# taz.de -- Myanmar unter der Militärjunta: Aung San Suu Kyis Partei verboten | |
> Mit der Zwangsauflösung der Nationalen Liga für Demokratie verbieten die | |
> Putschgeneräle die siegreiche Partei der letzten demokratischen Wahl. | |
Bild: Demonstration gegen den Putsch mit einem großen NLD-Transparent am 17. M… | |
BERLIN taz | In Myanmar hat die Militärjunta die frühere Regierungspartei | |
Nationale Liga für Demokratie (NLD) der inhaftierten | |
Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi verboten und für aufgelöst | |
erklärt. Am Dienstagabend gab das die vom Militär eingesetzte | |
Wahlkommission in den kontrollierten Staatsmedien bekannt. Von bisher rund | |
90 in dem südostasiatischen Land existierenden politischen Parteien wurden | |
jetzt 40 verboten. Die NLD ist davon die mit Abstand größte und | |
einflussreichste. | |
Die NLD, deren Symbol ein gelber kämpfender Pfau vor einem roten | |
Hintergrund ist, hatte die letzten demokratischen Wahlen im November 2020 | |
deutlich gewonnen. Doch das Militär erkannte das Wahlergebnis nicht an und | |
putschte am 1. Februar 2021 kurz vor der geplanten Vereidigung der | |
gewählten Parlamentarier. Die Generäle, die den Verlust von Macht und | |
Privilegien fürchteten, warfen der NLD-Regierung von Aung San Suu Kyi | |
massiven Wahlbetrug vor. Den hatte es nach Ansicht von Wahlbeobachtern aus | |
dem In- und Ausland aber gar nicht gegeben. | |
Die mit brutaler Gewalt regierende Militärjunta hatte für dieses Jahr | |
Wahlen nach ihren Vorstellungen versprochen und im Januar dafür ein neues | |
Wahlgesetz vorgelegt. Das sieht die Neuregistrierung aller Parteien mit | |
strengen Auflagen innerhalb von 60 Tagen vor. Die Frist lief am Dienstag | |
ab. Die NLD und andere jetzt für illegal erklärte Parteien lehnen eine | |
Beteiligung an den Wahlen ohnehin ab, die sie für undemokratisch halten. | |
Sie bemühten sich deshalb auch gar nicht erst um eine Neuregistrierung. | |
## Manipulierte Wahlen als Legitimationsversuch des Militärs | |
Die NLD, die sich als im November 2020 rechtmäßig gewählt betrachtet, sieht | |
die Wahlen unter der Junta als Versuch des Militärs, den Putsch zu | |
rechtfertigen und der militärnahen Partei USDP (Vereinigte Solidaritäts- | |
und Entwicklungspartei) zum Sieg zu verhelfen. Die USDP hatte 2020 eine | |
verheerende Wahlniederlage erlebt. Laut einem am Dienstag vorgelegten | |
Bericht der International Crisis Group könnte das Militär die Wahlen auch | |
als Vorwand für eine noch stärkere gewaltsame Repression nutzen. | |
Die Wahlen waren ursprünglich für kommenden August angekündigt. Sie dürften | |
aber verschoben werden, weil der militärische wie der zivile Widerstand | |
großer Bevölkerungsgruppen gegen die Junta sehr stark ist und das Militär | |
viele Landesteile gar nicht kontrolliert. Beobachter warnen bereits davor, | |
dass der Versuch, unbedingt undemokratische Wahlen durchziehen zu wollen, | |
zu noch mehr Gewalt führen dürfte. Schon jetzt leidet die Bevölkerung stark | |
unter den Folgen des Putsches. | |
Vorsitzende der NLD ist Aung San Suu Kyi. Die heute 77-jährige | |
Friedensnobelpreisträgerin ist seit dem Putsch inhaftiert und wurde | |
inzwischen in mehreren Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu | |
[1][33 Jahren Gefängnis] wegen angeblicher Korruption verurteilt. Es ging | |
dem Militär darum, sie bis zum Ende ihres Lebens aus der Politik zu | |
verbannen. Sie hat seit dem Putsch außer zu gelegentlichen Gesprächen mit | |
ihren Anwälten, die selbst nicht öffentlich über sie sprechen dürfen, | |
keinerlei Kontakt zur Außenwelt. Bereits unter einer früheren Junta hatte | |
sie knapp 15 Jahre im Gefängnis oder Hausarrest verbracht. | |
Die NLD war von Aung San Suu Kyi und anderen im November 1988 im Zuge von | |
Massenprotesten als Ausdruck der damaligen Demokratiebewegung gegründet | |
worden. Die Partei war die letzten Jahre aber sehr stark auf ihre Führerin | |
ausgerichtet. Die Basis hatte nichts zu sagen und insbesondere jüngere | |
Parteimitglieder und Politiker beklagten dies immer wieder. | |
## Bereits das zweite Verbot der NLD | |
Für die NLD ist es jetzt bereits das zweite Verbot. Sie war im Jahr 2010 | |
verboten worden, als sie sich schon damals weigerte, sich für vom Militär | |
manipulierte Wahlen registrieren zu lassen. Die Generäle haben allerdings | |
bei einem Verbot der NLD stets das Problem, dass die Wahlen damit von | |
vornherein unglaubwürdig werden und die Illegitimität der Militärregierung | |
unterstreichen. Das gleiche Problem besteht, wenn Wahlen nur im vom Militär | |
kontrollierten Gebiet durchgeführt werden. | |
Nach NLD-Angaben sind 80 ihrer Parlamentarier und 1.232 ihrer | |
Parteimitglieder in Haft. Zwei Abgeordnete und 84 Mitglieder sind seit dem | |
Putsch getötet worden. Zudem wurde der Besitz vieler Parteiführer | |
beschlagnahmt. | |
Politiker der NLD spielen heute eine wichtige Rolle in der Gegenregierung | |
„National Unity Government“ (NUG), die aus dem Untergrund oder Exil heraus | |
den zivilen wie militärischen Widerstand gegen die Junta zu koordinieren | |
versucht. Bei einer Militärparade am Dienstag bezeichnete Juntachef Min | |
Aung Hlaing die NUG als „Terroristen“. | |
Nach Angaben der myanmarischen [2][Menschenrechtsorganisation AAPP] sind | |
seit dem Putsch 3.171 Zivilisten getötet und 20.908 festgenommen worden, | |
von denen noch 17.040 inhaftiert sind. Bei mehreren | |
öffentlichkeitswirksamen Amnestien wurden vor allem Kleinkriminielle und | |
juntanahe Schläger freigelassen und nur wenige politische Gefangene. | |
29 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Justizfarce-in-Myanmar/!5905787 | |
[2] https://aappb.org/?p=24551 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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