# taz.de -- Arbeitsberatungsstelle in Berlin: Gute Arbeit hat einen Preis | |
> Im Sozialbereich drohen Kürzungen von 30 Prozent. Das könnte auch die | |
> Beratungsstelle für Migration und Gute Arbeit (Bema) betreffen. | |
Bild: Die Bema berät auf 11 Sprachen bei arbeitsrechtlichen Fragen | |
BERLIN taz | Im Bereich Soziales, Arbeit und Integration stehen nach | |
jetzigem Stand Kürzungen von 30 Prozent an. Das bestätigte die zuständige | |
Senatsverwaltung am Mittwoch. Aus diesem Grund mochte Sozialsenatorin | |
Cansel Kiziltepe (SPD) auch keine Zusagen für eine dauerhafte Finanzierung | |
machen, als sie am selben Tag die Beratungsstelle für Migration und gute | |
Arbeit (Bema) besuchte. „Wir befinden uns noch in den | |
Haushaltsverhandlungen“, sagte Kiziltepe. Trotzdem wolle sie „die | |
Forderungen mal mitnehmen“, sagte sie. | |
Die [1][Beratungsstelle Bema] beschäftigt sich mit Ausbeutung, Zwangsarbeit | |
und Menschenhandel. Besonders Menschen, die kein Deutsch sprechen oder ihre | |
Rechte als Arbeitnehmer nicht kennen, fallen diesen Tatbeständen zum Opfer. | |
So erging es der Bema zufolge auch jüngst einer Gruppe junger Menschen aus | |
Polen, über die die Bema als Beispiel für ihre Arbeit berichtet. Drei | |
Monate hätten sie als Kuriere bei einem großen Logistikunternehmen | |
gearbeitet. | |
Doch auf das Gehalt warteten sie vergeblich. Sie hätten sich bei ihrem | |
Arbeitgeber beschwert und wussten irgendwann nicht mehr weiter. Wie sich | |
herausstellte, hatte nur eine Person von ihnen hat überhaupt einen | |
richtigen Arbeitsvertrag. Die Bema habe sie dann dabei unterstützt, | |
Fahrtrouten zu sammeln und nachträgliche Stundenbücher zu erstellen. „Dabei | |
geht es schlicht um Beweissicherung“, sagt Monika Fijarczyk von der Bema. | |
Das 16-köpfige Team bietet in elf Sprachen Beratungen für die Bereiche | |
Arbeits- und Sozialrecht an und schult Migrant:innen über ihre Rechte | |
und Möglichkeiten am Arbeitsplatz. Berlin sei ein Schwerpunkt der | |
Wanderarbeit, sagt Katja Karger, V[2][orsitzende des Deutschen | |
Gewerkschaftbundes (DGB)] in Berlin-Brandenburg. Außerdem sei die | |
migrantische Community in Berlin besonders groß. | |
## Um den Lohn betrogen | |
Viele, die das Angebot in Anspruch nehmen, sind um [3][ihren Lohn betrogen | |
worden]. Andere kommen, weil sie in ihrer Arbeit keinen Urlaub nehmen | |
dürfen, kein Krankengeld bekommen oder ohne Sozialversicherung beschäftigt | |
sind. Aber auch bei Fragen zu (Schein-)Selbstständigkeit, der | |
Arbeitserlaubnis oder zu Sozial- und Krankenversicherungen gibt das Team | |
Auskunft. 26 Prozent kämen aus der Dienstleistungsbranche, sagt Fijarczyk. | |
[4][Besonders Kurier- und Lieferdienste], wie die jungen Menschen aus | |
Polen, seien darunter, bilanziert sie. Fijarczyk betreut bei der Bema den | |
Schwerpunkt Arbeitsrecht. Aus ihrer Erfahrung nutzten vor allem | |
Subunternehmen Arbeitnehmer:innen aus. Bei großen Firmen fielen | |
hingegen eher „zivilere“ Arbeitsrechtsfragen an. | |
Die Beratungsstelle ist beim Projekt „Arbeit und Leben“ des DGB | |
angesiedelt, wird aber vom Senat mit 1,2 Millionen Euro finanziert. Seit | |
Mai 2022 gibt es ein zusätzliches Team für Geflüchtete aus der Ukraine, das | |
165.000 Euro benötigt. Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe bekundete auf | |
ihrem Rundgang durch die Bema am Mittwoch ihre Unterstützung: „Zwangslagen | |
oder Unkenntnisse über unser Rechtssystem, aber auch Sprachbarrieren werden | |
teilweise schamlos ausgenutzt“, umso wichtiger sei es, für die notwendige | |
professionelle Hilfe zu sorgen, sagte Kiziltepe. | |
## Oft lange blockiert | |
Von der Bema heißt es, sie komme kaum mit ihrer Arbeit hinterher. | |
Besonders, wenn sich größere Gruppen meldeten, seien Kollegen oft lange | |
blockiert, berichten die Berater:innen. Um die Arbeit weiter leisten zu | |
können, fordert der DGB deshalb eine dauerhafte Finanzierung, aktuell sind | |
die Mittel bis 2025 befristet. „Wir sind sehr froh, dass die Förderungen | |
von Ein- auf Zwei- und schließlich auf Dreijahresabstände verlängert wurde, | |
trotzdem brauchen wir die dauerhafte Unterstützung“, so | |
Gewerkschaftsvorsitzende Karger. | |
Im vergangenen Jahr konnten Arbeitnehmer:innen mithilfe der | |
Beratungsstelle mehr als 100.000 Euro an nicht bezahltem Lohn erfolgreich | |
einfordern. Die Kuriere aus Polen haben rund 10.000 Euro Lohn | |
zurückerhalten. Trotz der Konkurrenz um sinkende Mittel will Karger für die | |
Bema werben: „Wir sind in Berlin unerlässlich, das weiß auch der | |
CDU-Finanzsenator Evers.“ | |
21 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://bema.berlin/ | |
[2] /Situation-der-Gewerkschaften/!5928978 | |
[3] /Tarifkonflikt-bei-den-Yorck-Kinos/!5938753 | |
[4] /Arbeitskampf-bei-Lieferdiensten/!5852104 | |
## AUTOREN | |
Benjamin Probst | |
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