| # taz.de -- Neue Sicherheitsstrategie: Großbritannien kommt in Bewegung | |
| > Die britische Regierung stellt eine neue Sicherheitsstrategie für den | |
| > „Systemwettbewerb“ mit Russland und China vor. Dazu gehört nukleare | |
| > Aufrüstung. | |
| Bild: Joe Biden und Rishi Sunak: Erstes Gipfeltreffen des neuen Militärbündni… | |
| „Unsere kollektive Sicherheit ist nunmehr untrennbar mit dem Ausgang des | |
| Konflikts in der Ukraine verbunden“, lautet ein Schlüsselsatz [1][der neuen | |
| britischen Sicherheitsstrategie], die am Montagabend veröffentlicht und von | |
| Verteidigungsminister Ben Wallace im Parlament in London vorgestellt wurde. | |
| Als „Auffrischung“ der geltenden Strategie aus dem Jahr 2021 | |
| gekennzeichnet, reagiert das Papier, wie es Premierminister Rishi Sunak in | |
| seinem Vorwort schreibt, auf „das Tempo des geopolitischen Wandels und das | |
| Ausmaß seiner Auswirkungen“, das man 2021 so nicht hätte vorhersehen | |
| können. | |
| „Mit der von Russland praktizierten Kriegsführung des 20. Jahrhunderts | |
| umgehen und zugleich mit der [2][Konfrontation des 21. Jahrhunderts mit | |
| China]“ – so beschreibt die neue Lage der langjährige Diplomat Sir Peter | |
| Ricketts, Vizevorsitzender des Thinktanks Royal United Services Institute. | |
| Es ist eine Herausforderung, die natürlich nicht nur Großbritannien | |
| betrifft. Wie es das Papier selbst ausdrückt: „In den vergangenen zwei | |
| Jahren ist der Übergang zu einer multipolaren, fragmentierten und | |
| umkämpften Welt schneller und endgültiger eingetreten als erwartet.“ Es | |
| gebe einen „beschleunigten Systemwettbewerb“ und „das Risiko der Eskalati… | |
| ist größer als seit Jahrzehnten“. | |
| London sucht in dieser düsteren Lage das Positive. Habe der Fall von | |
| Afghanistan 2021 Fragen zur Handlungsfähigkeit des kollektiven Westens | |
| aufgeworfen, zeige die Unterstützung der Ukraine nun, dass das Gegenteil | |
| richtig sei: Es gebe eine „neue Zielstrebigkeit und Kooperation“. Hatte | |
| Boris Johnsons Sicherheitsstrategie von 2021 noch Europa weitgehend | |
| ignoriert und den „Schwenk“ britischer Interessen in den indopazifischen | |
| Raum ausgerufen, verkündet Rishi Sunak heute „ein neues Netzwerk | |
| atlantisch-pazifischer Partnerschaften, auf Grundlage der gemeinsamen | |
| Sichtweise, dass Wohlstand und Sicherheit des Euroatlantik und des | |
| Indopazifik untrennbar verbunden sind“. | |
| Nicht zufällig fiel die Veröffentlichung des Papiers mit dem ersten | |
| Gipfeltreffen das neue Militärbündnis Aukus (Australien, Vereinigtes | |
| Königreich und USA) zusammen. Im kalifornischen San Diego, wo Sunak 2006 | |
| als Student lebte, pries er nun als Premier neben dem Australier Anthony | |
| Albanese und US-Präsident Joe Biden „die wichtigste multilaterale | |
| Verteidigungspartnerschaft seit Generationen“. | |
| Konkret wird Großbritannien eine neue Generation atomarer U-Boote bauen, | |
| die Spitzentechnologie aus den USA enthält und auch Australien zur | |
| Verfügung gestellt wird. Das dürfte 20 Jahre dauern, aber vorher erhält | |
| Australien Atom-U-Boote aus den USA und ab sofort wechseln sich die | |
| U-Boot-Flotten Großbritanniens und der USA in australischen Gewässern ab. | |
