# taz.de -- Plötzlicher Aufstand in Vietnam: Polizei und Behörden überrascht | |
> Eine bewaffnete Gruppe ethnischer Minderheiten hat zwei Polizeistationen | |
> im zentralen Hochland angegriffen. Mutmaßlich ging es dabei um | |
> Landrechte. | |
Bild: Das Videostill zeigt einen Angriff auf eine Polizeistation in der Provinz… | |
BERLIN taz | In der Nacht zu Sonntag ist es in Vietnams zentralem Hochland | |
zu einem bewaffneten Aufstand gekommen. Bewaffnete griffen zwei | |
Polizeistationen und einen Sitz der Lokalverwaltung an. Dabei wurden | |
unterschiedlichen Angaben zufolge sieben oder acht Polizisten und Beamte | |
getötet. | |
Die Aufständischen sprechen auf Facebook von 1.000 Teilnehmenden, die | |
Behörden von 40. Einem Video zufolge, das Teile des Aufstands zeigen soll | |
und der taz vorliegt, waren es mindestens einhundert Aufständische. Sie | |
trugen militärische Tarnkleidung und hatten selbst gebaute primitive | |
Jagdgewehre sowie Fahnen ihrer nationalen Minderheiten bei sich. | |
Das Auftreten legt nahe, dass die Aufständischen militärisch ausgebildet | |
waren. Die Behörden spekulieren, dass die Rebellen ihr Basislager im | |
benachbarten Kambodscha hätten. Vietnams Regierung und Behörden wurden von | |
der Aktion völlig überrascht und konnten die Aufständischen bis | |
Redaktionsschluss selbst nicht genau einordnen. | |
Die Rebellen gehören ethnischen Minderheiten an, sogenannten Montagnards, | |
die traditionell im zentralen Hochland wie auch in den Nachbarländern Laos | |
und Kambodscha leben. Der Aufstand hielt bis Sonntagabend an. Da rückte das | |
Militär mit gepanzerten Fahrzeugen aus anderen Regionen an. | |
## Nach dem Aufstand flohen die Angreifer in den Dschungel | |
Viele Aufständische flohen in den in der Region dichten Dschungel. 26 | |
Personen wurden laut Behörden bis Montag festgenommen, Messer und Gewehre | |
beschlagnahmt. Die Zahl getöteter Aufständischer ist nicht bekannt. | |
Der im deutschen Exil lebende Oppositionspolitiker und Menschenrechtler | |
[1][Nguyen Van Dai] spricht von einem Aufstand ethnischer Minderheiten | |
gegen die Kommunistische Partei. Ihm wurde ein Video mit Forderungen der | |
Rebellen zugespielt: „Erstens wollen sie das bisher genutzte Land weiter | |
nutzen können“, sagte er der taz. | |
Die lokale Regierung hätte ihnen ihr bisheriges Recht auf Nutzung des | |
Bodens entzogen, auf dem ihre Häuser und Felder stehen. „Zweitens fühlen | |
sie sich als Angehörige der Minderheiten von der Kommunistischen Regierung | |
diskriminiert. Und drittens fordern sie religiöse und politische | |
Freiheiten.“ | |
## Spannungen zwischen Minderheiten und Staatsmacht | |
Ihnen drohe der Verlust ihrer Heimat und es bliebe nur, in Großstädte zu | |
ziehen, wo sie wegen ihrer geringen Schulbildung für sich keine Chancen | |
sehen. Bewaffnete Aufstände hat es in Vietnam seit den 1980er Jahren nicht | |
mehr gegeben. Zudem ist Privatpersonen der Waffenbesitz untersagt. | |
Konflikte zwischen ethnischen Minderheiten und der Staatsmacht sind im | |
Hochland aber nicht neu. Ende der 1980er Jahre war dort mit dem Kaffeeanbau | |
begonnen worden. Immer mehr Land wurde für das lukrative | |
Kaffeeanbaugeschäft benötigt. Dafür verloren dort wohnende | |
Minderheitenangehörige ihre Landnutzungsrechte und dadurch ihre | |
Lebensgrundlage. Auch wurden sie in der Ausübung ihres christlichen | |
Glaubens behindert. | |
Das Verhältnis ist auch historisch belastet: Mehrere Stämme der Montagnards | |
hatten sich während des Vietnamkrieges auf die Seite der südvietnamesischen | |
Regierung und der mit ihr verbündeten US-Armee gestellt und mehr Autonomie | |
bzw. eine Unabhängigkeit ihrer Region gefordert. Andere unterstützten | |
hingegen den Ho-Chi-Minh-Pfad, der als Nachschubweg des Vietcong durch die | |
Bergregion führte und ohne Unterstützung durch die Menschen vor Ort nicht | |
funktioniert hätte. | |
12 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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