# taz.de -- Tarifkonflikt bei Berliner Kinos: Streik vor der Leinwand | |
> Der Tarifkonflikt bei den Yorck-Kinos eskaliert: Die Gewerkschaft Ver.di | |
> droht mit Warnstreiks – ausgerechnet während der Berlinale. Es wird | |
> erneut verhandelt. | |
Bild: Der Arbeitskampf dauert schon eine Weile: Warnstreik vor dem Kino delphi … | |
BERLIN taz | Ab Mitte Februar ist wieder Berlinale-Zeit. Die roten Teppiche | |
werden ausgerollt, Stars und Sternchen eingeflogen. Wenn bei einem solchen | |
Fest der Filmbranche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Berliner Kinos | |
mit Warnwesten und Trillerpfeifen vor den großen Lichtspielhäusern höhere | |
Löhne einfordern, bekommen sie bestimmt einiges an Aufmerksamkeit. | |
Das ist auch das Drohszenario von Jörg Reichel von der Gewerkschaft Verdi: | |
Entweder schnelle Lohnerhöhungen oder Buhrufe in Richtung Arbeitgeber rund | |
um die Berlinale, so seine Ansage an die Yorck-Kinogruppe. Sie betreibt 14 | |
Programmkinos und ist in Berlin Marktführer im Bereich des Arthouse-Kinos. | |
An diesem Mittwoch und bei Bedarf nächste Woche noch einmal wird darüber | |
verhandelt, ob es zu den angedrohten Warnstreiks während der Berlinale | |
kommen wird. Gerungen wird um die Erhöhung eines Hungerlohns [1][von | |
derzeit 12,50 Euro um einen Euro], also in äußerst maßvoller Dimension – | |
das ist zumindest die Sichtweise des Gewerkschafters Reichel. | |
## Nicht sehenden Auges in die Insolvenz | |
Demgegenüber steht die Aussage des Geschäftsführer der Yorck-Kinogruppe | |
Christian Bräuer: Er sagt, selbst ein paar Cent mehr Stundenlohn für seine | |
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an den Kinokassen und im Service seien | |
derzeit einfach nicht drin. „Ich kann doch ein Unternehmen nicht sehenden | |
Auges in die Insolvenz schicken“, erklärt er und klingt dabei ziemlich | |
dramatisch. | |
Bereits im vergangenen Herbst hatte es drei Warnstreiks gegeben. Von den | |
etwa 140 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Yorck-Kinogruppe werden rund | |
90 von Verdi vertreten. Und die Gewerkschaft hat nun beschlossen, für diese | |
zu kämpfen. | |
Schaut man sich die Argumente von beiden Seiten an, muss man sagen: Hier | |
eine Einigung zu finden wird nicht leicht. Reichel sagt, die | |
Yorck-Kinogruppe sei ein „großer Player auf dem Berliner Kinomarkt“. | |
## Bessere Löhne als im Multiplex | |
Dem entgegnet Bräuer, im Vergleich zu den Multiplexketten, die im Gegensatz | |
zu den vielen anderen kleinen Independentkinos in Berlin ebenfalls | |
Tarifverträge mit Verdi abgeschlossen haben, sei man nur ein kleiner Fisch, | |
„ein mittelständisches Unternehmen“. Und man bezahle jetzt schon zumindest | |
leicht höhere Löhne als jene. Die Frage, warum Verdi aktuell vor allem die | |
Yorck-Kinogruppe im Visier hat und nicht auch die Multiplex-Kinos, muss | |
sich die Gewerkschaft schon gefallen lassen. | |
Reichel sagt auch, 13,50 Euro Einstiegsgehalt für Mitarbeiter und | |
Mitarbeiterinnen der Yorck-Kinogruppe sei ja wohl nicht zu hoch gegriffen. | |
Bräuer entgegnet, „der Personalkostenblock ist jetzt schon ziemlich hoch“; | |
zudem habe man erst im Juli die Löhne zwischen 15,4 bis 22,7 Prozent | |
erhöht. „Ich wollte, ich könnte jedem 50 Euro Stundenlohn bezahlen“, sagt | |
er, „das geht aber nicht.“ | |
Tatsächlich kann man ganz grundsätzlich jeden und jede verstehen, der oder | |
die gerne mehr verdienen möchte als bloß etwas mehr als den Mindestlohn, | |
erst recht angesichts von Inflation und steigenden Preisen. Allerdings | |
finden diese Tarifverhandlungen in einer für die Kinobranche ziemlich | |
schwierigen Zeit statt. Bräuer spricht von „einem Markt, in dem immer noch | |
20 Prozent weniger Besucher zu verzeichnen sind als vor Corona“. | |
## Multiplexe erfolgreich mit Blockbustern | |
Er meint damit speziell den Arthouse-Bereich. Denn die Multiplexkinos kamen | |
dank Blockbustern wie zuletzt „Avatar“ und dem neuen „Top Gun“-Film bes… | |
aus der Krise als die Programmkinos. Genau zu diesem Ergebnis kam auch der | |
„Quartalsbericht Medien“ von Verdi vom vergangenen Oktober. Darin ist auch | |
die Rede davon, dass das geringere Publikumsinteresse wahrscheinlich ein | |
„längerfristiger Trend“ sei. Prognostiziert wird außerdem, dass bundesweit | |
die Anzahl der Programmkinos abnehmen dürfte. | |
Unmittelbar vor den Verhandlungen sind sowohl Verdi-Mann Reichel wie der | |
Geschäftsführer der Yorck-Kinogruppe um verbale Abrüstung bemüht. Reichel | |
sagt: „Kinobetreiber in Berlin behandeln ihre Mitarbeiter schlecht. Die | |
Yorck-Kinogruppe geht mit ihren Beschäftigten eigentlich ordentlich um.“ | |
Sein Gegenspieler Bräuer gibt immer wieder zu verstehen, dass er die | |
Forderungen verstehe, diese aktuell aber einfach aus Sachgründen nicht | |
erfüllen könne. Gleichzeitig sagt Reichel, er gehe von einem Anstieg der | |
Besucherzahlen auch in den Programmkinos im Jahr 2023 aus – obwohl das den | |
Prognosen des eigenen Quartalsberichts widerspricht. | |
4 Jan 2023 | |
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[1] /Warnstreik-bei-Berlin-Kinos/!5890276 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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Dieter Wedel | |
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