| Das ist klar gegen Chinas Ambitionen im Indopazifik gerichtet. Australiens | |
| Verteidigungsminister Richard Marles sagte vor der Presse, die Region | |
| erlebe derzeit die größte Aufrüstung seit dem Zweiten Weltkrieg, und wenn | |
| Australien da nicht mithalte, „würde uns die Geschichte verurteilen“. | |
| ## Milliardenaufträge gehen verloren | |
| Sunak hat das auch gegenüber Frankreich geschickt eingefädelt, das sich | |
| aufgrund seiner kolonialen Inselterritorien ebenfalls für eine | |
| Indopazifikmacht hält und dessen Präsident Emmanuel Macron über das | |
| Entstehen der Allianz Aukus im September 2021 so erzürnt war, dass er | |
| sogar seinen Botschafter aus den USA abberief. Frankreichs | |
| Rüstungsindustrie gingen nämlich Milliardenaufträge in Australien verloren. | |
| Letzten Freitag, also noch vor dem Aukus-Gipfel, traf Sunak Macron in Paris | |
| zum ersten französisch-britischen Gipfel seit dem Brexit. Dort sprach man | |
| nicht nur über die aus Frankreich nach Großbritannien fliehenden | |
| Bootsflüchtlinge, sondern auch über militärische Zusammenarbeit. Die beiden | |
| wichtigsten Militärmächte Westeuropas werden unter anderem Bewegungen ihrer | |
| Flugzeugträger im Indopazifik miteinander koordinieren. | |
| Es werden auch gemeinsame Rüstungsprojekte mit Frankreich erörtert – wie | |
| bereits mit Japan und Italien. Dazu kommt eine neue Militärbasis in der | |
| norwegischen Arktis. Das neue Strategiepapier betont auch die weitere | |
| Unterstützung für die Ukraine. Derweil kündigte die Regierung eine eher | |
| mäßige Erhöhung des britischen Verteidigungsetats um 5 Milliarden Pfund an; | |
| sein Anteil am BIP soll mittelfristig von derzeit 2,2 auf 2,5 Prozent | |
| steigen. Das meiste neue Geld fließt in die atomare Abschreckung. Im | |
| Parlament stieß die relativ geringe Anhebung am Dienstag auf Kritik. | |
| Denn Londons Hauptstoßrichtung ist, dass man nicht bloß auf Moskau und | |
| Peking reagieren sollte. Man muss auch selbst aktiv werden. Das aber kostet | |
| Geld. „Das internationale Umfeld gestalten“, lautet das oberste | |
| strategische Ziel im britischen Papier, „um die Bedingungen einer offenen | |
| und stabilen Weltordnung zu schaffen“. | |
| China wird für diese Weltordnung zur „epochalen Herausforderung“ erklärt. | |
| Laut Experten ist das eine Mäßigung – die Alternative wäre „Bedrohung“. | |
| Dies hätte die Tür zur Zusammenarbeit mit Peking, etwa in der Klimapolitik, | |
| zugeschlagen. Das Wort „Bedrohung“ bleibt Russland vorbehalten, das als | |
| „akuteste Bedrohung der britischen Sicherheit“ definiert wird. | |
| Nicht von ungefähr aber reagiert China jetzt besonders scharf. Die | |
| Aukus-Nationen hätten mit ihren Beschlüssen „den Weg des Irrtums und der | |
| Gefahr“ eingeschlagen, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums in | |
| Peking. Nach US-Berichten ist für kommende Woche ein China-Russland-Gipfel | |
| geplant. Auf Mäßigung stehen die Zeichen nicht. Am Dienstag bekräftigte | |
| Kremlsprecher Dmitri Peskow, Russland müsse in der Ukraine „seine Ziele | |
| erreichen“ und dies sei „derzeit nur mit militärischen Mitteln möglich“. | |
| 14 Mar 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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