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# taz.de -- Tarifkonflikt bei den Yorck-Kinos: Arbeiten wie im falschen Film
> Die Tarifauseinandersetzung zwischen den Yorck-Kinos und Verdi ist
> eskaliert. Ab Montag soll im Schlichtungsverfahren Klaus Lederer
> vermitteln.
Bild: Die Belegschaft der Yorck-Gruppe ist kampfbereit – aber dringt bislang …
Berlin taz | Die letzte Hoffnung heißt Klaus Lederer. Berlins ehemaliger
linker Kultursenator soll ab Montag in dem festgefahrenen [1][Tarifkonflikt
bei den Yorck-Kinos] vermitteln, bei dem es längst um mehr als
Lohnerhöhungen geht. Nach fast einem Jahr der Auseinandersetzungen ist die
Situation zwischen den Geschäftsführern der Yorck-Kino GmbH, Georg Kloster
und Christian Bräuer, sowie der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi
verhärtet. Dennoch haben sich beide Seiten nun auf eine Schlichtung
verständigt.
Laut dem zuständigen Gewerkschaftssekretär Jörg Reichel habe Verdi die
Schlichtung vor allem deswegen angestrebt, „weil der Arbeitgeber auf
Streiks mit der Nichtverlängerung von Kolleg:innen reagiert hat“.
Reichel bezeichnet dies gegenüber der taz als „komplette
Grenzüberschreitung“.
Unterdessen hat die Geschäftsführung ihrerseits den Manteltarifvertrag
gekündigt, in dem unter anderem auch die Befristungsquote geregelt ist. Es
liegt also einiges auf dem Schlichtungstisch: Löhne, Befristungsregelungen
und auch die Wiedereinstellung von nicht verlängerten Kolleg:innen. Sowohl
Lederer als auch die Geschäftsführer der Kino GmbH lehnten Äußerungen vor
der Schlichtung ab.
Zurzeit gilt bei Yorck ein Einstiegsstundenlohn von 12,50 Euro. Das letzte
Angebot der Kino GmbH liegt bei 12,75 Euro, einem Plus von lediglich zwei
Prozent. Verdi fordert hingegen ein Lohnplus von acht Prozent für einen
Einstiegslohn von 13,50 Euro. Zudem soll die Mehrtheaterzulage wieder
eingeführt werden. An Häusern mit mehr als zwei Sälen betrüge der Lohn dann
14 Euro pro Stunde.
## Geschichte der Entbehrungen
Tobias Schäfer arbeitet schon seit 22 Jahren bei Yorck. Ihm zufolge ist die
Geschichte des heutigen Erfolgs der Kinos auch eine Geschichte der von der
Belegschaft getragenen Entbehrungen. „Als ich bei Yorck angefangen habe,
hatten wir noch den Branchentarifvertrag“, schildert er der taz.
Irgendwann sei es aber wirtschaftlich schlechter gelaufen. Im Zuge dessen
sei es zum ersten Haustarifvertrag 2006 gekommen. „Damals musste ich auf
einen Euro die Stunde verzichten, aber ich habe es für den Erhalt
mitgetragen“, erklärt der Gewerkschafter, der auch Mitglied der
Tarifkommission ist. Immerhin hätte es das Versprechen gegeben, dass die
Löhne steigen würden. Das aber sei nie passiert – außer durch die
Einführung des Mindestlohns.
Forderungen nach Lohnerhöhungen habe die Firma stets mit dem Argument
ausgeschlagen, es gehe ihr wirtschaftlich so schlecht, dass sie daran
kaputtgehen würde, sagt Schäfer. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass so
ein bisschen so viel ausmacht. Dann machen sie irgendwas falsch“, ergänzt
er.
Laut Geschäftsführer Christian Bräuer Yorck gab es in den vergangenen zehn
Jahren elf Lohnerhöhungen und eine Sonderzahlung. Außerdem seien seit 2019
die Kosten um 30 Prozent gestiegen, wobei die Energie- und Personalkosten
besonders ins Gewicht fielen. Im ersten Coronajahr stand am Ende ein
Verlust von etwa 400.000 Euro.
Der Jahresabschlussbericht des Unternehmens von 2020 spart explizit die
„Angabe der Bezüge der Geschäftsführung“ aus. Zugleich werden Vorschüsse
für die Geschäftsführung über 541.000 Euro aufgelistet. Für 2021 und
folgende Jahre wurden noch keine Bilanzen veröffentlicht.
## Vom Kassierer zum Berliner Branchenführer
Die Geschäftsführer sind gleichzeitig auch Eigentümer des Unternehmens,
wobei Georg Kloster als Mitgründer die Mehrheit der Anteile hält. Christian
Bräuer war einst selbst Kassierer und Betriebsrat bei Yorck, bevor er von
Kloster zum Miteigentümer und Geschäftsführer gemacht wurde. Bräuer sitzt
zudem den Interessenverbänden AG Kino und CICAE vor.
Das Wachstum der Yorck erfolgte vor allem durch die Übernahme anderer
Kinos. Das Unternehmen hält dabei mit elf Kinos berlinweit die meisten in
ihrem Besitz. Es bezeichnet sich selbst als bundesweit „größten Anbieter
von Filmkunst“. Das Cinema Paris, der Delphi-Filmpalast und das Kant-Kino
gehören zum Verbund Yorck-Kinos, aber anderen Eigentümern.
