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# taz.de -- Steigende Mieten in Portugal: Eingriff in den Wohnungsmarkt
> In Portugal fehlen bezahlbare Wohnungen. Jetzt greift die sozialistische
> Regierung unter António Costa mit dem Programm „Mehr Wohnraum“ durch.
Bild: In manchen Stadtteilen Lissabons sind über 60 Prozent der Wohnungen Tour…
Madrid taz | Neben Mietpreisdeckelung und dem Stopp von Lizenzen für
Touristenwohnungen soll in Portugal mit dem Programm „Mehr Wohnraum“ eine
Zwangsvermietung von leer stehenden Wohnungen eingeführt werden. Außerdem
werden Familien bezuschusst, die sich selbst mit kontrollierten Mieten
keine Wohnung leisten können.
Das sieht ein Gesetz vor, das bis zum 24. März vorveröffentlicht ist, um
der Bevölkerung Einsicht zu gewähren. Am 30. März wird es im Parlament
debattiert und verabschiedet, [1][denn die Sozialisten regieren mit
absoluter Mehrheit]. Die Maßnahmen sollen „das Wohnraumproblem
vollumfänglich bewältigen“, sagt der portugiesische Ministerpräsident
António Costa.
„Leer stehende Wohnimmobilien können im Rahmen öffentlicher
Wohnungsbauprogramme von Kommunen zwangsangemietet und weitervermietet
werden“, heißt es im veröffentlichten Gesetzestext. Die
Gemeindeverwaltungen können künftig auffordern, die leerstehenden Wohnungen
zu vermieten. Den Wohnungseigentümern werden 100 Tage gewährt. Verstreicht
diese Frist, übernimmt die Gemeinde die Immobilie und vermietet sie. Diese
Mieten dürfen nie mehr als 35 Prozent des Familieneinkommens betragen. In
Härtefällen springt der Staat mit Wohngeld ein.
Die Einkünfte aus den zwangsvermieteten Wohnungen werden an den Eigentümer
abgeführt. Sollten Renovierungsarbeiten notwendig sein, werden sie
abgezogen. Ausgenommen sind Zweitwohnungen, die Wohnungen von Portugiesen,
die im Ausland leben und arbeiten sowie Wohnungen, die zum Verkauf stehen.
Insgesamt stehen in Portugal 723.215 Wohnungen leer, die jetzt dem
Mietmarkt zugeführt werden sollen. Außerdem sollen knapp drei Milliarden
Euro aus dem EU-Fond Next Generation für Wohngeld für bedürftige Familien
und den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt werden.
## 77 Prozent Mietsteigerung seit 2010
Erstmals seit der Liberalisierung der Mieten 1985 wird jetzt der Preis für
Wohnraum wieder reguliert. Mietpreissteigerungen werden mit dem neuen
Gesetz an die allgemeine Preissteigerungsrate angebunden.
Ein Blick auf die Statistik zeigt, wo das Problem genau liegt. In den
Jahren von 2010 bis 2022 stiegen die Mietpreise um 77 Prozent, die Löhne
nur um 30 Prozent. In Lissabon sind heute die Wohnungen mindestens so teuer
wie in Madrid, Mailand oder Barcelona, und das bei einem wesentlich
geringeren Lohnniveau. Der Mindestlohn in Portugal liegt bei 760 Euro im
Monat bei 14 Zahlungen. Im ärmsten westeuropäischen Land verdient rund ein
Drittel der Beschäftigten diesen Mindestlohn.
65 Prozent der unter 30-Jährigen verdient monatlich weniger als 1.000 Euro.
Wer einen Blick in die Immobilienportale wirft, stellt fest, dass es in
Lissabon oder Porto keine Wohnungen für solche Einkommen gibt. In Portugal
zieht man durchschnittlich mit 33,6 Jahren von zu Hause aus.
## 60 Prozent der Wohnungen sind Touristenwohnungen
Der Druck auf den Wohnungsmarkt hat zwei Hauptursachen. Vor allem in den
[2][Großstädten wie Lissabon und Porto] wurden immer mehr Wohnungen zu
Touristenunterkünften umfunktioniert. In manchen Stadtteilen Lissabons sind
über 60 Prozent der Wohnungen Touristenwohnungen. Diesem Trend soll nun mit
dem Stopp der Vergabe neuer Lizenzen Einhalt geboten werden.
Hinzu kommt das „goldene Visum“. Wer mindestens 500.000 Euro in Immobilien
und Unternehmen investiert oder als Kapital mitbringt, darf seit 2012 mit
einem Visum rechnen. Rund 12.000 Visa wurden seitdem vergeben. Die
Begünstigten kommen vor allem aus China, Brasilien, der Türkei und auch aus
Russland. 92 Prozent von ihnen haben in Wohnungen investiert.
Arbeitsplätze, wie beabsichtigt, wurden kaum geschaffen. Nur 22 der vom
goldenen Visum Begünstigten schufen Arbeitsplätze. Insgesamt entstanden in
all den Jahren, nach Angaben der Fremdenpolizei (SEF), gerade einmal 280
Jobs. Immer wieder wurde der Verdacht laut, dass viele der Investoren
eigentlich Geldwäsche betrieben. Jetzt wird das goldene Visum abgeschafft.
16 Mar 2023
## LINKS
[1] /Sozialisten-gewinnen-Wahl-in-Portugal/!5832566
[2] /Linksregierung-gegen-steigende-Preise/!5602979
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Portugal
Recht auf Wohnung
Wohnungsmarkt
Baubranche
Kolumne Fernsicht
Portugal
Antonio Costa
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