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# taz.de -- Spanischer Publizist Chaves Nogales: Aversion gegen Dummheit und Ge…
> Der Autor Manuel Chaves Nogales geriet als Liberaler im Spanischen
> Bürgerkrieg zwischen die Fronten. Nun hat die Herausgabe seiner Werke
> begonnen.
Bild: Republikanische Kämpfer im Spanischen Bürgerkrieg beim Studium der Zeit…
Die Dinge und ihre Konturen gewinnen bisweilen auf bemerkenswerte Weise an
Schärfe, wenn sie aus einiger Entfernung betrachtet werden. Politische
Ereignisse bilden da keine Ausnahme. Im Jahr 1937 blickte der spanische
Journalist und Autor Manuel Chaves Nogales aus der erzwungenen Entfernung
seines Exils in Paris auf das hinter ihm liegende erste Jahr des Spanischen
Bürgerkriegs zurück.
Der 1897 in Sevilla als Sohn einer Familie des Bildungsbürgertums geborene
Chaves Nogales war in der vorangegangenen Dekade zu einem der bekanntesten
Reporter des Landes aufgestiegen. Von Madrid aus hatte er als Mitbegründer
und Chefredakteur der [1][Tageszeitung Ahora ] ab 1931 die Zweite Spanische
Republik unterstützt.
Aus unmittelbarer Nähe erlebte er, wie das republikanische Vorhaben einer
demokratischen Modernisierung Spaniens zunächst in die Krise geriet und
schließlich in zunehmenden Konfrontationen zwischen revolutionären
Strömungen der Arbeiterbewegung und ihren reaktionären Widersachern
versank. Als vehementer Verfechter eines vornehmlich politischen und nicht
allein auf die Wirtschaft gerichteten Liberalismus stand Chaves Nogales den
damaligen Heilsversprechen großer Umstürze überaus skeptisch gegenüber.
Er selbst verstand sich gleichermaßen als Antifaschist wie als
Antirevolutionär und beharrte im Namen der Vernunft auf einer
unüberwindlichen Aversion gegen Dummheit und Gewalt.
## Die Sache des Volkes
Am 17. Juli 1936 initiierte eine Gruppe von Offizieren in den von Spanien
kontrollierten Gebieten Marokkos schließlich einen militärischen
Staatsstreich gegen die Republik, der wenig später in den Spanischen
Bürgerkrieg mündete. Sowie die bald von Francisco Franco angeführten
Streitkräfte die vormalige Brutalität der spanischen Kolonialtruppen aus
dem nördlichen Afrika auf die iberische Halbinsel trugen, verengte sich
auch auf der Gegenseite unmittelbar der politische Handlungsspielraum.
Noch im Juli wurde die Redaktion der Ahora durch einen Arbeiterrat der
sozialistischen Jugend enteignet. Für einige Monate versuchte Chaves
Nogales, seine Aufgaben als deren Chefredakteur noch weiter auszuführen
und, wie er rückblickend bemerkte, „die Sache des Volkes gegen den
Faschismus und die aufständischen Militärs zu verteidigen“.
Allerdings musste er bald einsehen, dass die anarchistischen und
kommunistischen Revolutionäre ihn für genauso erschießungswürdig erachteten
wie Truppen der faschistischen Falange. Als sich die republikanische
Regierung im November 1936 aus Madrid zurückzog, verließ auch er die
Hauptstadt, um sich letztlich gemeinsam mit seiner Familie nach Frankreich
abzusetzen.
Aus der Entfernung des Pariser Exils überführte Chaves Nogales die
zurückliegenden Erfahrungen in eine Reihe von Kurzgeschichten, die 1937
erstmals unter dem Titel „¡Blut und Feuer!“ im chilenischen Verlag Ercilla
erschienen. Die neun Erzählungen sowie das von ihm selbst verfasste Vorwort
sind weit mehr als das eindrückliche Zeugnis der alltäglichen Gewalt des
Bürgerkriegs.
