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# taz.de -- Letzte Generation vor Gericht: Für Selfies in den Knast
> Ein Klimaaktivist geht vor Ablauf der Frist für drei Tage ins Gefängnis.
> Zum Verhängnis wurde ihm die Verbreitung von Fotos einer
> Pipeline-Sabotage.
Bild: Die PCK Raffinerie GmbH verarbeitet in Schwedt an der Oder jährlich 12 M…
Hamburg taz | Angst vor dem Knast habe er schon, sagt Raúl Semmler,
Aktivist der Letzten Generation. Größer sei jedoch seine Angst, von
vermummten Polizist*innen mit vorgehaltener Waffe frühmorgens in seiner
Wohnung überfallen zu werden. Deshalb suche er am Dienstag, vor Ablauf der
Frist, freiwillig die Justizvollzugsanstalt auf, um die Haft anzutreten.
Semmler hatte im Frühjahr 2022 zusammen mit anderen Aktivist*innen
Ventile an einer Pipeline der Erdölraffinerie PCK in Mecklenburg-Vorpommern
zugedreht. Ein Strafverfahren hierzu wurde bislang nicht eingeleitet.
Allerdings postete Semmler Fotos und Videos von der Aktion, obwohl das
Landgericht Neubrandenburg ihm dies per einstweiliger Verfügung untersagt
hatte. Für die Missachtung des Verbots stellte ihm das Gericht die Zahlung
von 1.500 Euro an die Raffinerie in Rechnung – oder ersatzweise drei Tage
Ordnungshaft.
Nachdem Semmler erfolglos Widerspruch eingelegt hatte, will er die Haft am
Dienstag nun antreten. Einige Mitstreiter*innen der Letzten Generation
wollen ihn bis zur Gefängnistür begleiten. „Ich finde es nicht richtig, der
Raffinerie das Geld zu geben“, sagt Semmler der taz. Auch die Entscheidung
des Gerichts halte er für falsch.
## Die Raffinerie wälze die Kosten für die Zerstörung auf die Allgemeinheit
ab
Die Pipeline habe er aus Gründen der Gewissensnot abgedreht, um zu
verhindern, dass die Firma PCK weiter das Klima zerstöre. Sie richte
weltweit Schäden an, für deren Kosten sie nicht aufkomme, und gehe wie
selbstverständlich davon aus, dass die Allgemeinheit oder Einzelne diese
Kosten trügen. Im letzten Punkt stimmte der Richter Semmlers Argumentation
zwar zu, kam aber zu dem Schluss, dass man trotzdem keine Selbstjustiz üben
dürfe.
Die PCK Raffinerie GmbH verarbeitet in Schwedt an der Oder jährlich 12
Millionen Tonnen Roherdöl. Durch eine Pipeline gelangt es von Rostock nach
Schwedt und nach der dortigen Verarbeitung weiter in verschiedene Tanklager
bei Berlin. An den Pipelines befinden sich mehrere Zwischenpumpstationen,
unter anderem in Borrentin an der Mecklenburgischen Seenplatte. Dort drehte
Semmler, wie er vor Gericht einräumte, am Ventil.
Für den 38-jährigen Schauspieler und Drehbuchautor ist es schon das zweite
Mal, dass ihn sein Klimaaktivismus ins Gefängnis bringt. Im Februar 2022
[1][hatten sich Aktivist*innen der Letzten Generation auf
Zufahrtsstraßen zu mehreren Flughäfen festgeklebt], darunter auch Semmler.
Daraufhin musste er dreieinhalb Tage im Münchener Gefängnis verbringen.
## Die Raffinerie veranlasst weitere Zahlungsaufforderungen
In einer weiteren Verfügung des Neubrandenburger Gerichts hat PCK weitere
Verstöße Semmlers gegen das Verbreitungsverbot geltend gemacht. Weil die
Videos und Fotos von der Aktion immer noch online seien, soll er zusätzlich
4.500 Euro zahlen oder neun Tage in den Knast gehen. Mittlerweile hat ihn
eine dritte Zahlungsaufforderung über 6.000 Euro erreicht.
Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Semmler sagt, er habe die
Bilder nicht selbst weiter verbreitet und sei auch nicht der Besitzer der
Website, auf der sie veröffentlicht wurden. Nun existiert diese ohnehin
nicht mehr: Die Generalstaatsanwaltschaft München nahm die Website im Zuge
der [2][bundesweiten Razzien gegen die Aktivist*innen] vom Netz.
29 May 2023
## LINKS
[1] /Letzte-Generation-in-Muenchen-und-Berlin/!5902038
[2] /Razzia-gegen-Letzte-Generation/!5936687
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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Justiz
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Erdöl
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