| # taz.de -- Fehlende Studien der Chemiekonzerne: Die Lücke im Pestizidsystem | |
| > Chemiekonzerne haben bei der Zulassung von Pestiziden Studien zu | |
| > Gesundheitsrisiken zurückgehalten. Das fand die Universität Stockholm | |
| > heraus. | |
| Bild: Einige relevante Studien zu Gesundheitsrisiken von Pestiziden wurden der … | |
| Berlin taz | Chemiekonzerne wie Bayer und Syngenta haben bei der Zulassung | |
| von Pestiziden relevante Studien zu Gesundheitsrisiken für Kinder und Föten | |
| nicht der EU-Kommission vorgelegt. Das zeigt eine [1][Untersuchung der | |
| Universität Stockholm]. | |
| Die Toxikologin Christina Rudén und ihr Kollege [2][Axel Mie] untersuchten, | |
| ob Studien, die bei der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency | |
| (EPA) eingereicht wurden, auch den EU-Behörden vorlagen. Einen besonderen | |
| Blick warfen sie dabei auf Studien über Gesundheitsrisiken für Kinder und | |
| Föten, sogenannte Developmental Neurotoxicity-Studien. Diese Studien sind | |
| nicht grundsätzlich Teil des europäischen Zulassungsverfahrens, werden aber | |
| von einigen Chemiekonzernen durchgeführt. | |
| Insgesamt 36 Studien fanden die Forscher*innen zu der Schädlichkeit von | |
| Pestiziden bei der Entwicklung des Gehirns, die bei der EPA eingereicht | |
| wurden. Neun von ihnen wurden der Europäischen Behörde für | |
| Lebensmittelsicherheit (EFSA) laut der Untersuchung zum Zeitpunkt der | |
| Zulassung nicht offengelegt. Das entspricht 26 Prozent. | |
| Der chinesisch-schweizerische Agrartechnologiekonzern Syngenta ist eines | |
| der Unternehmen, das Studien zurückgehalten haben soll. Beispielsweise eine | |
| Studie zum Wirkstoff [3][Abamectin], der Schädlinge auf Obst und Gemüse | |
| bekämpft. Bei der Zulassung 2009 musste das Unternehmen den EU-Behörden | |
| eine umfassende Studien-Sammlung vorlegen, um die Unbedenklichkeit des | |
| Stoffes zu belegen. Zwei Studien aus früheren Jahren habe der Konzern dabei | |
| nicht proaktiv vorgelegt, wie Syngenta gegenüber dem Bayrischen Rundfunk | |
| bestätigte. Sie seien von den EU-Behörden nicht dazu angefordert worden. | |
| ## Akutes Risiko – aber zugelassen | |
| Als die EFSA etwa ein Jahrzehnt später von den Studien erfuhr, stuften sie | |
| den Wirkstoff in ihrem [4][Risikobericht von 2021] anders ein. Die | |
| Prüfbehörde sah nun bei einigen Gemüsesorten, die mit Abamectin behandelt | |
| werden durften, ein „akutes Risiko“ für den Menschen. Bei Äpfeln und Birn… | |
| solle das Mittel nicht mehr eingesetzt werden. Mit diesem Beispiel in der | |
| schwedischen Untersuchung können die Forscher*innen zeigen, dass die | |
| Zurückhaltung von Studien einen tatsächlichen Einfluss Prüfverfahren haben | |
| kann. | |
| Die Zulassung von gesundheitsschädlichen Pestiziden widerspricht der | |
| EU-Pestizidgesetzgebung, die sich zur Sicherstellung [5][„eines hohen Maßes | |
| an Schutz von Mensch, Tier und Umwelt]“ verpflichtet hat. Die Aufgabe der | |
| EU-Behörden besteht also darin, die bereitgestellten Daten und Bewertungen | |
| der Pestizid-Unternehmen zu überwachen, zu bewerten und abschließende | |
| wissenschaftliche Schlussfolgerungen zu ziehen. Das geschieht auf Basis der | |
| bereitgestellten Studien. | |
| Wenn allerdings nicht alle der von den Unternehmen selbst durchgeführten | |
| Studien vorliegen, dann sehen die schwedischen Wissenschaftler*innen | |
| darin ein ernstzunehmendes Problem. Auch der Chemiker Martin Paparella | |
| spricht gegenüber dem BR von einer Sicherheitslücke in den | |
| Zulassungsverfahren. | |
| Zur Behebung dieser Sicherheitslücke erachten die schwedischen | |
| Forscher*innen einen besseren Datenaustausch zwischen US-amerikanischen | |
| und EU-Behörden für notwendig. Allerdings werde so keine Studie gefunden, | |
| welche die Chemiekonzerne nie zur Prüfung vorgelegt haben. Diese müssten | |
| durch bessere Standards ebenfalls überprüft werden. | |
| Letztendlich werde aus wissenschaftlicher Perspektive eine öffentliche | |
| Durchführung an externe Testlabore der Studien als sinnvoll erachtet, sagen | |
| die schwedischen Forscher. Eine Geldstrafe könne zusätzlich Anreize | |
| schaffen, alle erforderlichen Daten offenzulegen. In ihren Untersuchungen | |
| aus Schweden fanden Forscher*innen keine Sanktion für das | |
| Nicht-Offenlegen von Studienergebnissen. | |
| 2 Jun 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://ehjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12940-023-00994-9 | |
| [2] /Aufklaerung-von-Pestizidskandal-gefordert/!5683409 | |
| [3] /Schaedliche-Stoffe-in-Zierpflanzen/!5852304 | |
| [4] https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2021.6842 | |
| [5] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A62021CJ0162 | |
| ## AUTOREN | |
| Ann-Kathrin Leclere | |
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