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# taz.de -- Vietnamesisches Programm der BBC: Gefährliche Umstrukturierung
> Das vietnamesische Programm der BBC umging die Zensur in Vietnam. Jetzt
> baut der britische Sender um. Mitarbeitende könnte das in Gefahr bringen.
Bild: Hanoi, März 2020: Trương Duy Nhất wird wegen seiner journalistischen…
Die Krönungsfeierlichkeiten von König Charles. Putins Parade auf dem Roten
Platz in Moskau, Chinas Rolle in der Weltpolitik: Die Themen auf der
Website des vietnamesischen Dienstes der BBC sind zwar nicht belanglos, als
kritischen Journalismus möchte man sie aber auch nicht bezeichnen.
Der vietnamesische Dienst ist eines von 41 Fremdsprachprogrammen der BBC,
die unter anderem auch auf Arabisch und Russisch angeboten werden. Die
Themen auf der Website sind keine originär selbstproduzierten Beiträge. Die
vietnamesische Redaktion kann innerhalb der BBC auf englischsprachige
Inhalte zurückgreifen und sie ins Vietnamesische übersetzen. Berichte zu
Vietnam selbst muss man jedoch mit der Lupe suchen.
Diejenigen, die man findet, behandeln oft historische Themen, etwa die
Analyse der Waffensysteme der Viet Minh in den 1950er Jahren im Krieg gegen
Frankreich. Geschrieben hat den Text ein in Paris lebender vietnamesischer
Autor. So ein Beitrag hätte es sogar durch die Pressezensur in Vietnam
geschafft.
Das war eigentlich nie der Anspruch, den der vietnamesische Dienst der BBC
an sich selbst stellte. Das 1952 gegründete Programm war noch bis vor
wenigen Wochen ein Flaggschiff der weltweiten Gegenöffentlichkeit zu den
staatlich zensierten Medien in Vietnam.
## Kritik, die es sonst nicht gibt
Bis es 2011 vom Radio ins Internet wechselte, saßen überall in der Welt
vietnamesische Muttersprachler pünktlich zu den mehrmals pro Woche
ausgestrahlten Radioprogrammen an ihren Mittelwellengeräten, denn die BBC
bot Sendeinhalte, die es in Vietnams Staatsmedien nicht gab. Auslandsthemen
hielten sich auf der Website die Waage mit Politik und Menschenrechten in
Vietnam. Die Seite lieferte wichtige Kritik, die es in Vietnam sonst nur
selten in die Medien schafft.
Denn in Vietnam ist es mit Pressefreiheit nicht weit her. [1][Auf der
Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“] steht das
südostasiatische Land auf Platz 178 von 180 Staaten weltweit. Nur in China
und Nordkorea geht es noch restriktiver zu. Alle staatlichen Medien in
Vietnam sind zensiert, unabhängige Blogger, die es bis vor wenigen Jahren
noch im Untergrund arbeiteten, sitzen entweder in Haft, haben mit dem
Schreiben aufgehört oder sie müssen aus dem Ausland berichten.
Ausländische „Feindsender“ in vietnamesischer Sprache wie die BBC kann man
in Vietnam nur über eine Firewall anwählen. Da hilft es, die Inhalte über
Facebook, Youtube und Twitter zusätzlich zu verbreiten. Diese Medien sind
in Vietnam nicht grundsätzlich blockiert, werden aber immer wieder
behindert.
Noch vor wenigen Monaten hatte das vietnamesische Programm der BBC Biss: Es
gab neben den Nachrichten aus aller Welt Diskussionsrunden über
Verurteilungen vietnamesischer Menschenrechtler, exklusive Berichte aus den
Machtzirkeln in Hanoi – eine umfangreiche Berichterstattung zu Themen, die
in den Staatsmedien nicht vorkommen.
Doch als letzten Monat der vietnamesische Blogger Thái Văn Đường in der
thailändischen Hauptstadt Bangkok plötzlich verschwand und kurz darauf in
einer vietnamesischen Haftanstalt wieder auftauchte, berichtete die BBC
schon nicht mehr investigativ. Das übernahmen der vietnamesische Dienst des
von der US-Regierung finanzierten Senders Radio Free Asia sowie das private
Onlinemagazin Thoibao aus Berlin.
Sie sprachen mit dem Bekanntenkreis des Bloggers, mit dem UNHCR, der
Polizei in Thailand. Sie werteten Videos von Überwachungskameras aus und
fanden viele Indizien dafür, dass der Mann durch den vietnamesischen
Geheimdienst entführt wurde.
## Medium der Beliebigkeit
Was ist in den wenigen Monaten mit dem vietnamesischen Dienst der BBC
geschehen? Warum entwickelte sich ein Flaggschiff der Pressefreiheit zu
einem Medium von Beliebigkeit?
