# taz.de -- Kommunalwahlen in England und Wales: Konservative nur noch am Verli… | |
> Die Torys erleiden massive Verluste bei den Wahlen auf der Insel. Premier | |
> Sunak rückt zunehmend in den Fokus parteiinterner Kritik. | |
Bild: Für Rishi Sunak könnte es zunehmend eng werden | |
LONDON taz | Bei den englischen Regionalwahlen am Donnerstag haben die | |
Konservativen nach Auswertung der meisten Resultate am Freitag massive | |
Verluste erlitten. Sie mussten über 1060 Sitze und die Kontrolle über 48 | |
Kommunalregierungen abgeben. Bei den Wahlen, die nahezu überall, jedoch | |
nicht in den Städten London und Birmingham, stattfanden, gelang es Labour, | |
den Liberaldemokrat:innen und den Grünen stark zu punkten. Dies | |
bedeute, dass die Labour Party auf Kurs sei, die nächsten Unterhauswahlen, | |
die mit aller Wahrscheinlichkeit im Herbst 2024 stattfinden werden, zu | |
gewinnen, behauptete ihr Vorsitzender Keir Starmer. [1][Man habe die Partei | |
verändert] und den Glauben der Wähler an sie zurückgewonnen. | |
Premierminister Rishi Sunak gab zu, dass das Ergebnis der Wahl enttäuschend | |
gewesen sei, aber seiner Einschätzung zufolge gebe es gar keinen | |
Kurswechsel in Richtung Labour. Er würde weiter daran arbeiten, die durch | |
die Konservative Partei deklarierten Prioritäten der Briten nach seinem | |
Fünf-Punkte Plan abzuarbeíten: Dazu gehören die Vorhaben, die Inflation zu | |
halbieren, die Wirtschaft zum Wachstum zu bringen, den Schuldenberg zu | |
senken, die Wartezeiten im Gesundheitssystem zu verkürzen und [2][die | |
Bootüberquerungen über den Ärmelkanal zu stoppen]. | |
Doch Wähler:innen überall in England scheint das nicht beeindruckt zu | |
haben. Viele in ehemals konservativen Wahlkreisen sprachen von einer | |
abstrafenden Protestwahl [3][infolge der Debakel und der Lügen] der | |
vergangenen Jahre, welche die Torys unglaubwürdig gemacht hätten, und der | |
Unzufriedenheit mit dem maroden Gesundheitssystem. | |
Labour gewann eine Mehrheit in 22 Wahlgemeinden, darunter in den | |
westenglischen Städten Plymouth und Swindon, aber auch im nordenglischen | |
Stoke-on-Trent, eine der 2019 an die Tories verlorenen roten Hochburgen. Im | |
Süden verloren die Torys die Brexit-Gegenden Medway und Dover, beide in der | |
Grafschaft Kent gelegen, wo sie seit 20 Jahren dominierten und wo früher | |
auch schon mal Nigel Fargages ehemalige Ukip-Partei mit | |
Antiimmigrationssprüchen Erfolg hatte. Zum ersten Mal seit der Ära von Tony | |
Blair ist Labour mit über 2660 Sitzen und einem Plus von mindestens 530 | |
Sitzen stärkste Kommunalpartei in England. | |
## Liberaldemokraten und Grüne sichern sich Wahlkreise | |
Die Liberaldemokrat:innen gewannen die Kontrolle über zwölf | |
Wahlkreise mit bisheriger konservativer Mehrheit, darunter Theresa Mays | |
kommunaler Wahlkreis Windsor und Maidenhead und das für seine Verbindungen | |
zu Shakespeare bekannte Stratford-upon-Avon. Auch das ländliche Dacorum im | |
Osten Englands und das südlich von London gelegene wohlhabende Surrey Heath | |
gingen an die LibDems. Parteiführer Ed Davey nannte den Zuwachs von über | |
400 Sitzen bahnbrechend. Die Grünen konnten sich Mid-Suffolk im Südosten | |
Englands holen, einer der ländlichen Wahlkreise in England, die unter | |
Abwasseremissionen in Flüsse leiden – ein Riesenproblem im ganzen Land | |
aufgrund der privatisierten Wasserwerke. Es ist das erste Mal, dass die | |
Grünen eine Mehrheit in einem ganzen Landkreis besitzen, bisher war dies | |
nur in Stadtparlamenten der Fall. | |
Grünen-Co-Chef Adrian Ramsay gab an, dass der Zugewinn nicht nur von links, | |
sondern auch von desillusionierten, einst konservativ wählenden Personen | |
gekommen sei. [4][So zuversichtlich sind die Grünen nun], dass Ramsay in | |
North Suffolk als Kandidat bei der nächsten Unterhauswahl den Einzug ins | |
Westminsterparlament versuchen möchte. Andererseits verloren die Grünen das | |
südliche Strandbad Brighton und Hove, wo sie seit Jahrzehnten stark waren | |
und vor den Wahlen eine Minderheitsregierung führten. Insgesamt gewannen | |
die Grünen 479 Sitze, ein Plus von 241, weit über die eigenen Erwartungen | |
hinaus. | |
Die britische Wahlkommission hat derweilen eine Untersuchung eingeläutet, | |
nachdem zahlreiche Personen angegeben hatten, dass sie nicht wählen | |
konnten. Die Regionalwahlen am Donnerstag waren die Ersten in der | |
Geschichte, bei denen Wähler:innen ihre Identität mit einem Ausweis mit | |
Foto nachweisen mussten. Die Regierung wollte damit gegen Wahlbetrug | |
vorgehen. Zuvor war das im Vereinigten Königreich nicht nötig. | |
Inwiefern die relative [5][Waffenruhe innerhalb der eigenen Partei für | |
Rishi Sunak] jetzt vorbei ist, ist die große Frage. Aus den Rängen der | |
Torys, die den vorherigen Parteiführern Boris Johnson oder Liz Truss | |
nahestehen, wird gemunkelt, dass sich Sunak nicht so leicht aus dem | |
Schlamassel ziehen könne, weil er bereits drei Jahre im Kabinett Johnson | |
gedient habe und somit nicht erst mit seiner Wahl zum Premierminister | |
Mitglied einer konservativ geführten Regierung wurde. | |
6 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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