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# taz.de -- Klimaklage aus Indonesien: Schweizer sollen für Schäden zahlen
> BewohnerInnen der indonesischen Insel Pari klagen gegen den
> Baustoffhersteller Holcim. Er müsse für seinen CO2-Anteil Verantwortung
> übernehmen.
Bild: Zementwerk der Holcim AG in Hoever
Für viele Menschen ist der Klimawandel eine abstrakte Angelegenheit, die,
wenn überhaupt, erst in der Zukunft wichtig wird. Heute schon konkret und
bedrohlich sind die Veränderungen dagegen für Asmania und Edi Mulyono. Sie
leben auf der indonesischen Insel Pari, wo das Wasser steigt. Sie wollen
nun vom Zementkonzern Holcim, einem der größten industriellen
Kohlendioxidverursacher der Welt, Schadenersatz einklagen.
Pari liegt etwa 20 Kilometer nördlich der Stadt Jakarta. Asmania betreibt
dort ein Gästehaus für lokale und internationale Touristen, Mulyono
arbeitet als Fischer. Beide sagen, dass ihre Einkommen infolge des
Klimawandels während der vergangenen Jahre deutlich gesunken seien – von
etwa 250 Euro pro Person und Monat auf ungefähr 150 Euro. Nun bereisen sie
Europa, um ihre Situation bekannt zu machen.
„Die Stürme nehmen zu, das Wetter wird unberechenbarer, wir fangen weniger
Fisch“, erklärt Mulyono im Berliner Büro der Internationalen
Rechtshilfe-Organisation ECCHR, die die Klage unterstützt. Zudem steigt der
Meeresspiegel. Laut Asmania ist „seit 2019 etwa ein Hektar unserer früher
42 Hektar großen Insel versunken“.
Was nicht viel klingen mag, hat erhebliche Auswirkungen: Gebäude in
Ufernähe sind bedroht, Trinkwasserbrunnen versalzen und die Felder für den
Anbau von Lebensmitteln schrumpfen.
## Warum ausgerechnet Holcim?
Deswegen verlangen Asmania, Mulyono und zwei weitere BewohnerInnen von
Pari, dass die Holcim AG ihnen Kompensation zahlen soll für die Schäden,
die bereits eingetreten sind. Außerdem beanspruchen sie Geld für
Anpassungsmaßnahmen, um ihr Eigentum und die Insel gegen den weiteren
Anstieg des Wassers zu schützen. Und drittens wollen sie durchsetzen, dass
der Konzern seine klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen bis 2040 um 60
Prozent reduziert.
Warum aber haben sich die Kläger und ihre UnterstützerInnen ausgerechnet
Holcim ausgesucht? Und wie kann man juristisch begründen, dass dieses
einzelne Unternehmen für den Anstieg des Meeres vor Indonesien
verantwortlich sein soll? Miriam Saage-Maaß, Anwältin beim ECCHR, erklärt
die Argumentation: Der im schweizerischen Zug ansässige Konzern sei der
global führende Zementhersteller und gehöre zu den 50 Firmen mit dem
höchsten CO2-Ausstoß weltweit. Juristisch sei es möglich, nur einen
Verursacher zu belangen, auch wenn mehrere gleichzeitig für einen Schaden
verantwortlich seien, sagt Saage-Maaß.
In der Klage heißt es, das Unternehmen habe 0,42 Prozent des weltweit von
der Industrie zwischen 1750 und 2021 emittierten CO2 verursacht. Deshalb
müsse Holcim einen entsprechenden Anteil an den Kosten der Schäden auf Pari
tragen. Wegen der Teilverantwortung des Konzerns und den im Vergleich zu
Europa niedrigen Lebenshaltungskosten wären die zu zahlenden Summen jedoch
relativ bescheiden. Um beispielsweise die Häuser der Kläger auf Stelzen zu
setzen und jeweils eine Wasserentsalzungsanlage anzuschaffen, rechnet
Saage-Maaß mit etwa 2.500 Euro pro Person.
Die AnwältInnen wollen aber auch die Rechtsetzung vorantreiben und die
juristische Verantwortlichkeit von Unternehmen für Klimaschäden etablieren.
2021 verurteilte zum Beispiel ein niederländisches Gericht den Ölkonzern
Shell, seine Emissionen zu reduzieren. Ein Bauer aus Peru klagt wegen der
Schmelze eines Gletschers gegen den Energiekonzern RWE.
Holcim wollte die aktuelle Klage, die beim Kantonsgericht in Zug vorliegt,
nicht kommentieren. „Der Klimaschutz hat für Holcim höchste Priorität“,
erklärte die Pressestelle. Die KlägerInnen weisen darauf hin, dass die
Emissionen des Konzerns weiter steigen.
6 Jun 2023
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
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