# taz.de -- Grüne Minister in Lateinamerika: Große Ambitionen, laute Kritik | |
> Habeck und Özdemir sind in Lateinamerika unterwegs. Vor allem Brasilien | |
> brauchen die Grünen für ihre ökologische Transformation. | |
Bild: Auf gemeinsamer Mission: Habeck und Özdemir | |
taz Fast fünf Tage sind Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und | |
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir in Brasilien und Kolumbien unterwegs – | |
eine ungewöhnlich lange Auslandsreise. Das zeigt die enorme Bedeutung des | |
Besuchs, zumindest aus deutscher Sicht. Laut eigener Aussage wollen die | |
Grünen-Politiker gleichzeitig wirtschaftliche und klimapolitische | |
Interessen vorantreiben. | |
Vor dem Abflug hatte Habeck angekündigt, „grüne Wertschöpfungsketten für | |
mehr Wohlstand und Klimaschutz“ aufbauen zu wollen. Dann ließ er sich | |
zusammen mit dem Bürgermeister der brasilianischen Millionenstadt Belo | |
Horizonte beim Spatenstich einer neuen Wasserstofffabrik ablichten und | |
sprach bei der Eröffnung der deutsch-brasilianischen Wirtschaftstage von | |
einer „grünen Brücke über den Atlantik“. | |
Gerade Brasilien spielt dabei eine große Rolle. Das | |
200-Millionen-Einwohnerland beherbergt nicht nur den Großteil des | |
Amazonasregenwaldes, sondern ist auch ein wichtiger Wirtschaftsstandort mit | |
großen Rohstoffvorkommen und viel Potenzial für erneuerbare Energien. Die | |
deutschen Minister wollen das Land zu einem zentralen Partner für die | |
ökologische Transformation Europas machen, Habeck nannte Brasilien einen | |
„Premiumpartner“ für die deutsche Wirtschaft. | |
Der Zeitpunkt der Reise ist kein Zufall. [1][Am 1. Januar 2023 wurde Luiz | |
Inácio „Lula“ da Silva vereidigt.] Der Sozialdemokrat will die Bekämpfung | |
der Abholzung und der Klimakrise zu einer Priorität machen und damit mit | |
der Umweltpolitik seines Vorgängers Jair Bolsonaro brechen. Außerdem will | |
er Kontakte in das Ausland wiederaufbauen, die von Bolsonaro zerstört | |
wurden. | |
In diesem Jahr besuchten bereits Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, | |
Umweltministerin Steffi Lemke und Bundeskanzler Olaf Scholz das Land. „Ich | |
jedenfalls kann Tränen in die Augen bekommen, dass eine Regierung das Ruder | |
so rumreißt“, erklärte Habeck. Lula scheint der perfekte Partner zu sein, | |
auf den ersten Blick zumindest. | |
## Kritik an Mercosur-Abkommen | |
Noch etwas soll Thema auf der Reise werden: Das [2][EU-Mercosur-Abkommen]. | |
Seit 1999 verhandelt die EU mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und | |
Uruguay. Mit dem Abkommen würde die größte Freihandelszone der Welt | |
entstehen. Der Vertrag steht, ist aber noch nicht ratifiziert, auch weil in | |
den letzten Jahren Bolsonaro mit seiner Regenwaldpolitik im Weg stand. | |
Habeck sagte, die Finalisierung wäre sein „Ziel“. | |
Doch es gibt viel Kritik an dem Vertrag. In Europa fürchten Bauernverbände | |
um ihre Konkurrenzfähigkeit, sollte durch wegfallende Zölle günstiges | |
Fleisch aus Brasilien importiert werden. Auch Umwelt- und | |
Menschenrechtsverbände wie das Netzwerk Gerechter Welthandel sprechen sich | |
gegen die Ratifizierung des Abkommens aus. | |
„Das EU-Mercosur-Abkommen fördert Produkte, die der Natur und dem Klima | |
schaden, wie Rindfleisch, Pestizide und Verbrennerautos“, sagt | |
Greenpeace-Handelsexpertin Lis Cunha. „Damit befeuert dieser Deal die | |
Klimakrise und das massive Artensterben weiter.“ Greenpeace fordert die | |
Bundesregierung auf, „diesen veralteten, schädlichen Giftvertrag | |
abzulehnen“. Mit entsprechenden Plakaten standen Greenpeace-Aktivist*innen | |
auch vor dem Tagungsort der Wirtschaftstage in Belo Horizonte. | |
Trotz aller Kritik rechnen Expert*innen mit einer Ratifizierung in der | |
zweiten Jahreshälfte. Mit Zusatzverträgen sollen Bedenken ausgeräumt | |
werden: Brüssel will zusätzliche Auflagen für den Umweltschutz aushandeln, | |
die südamerikanischen Länder wollen ihre Wirtschaften besser schützen. | |
Am Montag reiste die deutsche Delegation weiter in die brasilianische | |
Hauptstadt Brasília. Nach einem Zwischenstopp in der Amazonasmetropole | |
Manaus sollte es nach Kolumbien weitergehen. Dort will der linke Präsident | |
Petro, die Erdöl- und der Kohleförderung komplett beenden. Das halten | |
Expert*innen jedoch für unwahrscheinlich, da die Wirtschaft abhängig vom | |
Export von fossilen Energieträgern ist – unter anderem nach Deutschland. | |
14 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Amtseinfuehrung-von-Lula-da-Silva/!5905901 | |
[2] /EU-Abkommen-mit-Mercosur-Staaten/!5892995 | |
## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
## TAGS | |
Mercosur | |
Brasilien | |
Kolumbien | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Paraguay | |
China | |
Brasilien | |
China | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Klimakrise in Brasilien: Schlammige Ungleichheit | |
Bei einer Starkregen-Katastrophe an der Südostküste verloren mehr als 2.000 | |
Menschen im Februar ihr Zuhause. Viele warten bis jetzt auf Entschädigung. | |
Neuer Präsident in Paraguay: Triumph der Colorados | |
Paraguay hat Santiago Peña als neuen Präsidenten gewählt. Die Opposition | |
bringt ihn mit Korruption und der Mafia in Verbindung. | |
Brasiliens Präsident auf China-Reise: Lulas Drahtseilakt in Peking | |
Beim Staatsbesuch von Brasiliens Präsidenten in China geht es um Geschäfte | |
– aber auch um die Verschiebung der globalen Machtverhältnisse. | |
Überschwemmungen und Erdrutsche: Tote in Brasilien wegen Starkregen | |
Im Bundesstaat São Paulo sind Dutzende Wohnhäuser von Wassermassen zerstört | |
worden. Seit Samstag hatte es schwere Regenfälle gegeben. | |
Handel zwischen Europa und Südamerika: Wettbewerb mit China reicht nicht | |
Die Ampelkoalition will Handelsabkommen vorantreiben, um Peking | |
auszubooten. Das ist paternalistisch. Eher muss Wirtschaften neu gedacht | |
werden. | |
Weltklimakonferenz COP27: 2 Milliarden für mehr Waldschutz | |
Kanzler Scholz sagt bei der Weltklimakonferenz mehr Geld für Waldschutz zu. | |
Deutschland beteiligt sich auch beim Schutzschirm gegen Klimaschäden. |