# taz.de -- Neues Album von Lana del Rey: Der Tunnel unterm Ocean Boulevard | |
> „Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd“ heißt das | |
> lebenshungrige Album von Lana Del Rey. Ihre Songs gehen nun auch in | |
> Richtung Jazz. | |
Bild: When’s it gonna be my turn?“ fragt sich Lana del Rey | |
So viel [1][Lana Del Rey] gab es noch nie. Rund 77 Minuten singt die | |
US-Künstlerin auf ihrem neuen Album „Did you know that there’s a tunnel | |
under Ocean Blvd“ über Gott und die Welt. Allein der Bandwurm-Albumtitel | |
sprengt den üblichen (Mainstream-)Rahmen. Mehr als drei Wörter werden | |
eigentlich nicht so geschätzt, gewollt sind eher knackige Slogans wie Pinks | |
„Trustfall“. Doch Lana Del Rey, geboren 1985 in New York als Elizabeth | |
Woolridge Grant, setzt sich gern über Marketingtrends hinweg. | |
Genauso gern sagt sie sich von konventionellen Songstrukturen, also | |
Strophe–Bridge–Refrain, los. Die Chanteuse lehnt sich inzwischen an die | |
Freigeistigkeit des Jazz an und flüstert auch gern beim Singen. Besonders | |
radiotauglich sind die neuen Songs nicht herausgeputzt. | |
Am ehesten noch geht „Let The Light In“, ein Duett mit Schmusefolky Father | |
John Misty, mit seidig weichem Streicherarrangement als Ohrwurm durch. Ein | |
weiteres Duett leistet sie sich in „Margaret“, dafür hat sie Bleachers | |
alias Jack Antonoff dazugebeten. | |
Kein Wunder, dass hier das Pendel in Richtung Romantik ausschlägt. Der Song | |
ist Jack Antonoffs Verlobter Margaret Qualley gewidmet, es könnte ohne | |
Weiteres das Hochzeitslied des Paares werden – schließlich spricht aus ihm | |
der Glaube an die große Liebe. | |
## „Wann bin ich an der Reihe?“ | |
Im Titelsong „Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd“ fragt | |
sie schon mal sehnsüchtig: „When’s it gonna be my turn?“ Dann wieder | |
zweifelt sie an ihrem eigenen Traum, nur wenig später wird er nämlich mit | |
den Worten: „Fuck me to death, love me until I love myself“ | |
entmystifiziert. | |
In der Realität ihrer Songs, wie in einer ewig fortgeführten TV-Serie, | |
[2][ist das so heiß ersehnte Happy End eben schwer vorstellbar]. Die | |
37-Jährige bleibt gedanklich angespannt. Selbst wenn die Hörer:innen | |
eingangs leichtfüßig mit Del Rey in „A&W“ durch angenehme Klavierklänge … | |
fein austarierte akustische Gitarrenpassagen flanieren, ahnen sie wohl | |
schon: Da braut sich was zusammen. | |
Mit den sinister pluckernden Synthesizern tut sich in diesem 7-minütigen | |
Stück Abgründe auf. Forciert durch Sätze wie „No, this is the experience of | |
bein’ an American whore“. Sie erzählen von einer flüchtigen | |
Hotelbekanntschaft und Sex auf dem Fußboden. | |
Szenenwechsel: „Judas Smith Interlude“ soll die Predigt eines Pastors sein. | |
Er wettert gegen Lust und propagiert Liebe. Man hört die Sängerin lachen. | |
Findet sie es lächerlich oder schwingt da Zustimmung mit? | |
Eindeutiger ist das Auftaktstück „The Grants“: Die Musikerin erinnert sich | |
an das Lächeln ihrer Großmutter. Und an das erste Kind ihrer Schwester, | |
sogar Country-Superstar John Denver taucht auf. Auf diese Weise hält Lana | |
Del Rey in ihren Songs Menschen für die Ewigkeit fest, die ihr etwas | |
bedeuten. Musikalisch bedient sie sich dafür bei Gospel und Soul. | |
Die Ballade „Candy Necklace“, die der US-Musiker und Komponist Jon Batiste | |
am Klavier begleitet, beklagt die Rücksichtslosigkeit eines Mannes, von dem | |
Lana Del Rey geradezu besessen ist. Sie sitzt auf dem Sofa, geplagt von | |
Selbstmordgedanken. Erschöpft räumt sie ein: „I do feel like it’s you the | |
one who is bringin’ me down“. | |
Abermals droht sie an Verzweiflung zu ersticken – wie 2012 auf dem Debüt | |
„Born To Die“. Seinerzeit warfen ihr Kritiker:innen vor, ihr Frauenbild | |
sei konservativ. Im 21. Jahrhundert hängt das Glück einer Frau nicht mehr | |
davon ab, ob sie einen (Ehe-)Mann findet. Vielleicht wäre diese Erkenntnis | |
der Startpunkt für Lana Del Reys zehntes Album. | |
1 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Neues-Album-von-Lana-Del-Rey/!5817809 | |
[2] /Neues-Hitalbum-von-Miley-Cyrus/!5921263 | |
## AUTOREN | |
Dagmar Leischow | |
## TAGS | |
wochentaz | |
Popmusik | |
Album | |
Pop | |
wochentaz | |
Neues Album | |
Miley Cyrus | |
Popmusik | |
Musik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debütalbum von Britin Lola Young: Grübeln, rumpeln und croonen | |
Lola Young weiß, was sie will. Ihr Debütalbum „My Mind Wanders and | |
Sometimes Leaves Completely“ zeigt die Gefahren auf dem Weg zum Ruhm. | |
Rock-Produzent Rick Rubin über sein Werk: „Mit dem Universum kollaborieren“ | |
Beastie Boys, Johnny Cash, Slayer, Lana Del Rey – mit all diesen Stars hat | |
Rick Rubin Alben entwickelt. Ein Gespräch mit der Produzentenlegende. | |
Neues Album von Leslie Feist: Innehalten in einer hektischen Welt | |
Kinder kommen, Eltern gehen. Um diese Veränderungen kreist das neue Album | |
„Multitudes“ der kanadischen Künstlerin Feist. | |
Neues Hitalbum von Miley Cyrus: Pralinenschachtel im Restmüll | |
Ganz ohne Trennungsschmerz: US-Sängerin Miley Cyrus verarbeitet eine | |
gescheiterte Beziehung auf ihrem neuen Album „Endless Summer Vacation“. | |
Vier Rückblicke auf das Popjahr 2022: Komfortzone auslüften | |
Wie wirkten sich Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine auf Pop aus? | |
Warum ist London Musikmetropole und was ist der Sad-Girl-Hype? 4 | |
Rückblicke. | |
Neues Album von Alice Boman: Kuscheln mit Tiefgang | |
Die Singer-Songwriterin Alice Boman wurde durch Netflix berühmt. Auf ihrem | |
neuen Album „The Space Between“ verfeinert sie den introspektiven Indiepop. |