# taz.de -- Patente auf Lebensmittel: Pflanzen im Scherenschnitt | |
> Bestimmte Techniken zur Genveränderung von Pflanzen sollen nicht mehr | |
> ausgewiesen werden. Die Biobranche sieht vor allem die Patentierung | |
> kritisch. | |
Bild: „Normale“ und gentechnisch veränderte Kartoffeln lassen sich äußer… | |
Die EU-Kommission will die [1][Auflagen für die Zulassung von Pflanzen, die | |
mit neuen genomischen Techniken, kurz: NGTs], entwickelt wurden, lockern. | |
Kritiker kamen im Verfahren kaum zu Wort. Der Chef des Ökoanbauverbandes | |
Bioland Jan Plagge warnt jedoch, die Agrarkonzerne werden sich ihre | |
Züchtungen patentieren lassen. | |
Bei den neuen genomischen Techniken werden die im Erbgut vorhandenen Gene | |
gezielt abgeschaltet oder umgebaut. Das ist ähnlich einer Art Schere, mit | |
der sich einzelne Buchstaben oder längere Passagen im genetischen Text | |
entfernen, verändern, hinzufügen lassen. Dieses Gen-Editing gilt als | |
kostengünstig, schnell, vor allem schneller als die klassische Züchtung, | |
bei der in einer Vielzahl von Kreuzungen die beste Variante gefunden werden | |
muss. | |
Geht es nach der EU-Kommission, sollen Pflanzen, die mit dieser neuen | |
Methode gezüchtet wurden, künftig nicht mehr als gentechnisch verändert | |
ausgewiesen und keiner zusätzlichen Risikoprüfung mehr unterzogen werden. | |
„So können Hersteller diese leichter als bisher auf den Markt bringen“, | |
sagt Plagge. Das Problem aber seien die Patente. Sind Pflanzen | |
konventionell gezüchtet, können sie nicht als patentierbare Erfindungen | |
eingetragen werden. Kommen sie mit gentechnischen Methoden zustande, dann | |
ja. | |
Auf der Homepage des Europäischen Patentamtes heißt es: „Die Entwicklung | |
von Pflanzen, die resistenter gegen Krankheiten oder veränderte | |
Umweltbedingungen sind, ertrag- oder nährstoffreicher sind oder zum Anbau | |
weniger Ressourcen wie Wasser, Dünger oder Pflanzenschutzmittel benötigen, | |
sind von herausragender Bedeutung für eine nachhaltige Landwirtschaft und | |
den Erhalt der Ernährungssicherheit.“ Die Züchtung sei jedoch „mit hohem | |
Aufwand, Kosten und Risiko verbunden“. Die Patentierbarkeit solle Anreiz | |
für Investitionen schaffen. | |
## Riesiges Geschäftsmodell für Konzerne | |
„Es geht dabei allein um ein riesiges Geschäftsmodell für wenige | |
[2][Agrarchemiekonzerne wie Syngenta], BASF, Bayer und Corteva“, sagt indes | |
Plagge. Der studierte Agraringenieur macht das zum Beispiel an der | |
Kartoffel fest. Genauer: der Kartoffelfäule, die berühmt und gefürchtet | |
ist, seit es Mitte des 19. Jahrhunderts zur großen Hungersnot in Irland | |
kam. | |
Ein Pilz, Phytophthora infestans, ließ die Knollen verfaulen. Der Pilz | |
schafft es bis heute auf die Kartoffeläcker. So mancher kennt ihn aus | |
seinem eigenen Garten. Die Befürworter der neuen genomischen Techniken | |
stellen resistente Sorten in Aussicht. | |
Dazu sagt Plagge: „Mal angenommen, die Konzerne spürten im Erbgut einer | |
wilden Kartoffelpflanze die gesuchte Pilzresistenz auf. Dann könnten sie | |
mit Crispr Cas einen Genabschnitt in verschiedenen Sorten so bearbeiten, | |
dass darin dieselbe Eigenschaft festgeschrieben ist. Diesen Genabschnitt | |
könnten und würden sie sich dann sicher patentieren lassen.“ [3][Crispr Cas | |
ist der Name eines gentechnischen Verfahren], das in Japan entwickelt | |
wurde. | |
Auch wenn Plagge davon ausgeht, dass die Kartoffel auf Dauer dem Pilz nicht | |
standhält: „Mit einem einzigen Gen lässt sich eine Pflanze nicht lange | |
schützen, denn gibt es kein Zusammenspiel mehrerer Gene, bricht die | |
Resistenz schon nach wenigen Jahren wieder zusammen. Der Pilz passt sich | |
an, überwindet schnell seinen Gegner. Unsere Probleme löst das nicht, das | |
geht nur mit verbesserten Anbaustrategien, mehr Fruchtfolgen etwa.“ Sei das | |
Patent aber einmal da, sagt er, werde es für andere, kleine oder | |
mittelgroße Zuchtbetriebe schwierig. | |
## „Züchtungsfortschritt massiv gefährdet“ | |
Deren Interessenvertretung, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter, | |
warnte bereits, dass Patente den „Züchtungsfortschritt massiv gefährden“ | |
könnten. Das Problem: Eigentlich können sich die Betriebe auf ihr | |
Züchterprivileg verlassen, dürfen alle registrierten Sorten für neue | |
Züchtungen nutzen. Produkte mit Patent sind davon jedoch ausgenommen. Diese | |
kann nur nutzen, wer eine Lizenz dafür zahlt. | |
„Die Macht über die Verwendung von genetischem Pflanzenmaterial liegt damit | |
im Gutdünken der Konzerne. Dabei sind die Resistenzen, mit denen sie so | |
Geld verdienen, eigentlich eine Erfindung der Natur und Allgemeingut“, sagt | |
Plagge. | |
Aber gibt es für mit Crispr Cas erfundene Pflanzen – egal ob Kartoffel oder | |
auch Soja, Weizen, Mais – überhaupt noch Patentschutz, wenn die Methode | |
nicht mehr als Gentechnik gilt? Plagge meint: „Solange das Patentrecht | |
nicht geändert wird, ja. Und im Entwurf zum neuen Gentechnikrecht steht | |
dazu nichts.“ Dem neuen Recht müssen EU-Parlament und Rat der | |
Mitgliedstaaten zustimmen, es wird noch Diskussionen geben. | |
5 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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