressemitteilung-… | |
## AUTOREN | |
Moritz Müllender | |
Malin Gehring | |
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