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# taz.de -- Mieterschützer über Heizungsaustausch: „Die Situation ist drama…
> Die Ampel-Koalition hat Förderrichtlinien zum Heizungsaustausch
> beschlossen. Es profitieren die Eigentümer*innen, sagt
> Mieterbund-Präsident Siebenkotten.
Bild: Aufdrehen ja – aber nur, wenn kein Erdgas aus der Leitung kommt
taz: Ab 2024 sollen keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr in neue Gebäude
eingebaut werden, in Bestandsgebäuden müssen diese Heizungen nach und nach
gegen klimafreundliche ausgetauscht werden. Das hat das Bundeskabinett am
Mittwoch beschlossen. Bürger:innen im selbst genutzten Eigentum und
Kleinvermieter:innen werden mit Fördergeldern unterstützt. Wie finden
Sie das?
Lukas Siebenkotten: Wir als Deutscher Mieterbund sind der Meinung, dass die
Ziele der Bundesregierung beim Heizungsaustausch sinnvoll und richtig sind.
Wir unterscheiden uns da von anderen, die sagen: Das ist viel zu viel auf
einmal. Das Problem ist nur: Die Fördermaßnahmen richten sich
ausschließlich an Eigentümer und Eigentümerinnen. Im Gesetzentwurf sind
keine Regelungen vorgesehen, wie die Kostenlast für Mieterinnen und Mieter
reduziert werden kann. Hier gibt es dringenden Nachbesserungsbedarf.
Sie kritisieren also, dass zu sehr auf Eigentümer:innen geschaut wird?
Der Heizungsaustausch kann nur funktionieren, wenn diejenigen, die es
bezahlen sollen, auch imstande sind, es zu bezahlen. Und das ist heute
definitiv nicht gewährleistet. Was vielen nicht bewusst ist: Das betrifft
auch die Mieter, denn Vermieter können die Kosten eines Heizungsaustauschs
auf die Miete aufschlagen.
Womit müssen Mieter:innen rechnen?
Bei der derzeitigen Rechtslage können bei einer Modernisierung – und der
Heizungsaustausch zählt dazu – 8 Prozent der Investitionskosten pro Jahr
auf die Kaltmiete aufgeschlagen werden. Das ist keine klassische Umlage wie
im Bereich der Nebenkosten, sondern ein Aufschlag auf die Miete. Der
Vermieter geht in Vorleistung, aber der Mieter zahlt schrittweise alles ab.
Nach etwa 13 Jahren sind die Investitionskosten abbezahlt, aber die
Mieterhöhung bleibt bestehen. Unserer Ansicht nach sollte diese sogenannte
Modernisierungsumlage ganz gestrichen werden.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Der Heizungsaustausch sollte nach einem Drittel-System finanziert werden.
Das heißt, ein Drittel zahlt der Vermieter. Er muss das aber wirklich
selber bezahlen und kriegt es nicht vom Mieter zurück. Ein weiteres Drittel
zahlt der Mieter, der ja auch was davon hat, sofern er Heizkosten spart.
Und das letzte Drittel muss durch staatliche Fördermittel gewährleistet
werden.
Würde das die Mieter:innen nicht auch komplett überfordern?
Nicht alle. Man könnte die Höhe der Zuschüsse für Mieter so festlegen, dass
die Wohnkosten nicht mehr als 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens
übersteigen. Das wäre für uns ein ganz spannender Punkt.
Dass die Modernisierungsumlage abgeschafft wird, ist aber sehr
unwahrscheinlich.
Ich gehe auch nicht davon aus. Aber dann muss sie wenigstens reformiert
werden. Die 8 Prozent der Investitionskosten pro Jahr, die der Vermieter
auf die Miete umlegen darf, sollte auf 4 Prozent halbiert werden. Ebenso
fordern wir die Halbierung der Quadratmeter-Obergrenze. Derzeit darf die
Modernisierungsumlage nicht mehr als 3 Euro pro Quadratmeter innerhalb von
sechs Jahren betragen. Wenn die Miete unter 7 Euro pro Quadratmeter liegt,
nicht mehr als 2 Euro.
Für eine solche Reform wäre Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP)
zuständig, der nicht dafür bekannt ist, Mieterschutz voranzutreiben. Wenn
die Bundesregierung an der Modernisierungsumlage in der jetzigen Form
festhält, was hat das für Folgen?
Das werden ganze Bevölkerungsschichten nicht mehr bezahlen können, weil die
Heizkosten gleichzeitig erheblich steigen. Die Situation ist für viele
jetzt schon dramatisch. Hier muss die Bundesregierung dringend handeln.
Im Gesetzentwurf zum Heizungstausch gibt es zumindest ein paar technische
Mieterschutzregelungen. Etwa beim Einbau von Wärmepumpen ist eine bestimmte
Effizienz vorgesehen, sonst darf der Vermieter nur die Hälfte der Kosten
auf die Mieter umlegen.
Das ist ein kleiner Schritt. Aber völlig unzureichend.
Bräuchten wir ein Kündigungsmoratorium?
Das fordern wir auch. Ein Kündigungsmoratorium ist ein wichtiger sozialer
Schutzschild, aber klimapolitisch bringt es uns nicht weiter. Wenn der
Vermieter weiß, ein zahlungsunfähiger Mieter kann einfach bleiben, wird er
nicht energetisch sanieren. Aus welchem Grunde sollte er das tun? Deswegen
sind staatliche Fördergelder für Vermieter so wichtig.
Wie meinen Sie das?
Eine staatliche Förderung für Eigentümer nutzt auch den Mietern. Das, was
Vermieter an Förderung bekommen, müssen sie von der Umlage auf den Mieter
abziehen. Das kann der Vermieter nicht einfach behalten. Wir haben in der
Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass viele Modernisierungsmaßnahmen
ohne staatliche Fördermittel abliefen. Eigentümer haben keine staatlichen
Fördermittel in Anspruch genommen, weil sie die Kosten auf die Mieter
umlegen konnten. Deshalb fordern wir, dass ein Vermieter, der Fördermittel
nicht in Anspruch nehmen will, so gestellt werden muss, als hätte er sie in
Anspruch genommen. Denn das entlastet dann den Mieter.
Es gab gerade eine große Wohngeldreform, die einen Heizkostenzuschuss und
eine Klima-Komponente beinhaltet, um Mieterhöhungen nach Modernisierungen
abzufedern. Reicht das nicht?
Um abzufedern, was mit dem Heizungsaustausch passiert, wird das nicht
ausreichen. Dafür muss man Sonderfördertöpfe schaffen. Man könnte es so
ähnlich machen wie beim Wohngeld. Aber man muss mit höheren
Einkommensstufen arbeiten, es müssen mehr Leute diese Förderung bekommen
als Wohngeld beziehen. Es gibt Millionen von Menschen knapp oberhalb des
Wohngelds, die keine staatlichen Zuschüsse bekommen. Die müssen
eingeschlossen werden.
Bei welchen Einkommen soll die Grenze liegen?
Das muss man in Ruhe durchdenken, und dabei wirken wir als Deutscher
Mieterbund gerne mit. Es wäre sinnvoll, wenn die Regierung wie bei der
Gaspreiskommission Experten versammeln würde, mit dem Auftrag,
sozialverträgliche Lösungen für den Heizungsaustausch zu finden. Das ist
sehr komplex. Ich erwarte nicht, dass die Regierung diese Probleme
innerhalb von drei Tagen löst.
20 Apr 2023
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
Anja Krüger
## TAGS
Heizung
fossile Energien
Deutscher Mieterbund
Heizung
FDP
Energiewende
Klara Geywitz
wochentaz
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