# taz.de -- Großbritanniens neuer Premierminister: Sunaks technokratische Vers… | |
> Der neue britische Premierminister Sunak wird rasch liefern müssen, wenn | |
> er bleiben will. Die Briten schmeißen gnadenlos raus, wer ihnen nicht | |
> gefällt. | |
Bild: Premierminister Rishi Sunak bei seiner Rede zum Amtsantritt am Dienstag | |
Großbritanniens Konservative haben in den Abgrund geblickt und sich so | |
erschrocken, dass sie jetzt endlich ihre Grabenkämpfe hinter sich lassen | |
und an einem Strang ziehen – so lautet die optimistische Interpretation der | |
bemerkenswerten Vorgänge der vergangenen Woche in London. Liz Truss’ Sturz | |
und die Kür von Rishi Sunak innerhalb von nur vier Tagen ist demnach kein | |
Ausdruck von Systemversagen, sondern von Funktionieren. Wer Mist baut, | |
fliegt – erst Boris Johnson, dann Liz Truss. | |
In Großbritannien geht das, in vielen Ländern nicht. Dieses Narrativ muss | |
[1][Rishi Sunak als Premierminister] unbedingt bestätigen, will er im Amt | |
bestehen. Der bekennende Nerd tritt an als Technokrat, der „Fehler | |
korrigieren“ und „schwierige Entscheidungen“ treffen muss, um die „Kris… | |
zu überwinden und erst „Vertrauen“ und dann „Zukunft“ aufzubauen. Dazu… | |
er jetzt Unfehlbarkeit ausstrahlen. | |
Die britischen Konservativen als Partei wissen, welche Rolle ihnen dabei | |
zugedacht ist: stillhalten und im Parlament Ja sagen. Flügelkämpfe und | |
Schlammschlachten sind unerwünscht. Boris Johnson soll endlich seine | |
Shakespeare-Biografie schreiben, mit seiner Frau am Strand liegen, als | |
Redner in den USA Geld scheffeln, Hauptsache, er ist nicht da. Liz Truss | |
soll ihren Wahlkreis pflegen, irgendwas Unauffälliges tun, Hauptsache, es | |
fällt nicht weiter auf. | |
Reicht das? Kann man die von Sunak benannte „wirtschaftliche Krise“ | |
wirklich auf 44 Tage Truss reduzieren? So gigantisch waren ihre Beschlüsse | |
nun auch wieder nicht. Haben nicht auch die vorherigen zweieinhalb Jahre | |
Rishi Sunak als Finanzminister Spuren hinterlassen? Haben nicht alle | |
Regierungen seit Jahrzehnten versäumt, ausreichend in Bildung, | |
Infrastruktur und Technologie zu investieren, und wurde Macht und Geld | |
nicht immer stärker in London konzentriert, zum Nachteil brachliegender | |
Regionen draußen? | |
Rishi Sunak hat recht: Vor ihm liegt viel Arbeit, um „Vertrauen“ zu | |
schaffen. Aber Demokratie lebt nicht von Vertrauen, sondern von Misstrauen | |
und von Kontrolle. Wer „Vertrauen“ sagt, meint allzu oft, selbsternannte | |
superkluge Experten über die Köpfe der Menschen hinweg Entscheidungen | |
treffen zu lassen. Spätestens beim [2][Brexit-Referendum] 2016 scheiterte | |
dieser Politikstil. | |
[3][Boris Johnson] und [4][Liz Truss] beriefen sich immerhin auf diesen | |
Weckruf, um verkrustete Verhältnisse aufbrechen zu wollen. Rishi Sunak war | |
ein Brexiteer, doch nun droht ein technokratischer Regierungsstil, der im | |
Namen von „Stabilität“ und „Vertrauen“ neue Verkrustungen schafft. Die | |
Briten lassen sich das nicht gefallen. Wer Mist baut, fliegt. | |
26 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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