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# taz.de -- Berliner Hochschulgesetz: Entfristungsregel auf der Kippe
> Der neue Senat blockiert eine vorgesehene Regelung, nach der
> wissenschaftliche Mitarbeitende an Berliner Hochschulen entfristet werden
> müssen.
Bild: Die Bibliothek: für viele wissenschaftlich Beschäftigte heute ein Ort z…
Berlin taz | Das Urteil von Jana Seppelt, Verdi-Landesfachbereichsleiterin
Bildung und Wissenschaft, nach der Sitzung des Wissenschaftsausschusses am
Montag war deutlich: „Die neue Koalition lässt sich von der LKRP
(Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen;
Anm. d. Red.) an der Nase durch die Manege ziehen.“ Für Seppelt hatte sich
dies schon im Koalitionsvertrag abgezeichnet. Vor der Ausschusssitzung
hatte sie gemeinsam mit Vertreter*innen der Bildungsgewerkschaft GEW
und Beschäftigten der Berliner Hochschulen protestiert, ehe sie diesem
später als Zuhörerin beiwohnte.
Das Thema der Sitzung war die im neuen Koalitionsvertrag vorgesehene
Aussetzung des Paragraf 110, Absatz 6 des Berliner Hochschulgesetzes bis
April 2025. Der sollte eigentlich die prekären Beschäftigungsbedingungen
des sogenannten Mittelbaus verbessern – das war zumindest das Anliegen des
rot-rot-grünen Senats, als er das Gesetz 2021 beschloss. Der [1][Mittelbau
umfasst alle bereits promovierten wissenschaftlichen Beschäftigten der
Hochschulen], die noch keine Professur innehaben.
Als einzige Berufsgruppe in Deutschland dürfen sie aufgrund des
bundesweiten Wissenschaftszeitvertragsgesetztes (WissZeitVG) von den
Hochschulen immer wieder befristet angestellt werden, ohne Perspektive auf
Entfristung, außer im Rahmen einer sehr unwahrscheinlichen Professur. Und
schlimmer noch: Wer keine Professur erreicht, wird nach sechs Jahren mit
einem bundesweiten Berufsverbot belegt und muss sich entweder beruflich neu
orientieren oder ins Ausland gehen. Der neue Paragraf 110 sollte regeln,
dass Hochschulen ab Oktober dieses Jahres Perspektiven auf Dauerstellen für
ihre promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen schaffen.
Die Gesetzesänderung sollte bundesweit Vorbildfunktion haben, wird nun
jedoch vom schwarz-roten Senat ausgebremst. Die öffentliche Anhörung, die
überhaupt erst auf Drängen von Linken und Grünen zustande kam, habe
gezeigt, [2][dass die guten Argumente gegen diese Aussetzung kein Gehör
fanden], so Seppelt. „Der neue Senat hat sich voll auf die Strategie der
Hochschulen eingelassen, die diese weitreichende Veränderung aussitzen
möchten“, so Seppelt.
Deren Argumente, die Veränderungen stünden rechtlich nicht auf sicherem
Boden und seien schwer umsetzbar, seien fadenscheinig. Eine
verfassungsrechtliche Prüfung stünde noch aus und einige Hochschulen, wie
die Humboldt-Universität, die die Veränderungen mittlerweile mittragen,
haben schon vor Monaten [3][konkrete Umsetzungspläne] vorgelegt.
## Problem für Hochschulstandort
Ähnlicher Meinung ist auch Isabel Bredenbröker, wissenschaftliche
Mitarbeiter*in an der Humboldt-Universität und organisiert im Netzwerk
Fair Academia, dass sich gegen prekäre Beschäftigung in der Wissenschaft
stark macht. Bredenbrökers Fazit zur Ausschusssitzung: „Die Belange und
Probleme der Beschäftigten ohne Dauerstellen wurden gut dargestellt.“
Jedoch sei es „betrüblich und wenig hilfreich“, dass die Umsetzung dieser
wichtigen Innovation jetzt wieder verschoben wird. „Wir hängen jetzt alle
im nichts. Ich bin jetzt 37. Ich möchte wissen, wie es mal weiter geht.“
Das sei auch ein Problem für den Innovationsstandort Berlin. „Je älter man
wird, desto weniger Lust hat man auf so eine Limbo-Situation“, sagt
Bredenbröker und erklärt, dass sie sich, wie viele andere auch, im Ausland
umsehe. Diese Hängepartie gehe auch auf Kosten guter Forschung.
Bredenbröker verbringe etwa die Hälfte der Zeit, die eigentlich für
Forschung und Lehre gedacht ist, mit Zukunftsplanungen. „Ich schreibe etwa
drei Bewerbungen pro Monat, dazu kommen Bewerbungsgespräche und langwierige
Anträge für Drittmittel.“ Der Wissenschaftsbetrieb in Berlin sei, weil es
tausenden so ginge, „extrem ineffizient.“
Eine Lösung dieser Probleme rückt nun erst mal in weite Ferne. Zwar hat
sich der neue Senat vorgenommen, sich mit dem von der HU vorgeschlagenen
Lösungskonzept und anderen rechtlichen Hürden zur Entfristung der
wissenschaftlichen Beschäftigten auseinanderzusetzen. Allerdings ist der
zeitliche Rahmen so weit gefasst, dass viele aktuell Betroffene sich nach
beruflichen Alternativen umsehen müssen.
Für Gewerkschafterin Seppelt ist klar, dass hier eine Chance „auf
weitreichende systemische Veränderungen verstellt wurde und das besonders
auf Kosten der Beschäftigten“. Aus ihrer Sicht ein „Armutszeugnis für die
schwarz-rote Koalition“.
28 Jun 2023
## LINKS
[1] https://mittelbau.net/
[2] https://www.gew-berlin.de/presse/detailseite/dauerstellen-fuer-wissenschaft…
[3] https://www.forschung-und-lehre.de/politik/hu-berlin-plant-dauerstellen-fue…
## AUTOREN
Tobias Bachmann
## TAGS
Wissenschaftliche Mitarbeiter
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Arbeitskampf
Hochschulgesetz
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Prekäre Arbeit
Hochschulgesetz
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