„Im April wurden alle Mitarbeiter in London gekündigt“, sagt ein Mann, der
bis vor Kurzem für die BBC arbeitete und nicht namentlich genannt werden
will. „Die sieben Redakteure wurden nach einer Übergangsfrist arbeitslos.
Einzelnen wurde angeboten, nach Bangkok umzuziehen und in Zukunft von dort
aus zu berichten.“
Weil die BBC nach dem Brexit sparen muss, so der Mann, habe sie die
Redaktion im teuren London aufgegeben zugunsten von Arbeit im preiswerten,
aber wenig Sicherheit versprechenden Bangkok. Keiner der Londoner
Mitarbeiter habe seines Wissens das Umzugsangebot angenommen. „Nicht nur,
weil sie mit ihren Familien in London leben und kein Thailändisch sprechen.
Sie sorgen sich auch um ihre eigene Sicherheit.“
Thailand ist ein militärnahes, konservatives Königreich, eine
Scheindemokratie, in der es mit der Pressefreiheit auch nicht weit her ist.
Viel Schutz können sich JournalistInnen hier nicht versprechen.
Dazu ist der Zugriff der vietnameischen Geheimdienste im nahe gelegenen
Thailand einfacher: Bereits zwei Mal wurden Exiljournalisten aus Thailand
entführt. Vieles spricht dafür, dass der vietnamesische Geheimdienst
dahinter steckt. Die Regierung in Hanoi hat diese Vorgänge nie bestätigt.
Vor dem Blogger Thái Văn Đường traf es 2019 bereits den Journalisten Trư…
Duy Nhất, der von Thailand aus für Radio Free Asia gearbeitet hatte, aber
auch regelmäßig zu Diskussionsrunden zum vietnamesischen Programm der BBC
zugeschaltet worden war. Nhất wurde inzwischen durch ein vietnamesisches
Gericht wegen seiner journalistischen Tätigkeit zu einer mehrjährigen
Haftstrafe verurteilt.
Eine BBC-Sprecherin bestätigt der taz die Verlegung der vietnamesischen
Redaktion von London nach Bangkok, begründet diese aber nicht mit
Spar-zwängen, sondern mit der Strategie des Senders, näher an sein Publikum
zu rücken. „Seit einigen Jahren ist der vietnamesische Dienst der BBC zu
gleichen Teilen auf Bangkok und London verteilt und produziert exzellenten
und unparteiischen Journalismus“, sagt die Sprecherin der taz.
Da widerspricht der anonyme ehemalige Mitarbeiter: Seiner Darstellung nach
wurden die redaktionellen Inhalte in London koordiniert und auch ganz
überwiegend dort gefertigt. In Bangkok wurde neben einzelnen Beiträgen
hauptsächlich das Webdesign gemacht und die am Vortag in London
produzierten Beiträge pünktlich am fernöstlichen Morgen online gestellt.
Auch die Arbeit mit den Auslandskorrespondenten in aller Welt sei von
London aus koordiniert worden. Mehrere Korrespondenten hätten ihre Arbeit
inzwischen eingestellt oder sie würden noch überlegen, ob sie weiter
arbeiten.
## Bangkok ist erster Fluchtort
Bangkok ist für oppositionelle Journalistinnen und Blogger aus Vietnam in
der Regel der erste Fluchtort. Doch auch dort leben sie nicht in
Sicherheit. Sie müssen Abschiebung ebenso fürchten wie Auslieferung nach
Vietnam, weil sie mit internationalem Haftbefehl gesucht werden. Und dann
ist da auch die Angst vor einer Entführung durch den vietnamesischen
Geheimdienst. Sie wollen deshalb weiterziehen in andere Länder.
Der im April entführte Blogger hatte über den UNHCR beantragt, als
Flüchtender in die USA weiterziehen zu dürfen. Auch mehrere andere der taz
bekannte JournalistInnen warten auf eine solche Erlaubnis. Sie wollen nach
Kanada, Australien oder Deutschland. Darum sind sie in Bangkok zwar dankbar
für Arbeitsangebote im Journalismus. Doch die seien nur Überganglösungen.
Denn sie fürchten auch die damit verbundenen Gefahren.
Auf die Frage, wie die BBC die Sicherheit ihrer vietnamesischen
JournalistInnen in Thailand gewährleisten will, antwortete die
Pressesprecherin nur knapp: „Die Sicherheit unserer Journalisten hat für
uns oberste Priorität.“ Konkrete Maßnahmen wollte sie nicht nennen.
13 May 2023
## LINKS
[1] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglist…
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Schwerpunkt Pressefreiheit
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Vietnam
Kolumne Flimmern und Rauschen
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Kolumne Blast from the Past
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