# taz.de -- Nazis finden Zuspruch in Irland: Die Grüne Insel wird brauner | |
> In der Republik Irland profitieren Nazi-Gruppen von der horrenden | |
> Wohnungsnot. Mehr Flüchtlinge kommen an, das Mietrecht wurde ausgehöhlt. | |
Bild: Irland den Iren, finden immer mehr rechtsextreme Splittergruppen: Regen �… | |
DUBLIN taz | „[1][Céad Míle Fáilte]“ steht in großen Lettern am Dubliner | |
Flughafen. „Hunderttausend Willkommen“ gilt aber nur für Touristen und | |
irische Emigranten auf Heimaturlaub. Flüchtlinge und Asylbewerber haben es | |
zunehmend schwer auf der Grünen Insel. | |
Das liegt vor allem an den [2][exorbitanten Mieten]. Wer in Dublin eine | |
Wohnung mit 50 Quadratmetern für 2.000 Euro im Monat ergattert, hat ein | |
Schnäppchen gemacht. Mieterschutz gibt es nicht. Am 1. April wurde das | |
Verbot der Zwangsräumungen, das im Zuge der Pandemie verhängt worden war, | |
aufgehoben. | |
Mieter können nun auf die Straße gesetzt werden, auch wenn sie ihre Miete | |
pünktlich bezahlt und auch sonst keinen Kündigungsgrund geliefert haben. | |
Viele Vermieter machten gleich am ersten Tag Gebrauch davon, warfen ihre | |
Mieter hinaus – und annoncierten die Wohnungen auf Airbnb. | |
Die Aufhebung des Räumungsverbots ist im Interesse zahlreicher Politiker: | |
Fast ein Drittel aller Abgeordneter besitzt Immobilien. | |
## Mehrheit der Iren gegen weitere Flüchtlingsaufnahme | |
Rechtsextremisten versuchen, das auszunutzen. Ihre früheren Eckpfeiler, der | |
militante Katholizismus und die Kampagne für einen „Irexit“ analog zum | |
Brexit, sind weggebröckelt. So muss nun die Wohnungsnot herhalten, an der | |
angeblich die Flüchtlinge schuld sind. | |
Voriges Jahr kamen in die Republik Irland mit ihren fünf Millionen | |
Einwohnern 13.300 Flüchtende, dazu mehr als 70.000 Kriegsflüchtlinge aus | |
der Ukraine. | |
Laut einer Umfrage von [3][„Ireland Thinks“] findet mehr als die Hälfte der | |
Befragten, dass Irland zu viele Menschen aufnehme. Viele verstehen nicht, | |
dass rund ein Drittel der Asylbewerber aus Georgien und Albanien stammt, | |
obwohl das ja „sichere Länder“ seien. | |
## Reichsbürger und Abtreibungsgegner | |
Rechtsextreme Organisationen und Parteien, die lange Zeit vor sich | |
hindümpelten, tauschen sich jetzt regelmäßig mit ausländischen | |
Gleichgesinnten aus. Auf Veranstaltungen der [4][Irish Freedom Party] | |
sprach zum Beispiel Birgit Malsack-Winkemann, die ehemalige | |
AfD-Abgeordnete, die inzwischen wegen mutmaßlicher Beteiligung an einem | |
Umsturzversuch der Reichsbürgerszene in Untersuchungshaft sitzt. Die Partei | |
hat auch Kontakte zur Nazi-Szene in England und in den USA. | |
Die neuesten Mitglieder im rechtsextremen Reigen sind [5][Ireland First], | |
die vor Kurzem die notwendigen 300 Unterschriften für die Registrierung als | |
Partei zusammenbekam, sowie [6][Síol na hÉireann], der „Stamm von Irland“. | |
Deren Chef Niall McConnel zeigt sich häufig mit den britischen Nazis Jim | |
Dowson and Nick Griffin, die bei der British National Party und ähnlichen | |
Organisationen mitmischen. | |
Auch Justin Barrett, Chef der [7][Irish National Party], tritt mit Nazis | |
auf dem europäischen Festland auf und zitiert auf Telegram gerne Adolf | |
Hitler. | |
Die Organisationen „tauschen Informationen aus und lernen voneinander, wie | |
man Angst und Wut schürt“, sagt das „[8][Hope and Courage Collective]“, … | |
die Aktivitäten solcher Gruppen seit 2019 verfolgt. Koordinatorin Niamh | |
McDonald sagt, das Muster sei stets dasselbe: „Es sind immer Leute von | |
außerhalb der Gemeinden, die sehr schnell über die sozialen Medien | |
mobilisieren können.“ | |
## „Brennt ihre Unterkünfte nieder“ | |
Das funktioniert offenbar. So zogen neulich junge Iren mit Hunden und | |
Baseballschlägern zum Tolka-Fluss in Dublin und griffen acht Männer an, die | |
dort in Zelten wohnten. Das waren keineswegs Flüchtlinge, schon gar nicht | |
illegale Zuwanderer, sondern Männer aus den EU-Ländern Polen, Ungarn, | |
Portugal, Kroatien, die sich die Mieten in der irischen Hauptstadt nicht | |
mehr leisten konnten. | |
Ein paar Tage später ging eine ehemalige Schule in Dublin in Flammen auf, | |
weil sie fälschlicherweise als Flüchtlingsunterkunft in den sozialen Medien | |
identifiziert worden war. Auch auf dem Land wurden Asylbewerberunterkünfte | |
und das Auto eines Politikers abgefackelt. | |
Die Reden auf den rechten Demos werden radikaler. Im Nord-Dubliner | |
Stadtteil Finglas sagte ein Redner unter dem Jubel der Menge: „Es gibt nur | |
eine Möglichkeit, um mit diesen verdammten Fotzen umzugehen: Brennt ihre | |
Unterkünfte nieder und vertreibt sie.“ | |
Es formiert sich auch Widerstand. Immer wieder demonstrieren Tausende | |
gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit sowie gegen die Untätigkeit der | |
Regierung, die viel zu wenig gegen die sozialen Probleme unternimmt. | |
Die Lage wird nicht einfacher, denn nach wie vor kommen täglich fast 200 | |
Menschen aus der Ukraine, die irgendwo untergebracht werden müssen. | |
4 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://dannyoflaherty.com/2015/04/23/cead-mile-failte-ever-wonder-what-it-… | |
[2] /Immobilienkrise-in-Irland/!5785859 | |
[3] https://www.irelandthinks.ie/ | |
[4] https://www.irishfreedom.ie/ | |
[5] https://www.ireland-first.ie/ | |
[6] https://www.irishpatriots.com/ | |
[7] https://nationalparty.ie/about/ | |
[8] https://gcn.ie/hope-and-courage-collective-far-right-niamh-mcdonald/ | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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