# taz.de -- Krieg in Sudan: Nicht auf der Prioritätenliste | |
> Der Konflikt in Sudan wird erst enden, wenn die Militärs die Macht an | |
> eine zivile Regierung abgeben. Der Schlüssel dazu liegt in Ägypten und am | |
> Golf. | |
Bild: Westliche Staatsbürger haben den Sudan verlassen. Endet damit das Intere… | |
KAIRO taz | Es ist unwahrscheinlich, dass der Sudan schnell zur Ruhe kommt. | |
[1][Der Machtkampf zwischen Militärchef Abdelfattah al-Burhan und Mohamed | |
Hamdan Daglo, auch Hametti genannt, dem Chef der RSF-Milizen, ist bisher | |
nicht entschieden.] Beide hatten sich Ende 2021 gemeinsam an die Macht | |
geputscht und kämpfen jetzt um die Alleinherrschaft. Im Moment geht es | |
darum, wer die Hauptstadt Khartum am östlichen Nilufer und deren | |
Zwillingsstadt Omdurman westlich des Flusses kontrolliert. | |
Noch hält die Armee wichtige Schlüsselstellungen wie den Präsidentenpalast, | |
aber die RSF-Milizen halten Stellungen in andren Teilen der Stadt. Bisher | |
scheint es der Armee aber auch mithilfe ihrer Luftwaffe gelungen zu sein, | |
die RSF-Milizen von strategischen Punkten in Khartum fernzuhalten. Die | |
Armee behauptete in ihrer jüngsten Erklärung, dass sie die Kontrolle über | |
die meisten sudanesischen Provinzen gewonnen habe, dass „die Lage in | |
einigen Teilen der Hauptstadt allerdings etwas kompliziert“ sei – eine | |
propagandistische Untertreibung. Solange beide Seiten glauben, den | |
Machtkampf gewinnen zu können, ist ein dauerhafter Waffenstillstand eher | |
unwahrscheinlich. | |
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag lief ein 72-stündiger | |
Waffenstillstand aus, den beide Seiten vereinbart und wiederholt gebrochen | |
hatten. Die Armee stimmte zuerst zu, diesen um weitere 72 Stunden zu | |
verlängern, gefolgt von den RSF-Milizen. Vermittelt worden war die | |
Verlängerung von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, den | |
USA, Großbritannien und Norwegen. | |
Doch schon am Freitagvormittag, wenige Stunden nach der Verlängerung, | |
warfen sich beide Seiten vor, die Vereinbarung gebrochen zu haben. Die | |
Kämpfe um den Präsidentenpalast gingen weiter. Die Armee habe Stellungen | |
der RSF in Omdurman angegriffen und Stellungen auf der Nilinsel Tuti | |
bombardiert, hieß es vonseiten der RSF. Die Armee warf den RSF vor, ein | |
türkisches Evakuierungsflugzeug beschossen zu haben, das ausländische | |
Staatsbürger ausfliegen wollte. | |
Trotz der unübersichtlichen Lage haben die Waffenstillstandsversuche genug | |
Ruhe geschaffen, um Tausenden Zivilisten die Möglichkeit zur Flucht zu | |
geben. [2][Nach UN-Angaben sind mindestens 20.000 Menschen in den | |
benachbarten Tschad geflüchtet, 16.000 nach Ägypten, 4.000 in den Südsudan | |
und 3.500 nach Äthiopien.] | |
[3][Währenddessen lag der internationale Fokus darauf, die eigenen | |
Staatsbürger in Sicherheit zu bringen]. Die meisten werden von Wadi Seidna, | |
einem Luftwaffenstützpunkt nördlich von Khartum, ausgeflogen, der von der | |
Armee kontrolliert wird. Andere werden über den Rotmeerhafen Port Sudan | |
ausgeschifft oder schaffen es über die Landesgrenze nach Ägypten. Dabei gab | |
es immer wieder Beschwerden von in Sudan verbliebenen Ausländern, dass die | |
Operationen chaotisch seien. Einerseits wurden sie von ihren jeweiligen | |
Staaten aufgerufen, nicht das Haus zu verlassen, andererseits wurden sie | |
per Anruf aufgefordert, sich ohne große Vorlaufzeit an einem Flughafen | |
einzufinden. | |
## Verschwindet der Sudan aus den Schlagzeilen? | |
Auch unter den evakuierenden Nationen gab es immer wieder Unstimmigkeiten. | |
Als britische Flugzeuge ohne Abstimmung mit der sudanesischen Armee in Wadi | |
Seidna landeten, um ihr Botschaftspersonal auszufliegen, führte das | |
offenbar dazu, dass sich deutsche Evakuierungsflüge verspäteten, wie | |
hochrangige deutsche Politiker der britischen BBC steckten. | |
Als der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius gefragt wurde, warum | |
