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# taz.de -- DGB-Demonstration in Berlin: Arbeitskampf am Bratwurststand
> Rund 6.000 Menschen fordern bessere Arbeitsbedingungen. Die neue
> Sozialsenatorin Kiziltepe sagt Union Busting den Kampf an.
Bild: Die Arbeiter*innen in Berlin blasen zum Kampf
Berlin taz | Unter den vielen Fahnen der unterschiedlichen Gewerkschaften
und politischen Gruppen sind die einzelnen Menschen, die am Montagmorgen
zur Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gekommen sind,
fast nicht mehr auszumachen. Und doch zählt die Polizei rund 6.000
Teilnehmer*innen, die vom Platz der Vereinten Nationen in Friedrichshain
zur zentralen Kundgebung vor das Rote Rathaus nach Mitte ziehen.
Während im Frontblock die Gewerkschaftsfunktionäre des DGB hinter einem
Transparent mit dem diesjährigen Motto „ungebrochen solidarisch“ zu Prodigy
und K.I.Z vorwegmarschieren, wird hinten im klassenkämpferischen Block eine
Ausweitung des Streikrechts gefordert.
Dass Arbeiter*innen nicht ohne Gewerkschaften und auch nicht für
politische Anliegen in den Ausstand treten dürfen, sei rückständig und
restriktiv und auch nicht mit der europäischen Sozialcharta vereinbar, ruft
eine Rednerin. Die Solidarität gilt hier den ehemaligen
Gorillas-Arbeiter*innen, die [1][vor zwei Jahren wegen wilder Streiks
gekündigt] wurden und nun vor Gericht für eine Legalisierung kämpfen.
Das Ziel der Demo, die Kundgebung vor dem Roten Rathaus, hat mit ihren
vielen Fressbuden dann eher Volksfestcharakter. Bei Bratwurst, Kuchen und
Bier sitzen die Menschen in der Sonne auf Bierbänken und unterhalten sich
ausgelassen.
Vor der großen Bühne geht es da schon mehr zur Sache: Als die Moderatorin
den Namen des neuen Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) auch nur
erwähnt, sind die Buhrufe genauso laut wie bei der Rede des Vorsitzenden
der Gewerkschaft der Polizei, die mit lauten „Ganz Berlin hasst die
Polizei“-Sprechchören quittiert wird.
## Senatorin kündigt vermehrt Arbeitsschutz-Kontrollen an
Besser kommt da die neue Senatorin für Arbeit und Soziales, [2][Cansel
Kiziltepe (SPD)], an, die passend zum 1. Mai ihren ersten Arbeitstag hat.
Von allen Seiten wird ihr gratuliert, sie sei „endlich die Richtige für den
Posten“, sagt ein Teilnehmer anerkennend. Tatsächlich hat die Vorsitzende
der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeit (AfA) vor allem eines im Blick: gute
Arbeitsbedingungen, wie sie im Gespräch mit der taz sagt.
Auch wenn die bisherige Bundestagsabgeordnete für Friedrichshain-Kreuzberg
sich nun erst mal in die Landespolitik einarbeiten muss, hat sie schon
konkrete Ideen im Gepäck: „Wir wollen die betriebliche Mitbestimmung
stärken“, so Kiziltepe. Dafür will die Arbeitssenatorin in Kooperation mit
der Justizverwaltung Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften für Union Busting
vorantreiben – und sich gleichzeitig auf Bundesebene dafür einsetzen, dass
die Bekämpfung von Beschäftigtenvertretungen zum Offizialdelikt wird.
[3][Proteste gegen Union Busting] gab es zuletzt verstärkt von den meist
migrantischen Kurierfahrer*innen von Online-Lieferdiensten wie
Gorillas oder Lieferando. Sie will Kiziltepe besser schützen. „Mein
Schwerpunkt wird hier auf dem Arbeitsschutz liegen“, sagt sie und kündigt
mehr Kontrollen an. „Arbeitsrechte müssen auch eingehalten werden.“ Dass
Migrant*innen in ihrem Arbeitskampf oft gefährdet sind, weil ihre
Aufenthaltsgenehmigung von ihrem Arbeitsvertrag abhängt, hält Kiziltepe für
problematisch: „Da müssen wir eine Lösung finden.“
Sorge bereitet der SPD-Politikerin die im Bundesvergleich
unterdurchschnittliche Tarifbindung, die zuletzt nur noch bei 14 Prozent
lag. Berlin gehe zwar durch die Vergabe öffentlicher Aufträge
ausschließlich an tarifgebundene Unternehmen dagegen vor; wichtig seien
jedoch starke Gewerkschaften. „Der 1. Mai zeigt, dass wir gemeinsam etwas
erreichen können“, so Kiziltepe.
1 May 2023
## LINKS
[1] /Gorillas-Fahrer-klagen-gegen-Entlassung/!5848026
[2] /Bau-Staatssekretaerin-Cansel-Kiziltepe/!5819327
[3] /Umstrittene-Lieferdienste/!5919734
## AUTOREN
Marie Frank
## TAGS
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
Arbeitskampf
Tag der Arbeit / 1. Mai
Gewerkschaft
Streikrecht
Verdi
Lesestück Recherche und Reportage
Berufsgewerkschaften
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
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