Gewerkschaftssekretär Reichel geht davon aus, dass trotz Krise das Geld da
sei. Zwar habe sich die Geschäftsführung durch die Expansion in den letzten
zehn Jahren eng an die Banken gebunden und stünde daher „unter finanziellem
Druck“. Aber, so Reichel weiter, wenn es „Einhausbetreiber gibt, die besser
bezahlen, dann muss das Yorck auch können. Sonst gehen wir von
betriebswirtschaftlichem Fehlverhalten oder Renditeinteressen aus.“
Am Hackesche Höfe Kino liegt der Einstiegslohn ohne Tarifvertrag bei 14 €.
Betreiber ist seit 1996 Gerhard Groß, der seit 2001 auch das Sommerkino in
der Hasenheide führt. Er meint zur taz: „Eigentlich hat die Yorck-Kino GmbH
bessere Voraussetzungen.“ Sie seien größer und genössen dadurch zahlreiche
Wettbewerbsvorteile. „Mit der Abo-Karte binden sie zudem das Publikum
stärker an sich. Das geht dann seltener in andere Kinos.“
Am Ende seien gute Arbeitsbedingungen aber eine Frage der „Haltung und der
Unternehmensphilosophie“. Auch Groß meint, dass die Yorck Kinos stärker von
Drittmittelgebern, insbesondere der Bank abhingen. „Ich vermute, dass sie
deshalb eher an eine Gewinnmaximierung gebunden sind.“
Christian Bräuer hat in Lohnfragen auch auf die Multiplexketten verwiesen
und dort auf die Kinos, die schlechtere Löhne zahlten als das Yorck jetzt:
darunter Cinemaxx und Cinestar. Bei UCI gelten ab Juli allerdings
Einstiegslöhne von 12,90 Euro. Rechnet man aber das Weihnachtsgeld dazu,
wie es bei Yorck schon in den 12,50 Euro enthalten ist, kommt man gar auf
13,41 Euro. Dazu kommt: Dieser Tarifvertrag läuft Ende des Jahres aus. Dann
werden die Löhne neu verhandelt.
## Regelfall Befristung
Der Hintergrund für die Kündigung des Manteltarifvertrages durch die
Geschäftsführung ist die dort festgehaltene Obergrenze von 10 Prozent für
befristete Arbeitsverhältnisse. Verdi hatte zuvor darauf hingewiesen, dass
diese real bei fast 50 Prozent läge. Gewerkschafter Tobias Schäfer sagt
dazu: „Es gibt Gründe für Befristungen, aber in dem Ausmaß, dass jetzt
grundsätzlich jede Neueinstellung befristet ist, ist für mich nicht
nachvollziehbar.“
Anita G., die eigentlich anders heißt, aus Angst vor negativen Konsequenzen
aber nicht mit ihrem richtigen Namen in der Zeitung stehen will, ist eine
weitere langjährige Mitarbeiterin und weist auf die Bedeutung eines festen
Teams hin. Zu den Gästen hätte sie Beziehungen aufgebaut, sodass diese oft
direkt zu ihr kämen. „Das kann man nicht einfach austauschen, das
entwickelt sich.“ Das Anlernen von Leuten und der Aufbau eines guten Teams
seien finanzielle wie zeitliche Investments, so G., die ebenfalls in der
Tarifkommission engagiert ist.
Im März sei es dann laut Verdi zu einem Eklat gekommen. Acht
Gewerkschaftsmitgliedern sei der befristete Vertrag nicht verlängert
worden, darunter drei Mitgliedern der Tarifkommission. Gleichzeitig sei
andernorts gegen den Willen des Betriebsrats versucht worden, neue
Mitarbeiter einzustellen. „Das führt dazu, dass alle, die befristet sind,
nicht gewerkschaftlich aktiv sein können“, sagt Reichel. Und Anita G. meint
gar: „Ich spüre nach der Entlassung der Kolleg:innen auch ein
Desinteresse in der Belegschaft, überhaupt bei Yorck zu bleiben.“
Nach einem Jahr, neun Streik- und acht Verhandlungstagen ziehen die
Aktivist:innen eine gemischte Bilanz. Einerseits seien es die ersten
Streiks am Yorck gewesen, „den Organisierungsgrad und die
Streikbereitschaft“ unter den insgesamt etwa 160 Beschäftigten hätten sie
ausgebaut, sagt Anita G. Jörg Reichel sagt: „Wir haben etwa 100
Gewerkschaftsmitglieder, sind im Grunde durchsetzungsfähig, aber wir sind
auch abhängig von der Einsichtsfähigkeit des Arbeitgebers.“
Egal, welches Ergebnis am Ende eingetütet wird, für Anita G. steht fest:
„Seine Rechte muss man erkämpfen und dran bleiben.“ Dieses Bewusstsein gebe
es unter den Kolleg:innen: „Die wissen, dass ihre Arbeit einen Wert hat.“
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Artikel aufgrund einer Eingabe der
Yorck-Kinos nachträglich geändert. Laut Yorck gab es in den vergangenen
zehn Jahren elf Lohnerhöhungen und eine Sonderzahlung, was im
ursprünglichen Artikel nicht enthalten war.
18 Jun 2023
## LINKS
[1] /Tarifkonflikt-bei-Berliner-Kinos/!5903718
## AUTOREN
Christian Lelek
## TAGS
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