Großbritannien so schnell evakuiere, konnte er es sich nicht verkneifen zu | |
sticheln: „Wie soll ich es diplomatisch ausdrücken? Sie haben ignoriert, | |
was die Sudanesen vorgeschrieben haben.“ | |
Die große Befürchtung ist nun, dass der Sudan aus den Schlagzeilen | |
verschwindet und die internationalen Bemühungen um ein Ende des Konflikts | |
stark abnehmen, sobald alle ausländischen Staatsbürger außer Landes | |
gebracht sind. Der Sudan hat international keine besondere strategische | |
Bedeutung und die Flüchtlinge bleiben bisher eher in den afrikanischen | |
Nachbarländern. | |
Schon mit dem Staatsstreich 2021, der auf eine Übergangsperiode nach dem | |
Sturz von [4][Langzeitherrscher Omar al-Baschir] im Jahr 2019 folgte, | |
hatten die Hoffnungen auf einen Übergang zu einer zivilen Regierung und zu | |
demokratischen Wahlen einen Dämpfer erhalten. Doch die internationalen | |
Reaktionen auf den Putsch hielten sich in Grenzen. | |
Der Sudan steht international nicht auf der Prioritätenliste. David | |
Miliband, Chef der Hilfsorganisation International Rescue Committee und | |
ehemaliger britischer Außenminister sprach das deutlich aus: „Die Tatsache, | |
dass die Medienberichterstattung und der Großteil der politischen | |
Aufmerksamkeit darauf konzentriert ist, Tausende ihrer Staatsbürger außer | |
Landes zu bringen, und nicht darauf, auf die Bedürfnisse von Millionen | |
Menschen einzugehen, bleibt einem im Hals stecken“, sagte er der BBC. | |
„Natürlich ist das Leben der tausenden Menschen wichtig, die evakuiert | |
werden müssen, aber was ist mit den 45 Millionen, die zurückbleiben?“, | |
fragte Miliband. | |
## Konfliktparteien werden hofiert | |
Viel wird jetzt davon abhängen, wie viel Druck international aufgebaut | |
wird, um die Männer mit den Waffen in Sudan an den Verhandlungstisch zu | |
bringen und ein Ende der Kämpfe zu erreichen. Der Südsudan, seit 2011 | |
unabhängig, hat sich als Gastgeber für Verhandlungen angeboten und | |
US-Außenminister Antony Blinken verkündete in Washington, man arbeite „sehr | |
aktiv“ daran, den Waffenstillstand zu verlängern, der die Gewalt vermindert | |
habe, auch wenn er nicht perfekt sei. | |
John Kirby, Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, | |
erklärte, dass es Washingtons Priorität sei, die Gewalt zu vermindern. „Wir | |
wollen natürlich, dass die Gewalt ganz stoppt, damit kein sudanesisches | |
Leben in Gefahr ist und endlich humanitäre Hilfe dorthin kommt, wo sie | |
gebraucht wird“. Doch eine Sprecherin des Weißen Hauses warnte später, die | |
Situation könne sich jeden Moment noch verschlechtern. | |
Aber selbst wenn die Bemühungen von Erfolg gekrönt sein sollten, das | |
grundsätzliche Problem, die Kämpfe wirklich zu beenden, ist alles andere | |
als gelöst. Noch werden die kämpfenden Parteien hofiert. International | |
werden mit ihnen die Evakuierungsflüge koordiniert und man braucht ihre | |
Einigung für einen Waffenstillstand. | |
Hinzu kommen die Sponsoren der Kriegsparteien: Ägypten setzt auf die Armee | |
und deren Chef al-Burhan. Die Emirate unterstützen Hametti. Mit dessen | |
RSF-Milizen führen sie einen lukrativen Handel im Goldabbau, der über Dubai | |
abgewickelt wird. Außerdem mieten die Emirate für Konflikte etwa in Libyen | |
oder im Jemen immer wieder die Milizionäre der RSF als Söldner an. Sowohl | |
Ägypten als auch die Emirate und in geringerem Maße auch Saudi-Arabien | |
hoffen, mithilfe der Armee oder den RSF ihren Einfluss in Sudan zu | |
vergrößern. Auch russische Söldner der Wagner-Gruppe kooperieren mit den | |
RSF beim Abbau von Goldvorkommen. | |
Am Ende geht es darum, dass die Männer mit den Waffen in Sudan ihre Macht | |
endlich an eine zivile Regierung abgeben. Das werden sie nicht freiwillig | |
tun. Es wird nur geschehen, wenn sie international isoliert werden. Der | |
Schlüssel dazu liegt in Ägypten und bei den Golfstaaten. | |
28 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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