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# taz.de -- Weniger Aufträge, sinkende Preise: Schockstarre in der Bauwirtscha…
> Erstmals seit 2010 fallen die Preise für Wohnimmobilien. Zugleich stoppen
> die Auftraggeber wegen hoher Inflation und steigender Zinsen Projekte.
Bild: Hier entsteht das neue Stadtquartier Hamburg-Ottensen
Berlin rtr | Die Auftragskrise in der deutschen Baubranche hat sich mit dem
schlechtesten Jahresauftakt seit 14 Jahren verschärft. Das Neugeschäft im
Bauhauptgewerbe fiel im Januar inflationsbereinigt um 5,8 Prozent schwächer
aus als im Vormonat, [1][wie das Statistische Bundesamt am Freitag
mitteilte]. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es sogar einen
Auftragsschwund von 21,0 Prozent. „Einen größeren Rückgang zum Jahresbeginn
hatte es zuletzt im Januar 2009 gegeben“, betonten die Statistiker. Damals
hatte das Minus 21,8 Prozent betragen.
Als Ursache für die sinkende Nachfrage gelten steigende Zinsen und höhere
Baukosten. „Die Investoren treten zu Jahresbeginn auf die Bau-Bremse“,
sagte der Hauptgeschäftsführer der Bauindustrie, Tim-Oliver Müller. „Die
starken Preis- und Zinssteigerungen haben die Verunsicherung weiter
verstärkt.“ Die „Schockstarre“ müsse sich bald lösen, da die
Auftragsbestände nicht mehr lange reichten, um die Unternehmen auszulasten.
Die Flaute schlägt mittlerweile auf den Umsatz durch. Dieser fiel im
Bauhauptgewerbe im Januar um real 9,5 Prozent niedriger aus als ein Jahr
zuvor. Auch der Auftragsbestand nimmt ab. Am Jahresende 2022 lag er real um
4,5 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Nicht inflationsbereinigt
summierte sich das Volumen auf 68,3 Milliarden Euro. Am stärksten ging der
reale Auftragsbestand im Wohnungsbau zurück: Er brach hier um 9,3 Prozent
ein. „Dies war der erste Rückgang in dieser Bauart in einem Kalenderjahr
seit 2009“, hieß es dazu. Die Abwärtsdynamik habe sich dabei im
Jahresverlauf verschärft.
## Immobilienpreise fallen erstmals seit 12 Jahren
Auch die Preise für Wohnimmobilien sind Ende 2022 erstmals seit zwölf
Jahren gefallen. Sie sanken von Oktober bis Dezember um durchschnittlich
3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das ist der erste Rückgang
seit Ende 2010, als es ein Minus von 0,5 Prozent gegeben hatte.
Noch stärker hatten sich die Kaufpreise für [2][Wohnungen sowie Ein- und
Zweifamilienhäuser] zuletzt im ersten Quartal 2007 mit 3,8 Prozent
verringert. Gemessen am dritten Quartal 2022 sanken die Preise um
durchschnittlich 5,0 Prozent. „Ausschlaggebend für den Rückgang der
Kaufpreise dürfte eine gesunkene Nachfrage infolge gestiegener
Finanzierungskosten und der anhaltend hohen Inflation sein“, erklärten die
Statistiker.
2022 insgesamt stiegen die Preise für Wohnimmobilien allerdings weiter, da
es in den ersten drei Quartalen noch Zuwächse gab: Im Jahresdurchschnitt
zogen sie um 5,3 Prozent an. 2021 hatte es mit plus 11,5 Prozent noch den
stärksten Anstieg seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000 gegeben.
Sowohl in den Städten als auch in den ländlichen Regionen waren zum
Jahresausklang größtenteils Rückgänge zu verzeichnen. „Dabei sanken die
Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser stärker als die für
Eigentumswohnungen“, so die Statistiker. So verbilligten sich Ein- und
Zweifamilienhäuser beispielsweise in den kreisfreien Großstädten um 5,9
Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal, während die Preise für
Eigentumswohnungen in diesen Städten lediglich um 1,0 Prozent abnahmen.
In den dünn besiedelten ländlichen Kreisen waren Ein- und
Zweifamilienhäuser 5,5 Prozent günstiger zu haben, Eigentumswohnungen
dagegen mit plus 0,1 Prozent minimal teurer. In den Metropolen Berlin,
Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf gingen
die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser um 2,9 Prozent zurück, für
Wohnungen musste 1,6 Prozent weniger gezahlt werden.
Die Überbewertungen bei den Preisen für Wohnimmobilien haben im vergangenen
Jahr der Bundesbank zufolge angehalten. In den Städten lagen die
Wohnimmobilienpreise 2022 immer noch zwischen 25 und 40 Prozent über dem
gerechtfertigten Niveau, wie deren Ökonomen herausfanden.
## Bundesregierung gibt Ziel auf
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung hat die Bundesregierung [3][ihr Ziel
aufgegeben, dass jährlich 400.000 Wohnungen gebaut werden]. Experten
zufolge ist die Lage am Immobilienmarkt derzeit dramatisch: Demnach fehlen
in den nächsten Jahren rund 700.000 Wohnungen.
Wirtschaft und Gewerkschaften fordern von der Bundesregierung eine stärkere
staatliche Förderung. Die Politik müsse sich stärker auf die
Nachverdichtung im Bestand fokussieren, um bezahlbaren neuen Wohnraum
gerade in den Ballungsräumen zu schaffen, rät das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW).
24 Mar 2023
## LINKS
[1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/03/PD23_115_441.h…
[2] /Klimafreundliche-Baupolitik/!5914032
[3] /Wohnungsmangel-in-Deutschland/!5913003
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