| # taz.de -- Zum Tod von Tina Turner: Unmittelbar und frei | |
| > Sie befreite sich aus einer gewaltvollen Ehe und lernte, ihre Macht als | |
| > Frau zu nutzen: Tina Turner war auch eine feministische Ikone. | |
| Bild: Tina Turner mit ihrem damaligen Mann Ike Turner, 1972 | |
| Berlin taz | Im November 1967 erschien die zweite Ausgabe des kurz zuvor in | |
| San Francisco gegründeten Musikmagazins Rolling Stone. Auf dem Cover: Tina | |
| Turner, eine Schwarze Frau. Auf der ersten Ausgabe war John Lennon | |
| abgebildet. | |
| Das Schwarzweißfoto zeigt die damals 28-jährige Tina in einem locker | |
| geschnittenen Pailletten-Minikleid, sie singt (wahrscheinlich schreit sie | |
| eher), die Arme sind in einem wilden Tanzschritt ausgebreitet, die langen | |
| Haare fliegen. Die Energie auf dem Foto ist unmittelbar und frei. „Anders | |
| als bei den höflichen Handclaps der üblichen Motown-Gruppen“, sagte der | |
| Fotograf Baron Wolman, „schrie und heulte sie mit den Ikettes, und legte | |
| dabei einen fantastischen Boogaloo hin.“ | |
| Man könnte diesen Boogaloo auch als Kampfansage lesen: Turner, die von | |
| ihrem gewalttätigen Ehemann sowohl den Vor- als auch den Nachnamen | |
| übergestülpt bekommen hatte, nutzte die Kunstfigur „Tina“, um sich langsa… | |
| aber sicher ihre Emanzipation zu erarbeiten. | |
| In den 60ern illustrierte sie auf der Bühne die heteronormative Fantasie | |
| einer unersättlichen Schwarzen Frau, die doppeldeutig den Mikrofonständer | |
| (!) streichelt – aber schaffte es, sich gleichzeitig über dieses Image | |
| lustig zu machen. Ihre Lebenslust war immer auch eine Überlebenslust – aus | |
| der psychisch und physisch abusiven Beziehung zum drogenabhängigen, | |
| erratischen und narzisstischen Ike auszusteigen, musste sie sich als | |
| Tochter einer ebenfalls durch Beziehungsgewalt geprägten Mutter erst | |
| erkämpfen. | |
| ## Auftritt als irre, LSD dealende Prostituierte | |
| Sie tat dies durch den Schritt vom Background in den Vordergrund der Bühne, | |
| durch die Aneignung von Macker-Rocksongs wie „Whole Lotta Love“, durch die | |
| erfolgreiche Arbeit als Texterin – „Nutbush City Limits“ – und durch die | |
| Nutzung der Kunstfigur Tina, hinter der sich Anna Mae Bullock verstecken | |
| konnte. | |
| 1975 zeigte ihr Auftritt als irre, LSD dealende Prostituierte, die über | |
| Leichen geht, in einer Videoclipsequenz im Rockoperfilm „Tommy“ zunächst | |
| nur fiktiv eine Seite von ihr, die sie später als mächtige Dorfchefin | |
| „Aunty“ im dystopischen „Mad Max 3“ noch stärker ausspielte: Diese Fra… | |
| gelernt, ihre Macht zu benutzen. | |
| In den 70ern, als um sie herum die [1][Frauen- und Bürgerrechtsbewegungen | |
| aufblühten], fand sie endlich genug Mut, um auch aus dem realen Albtraum | |
| auszubrechen. Sie floh mit 36 Cents in der Tasche vor Ike in ein Motel und | |
| reichte die Scheidung ein. Die beiden trafen sich nie wieder. Und Tina | |
| Turner, als Anna Mae geprägt von den Repressionen ihrer Vergangenheit, | |
| sprach zwar nicht mehr viel über das erlittene Leid. Doch ihre Karriere, | |
| die in den 80ern in absolute Spitzen florierte, erzählte eine eigene | |
| Geschichte: Hier konnte man eine Überlebende sehen, deren unfassbare | |
| Resilienz sie anscheinend vor Bitterkeit oder nachhaltigen psychischen | |
| Verletzungen bewahrt hatte. | |
| ## Konsequent in Minirock und Highheels | |
| Dass sie während der 80er und 90er weiterhin konsequent in Minirock, mit | |
| „big hair“ und Highheels hantierte, etwa im verschwommen-feuchten Video zum | |
| 1989-Hit „Steamy Windows“, war eine trotzige Demonstration ihrer | |
| neugewonnenen Macht: Tina Turner ließ sich die [2][Lust am Sex] nicht von | |
| Tätern, nicht von der Gesellschaft, erst recht nicht von Ageismus nehmen. | |
| Ihr Song „Show some Respect“ vom Erfolgsalbum „Private Dancer“ aus dem … | |
| 1984 hatte wenig mit [3][Aretha Franklins] selbstermächtigter Otis | |
| Redding-„Respect“-Interpretation von 1967 zu tun – dennoch sagte Tina | |
| Turner damit klar aus, was für sie zu einer Beziehung auf Augenhöhe gehört: | |
| „Don't take it for granted, I know / That if you want to stay close / We've | |
| got to show some respect“. Das ist vielleicht kein Slogan für einen „womens | |
| right march“. Aber es ist ein Motto, mit dem Tina Turner fortleben konnte. | |
| Und als Buddhistin wird sie ja eh wiedergeboren. | |
| 25 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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