## Jenseits von Gut und Böse
Ihre eigentümliche Stärke entfalten die kompakten Vignetten vor allem aus
dem Umstand, dass sich ihr Autor allzu entschiedenen, ideologisch
vorgeprägten Schuldzuweisungen entzieht. Obgleich die jeweilige politische
Zugehörigkeit seiner Protagonisten stets deutlich wird, geht kaum eine der
Figuren, sofern sie überhaupt mit dem Leben davonkommt, unbeschädigt aus
den beschriebenen Ereignissen hervor.
Indem er die von sämtlichen Parteien ausgehende Gewalt offenlegt, entsteht
ein vielschichtiges Panorama eines Konflikts, das nicht in dessen eigene
Aporien verfällt: die allzu schablonenhafte Einteilung entlang
weltanschaulicher Muster und die ins Absolute tendierende Unterscheidung
von Gut und Böse. Zweifelsohne eigneten sich die Kurzgeschichten aus „¡Blut
und Feuer!“ kaum für die nachträgliche Vereinnahmung als Heldenerzählung.
Nicht zuletzt aufgrund des dezidierten Banns, den der Franquismus über ihn
verhängte, geriet Chaves Nogales nach seinem Tod 1944 in London in
Vergessenheit. Erst ab den 1990er Jahren, und damit lange nach der Rückkehr
zur Demokratie, wurde er in Spanien wiederentdeckt.
Nun ist sein Band mit Erzählungen über den Spanischen Bürgerkrieg erstmals
auch auf Deutsch erschienen. Im Kölner Kupido Verlag hat sich Frank
Henseleit der überaus verdienstvollen Aufgabe angenommen, weite Teile nicht
nur des erzählerischen Werks, sondern auch der journalistischen Arbeiten
Chaves Nogales’ zu übersetzen und in insgesamt 16 Bänden herauszugeben.
Zwei von ihnen sind bereits im vergangenen Jahr erschienen.
## Der republikanische Liberalismus
„Ifni. Spaniens letztes Koloniales Abenteuer“ versammelt Reportagen über
eine von Truppen des republikanischen Spaniens 1934 geführte
Militärexpedition im besetzten Marokko. Anders als in „¡Blut und Feuer!“
tritt Chaves Nogales hier weit einseitiger der kolonialen Landnahme
mitunter erschreckend unkritisch gegenüberstehend auf.
Vermittelt wird so jedoch deutlich, dass auch der von ihm hochgehaltene
republikanische Liberalismus jenseits seiner Landesgrenzen zur Durchsetzung
nationaler Interessen durchaus gewillt war, auf Gewalt und Unterwerfung
zurückzugreifen.
Noch eindrücklicher ist der ebenfalls bereits erschienene Band „Deutschland
im Zeichen des Hakenkreuzes“. Er dokumentiert journalistische Texte, die
Chaves Nogales im Zuge einer im Mai 1933 unternommenen Reise durch das
nationalsozialistische Deutschland verfasste. Obgleich er selbst kein
Deutsch sprach, sah er aus der Distanz des ausländischen Beobachters die
sich abzeichnenden Entwicklungen doch mit erschreckender Schärfe.
Während die Deutschen später nicht müde wurden, die Behauptung zu
wiederholen, von nichts gewusst zu haben, kam der spanische Journalist
keine vier Monate nach dem 30. Januar 1933 zu dem Schluss: „Nun, da Hitler
an die Macht gekommen ist, wird er seine Versprechungen von der Ausrottung
der Juden wahrmachen.“ Aus der zeitlichen Entfernung von 90 Jahren lassen
sich dank der nun vorliegenden Editionen somit die Konturen eines mitunter
erschreckend hellsichtigen Werks erkennen.
24 May 2023
## LINKS
[1] https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/zeitschrift-ahora-1937.html
## AUTOREN
Lukas Böckmann
## TAGS
Spanien
Bürgerkrieg
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