| # taz.de -- Protest gegen Rentenreform in Frankreich: Machtprobe von unten | |
| > Am 6. Aktionstag gegen die Rentenreform mobilisieren Frankreichs | |
| > Gewerkschaften mit harten Streiks und Blockaden noch mehr Menschen. | |
| Bild: Viele Hunderttausende protestieren in ganz Frankreich, hier Marseille, ge… | |
| Paris taz | Im Unterschied zur Regierung, die scheinbar unbeirrt von der | |
| Kritik und unbeeindruckt von den Protesten an ihrer umstrittenen | |
| [1][Rentenreform] festhält, verfügen die Gewerkschaften, | |
| Jugendorganisationen und linken Oppositionsparteien, die diese Vorlage als | |
| [2][ungerechte soziale Verschlechterung] einhellig ablehnen, noch über | |
| Mittel und Kapazitäten für eine Eskalation in diesem Konflikt. Das hat die | |
| sechste Auflage der Aktionstage und Generalstreiks an diesem Dienstag | |
| bestätigt. | |
| Das Motto lautete dieses Mal, das Land mit härteren Streiks, Blockaden und | |
| massiven Demonstrationen „zum Stillstand“ zu bringen. Mit einer solchen | |
| Radikalisierung hatten die Gewerkschaften der Regierung zuerst bloß | |
| gedroht, da diese aber auf dieses [3][Ultimatum] nicht reagierte, haben die | |
| vereinten Dachverbände der öffentlichen und privaten | |
| Arbeitnehmer*innen nun Ernst gemacht. Sie haben gezeigt, dass sie | |
| bereit sind, weiter zu gehen, um die Staatsführung zu zwingen, ihre derzeit | |
| im Senat debattierte Vorlage zurückzuziehen. | |
| Effektiv lahmgelegt waren weder die Volkswirtschaft noch die öffentlichen | |
| Dienste, trotzdem war das Ultimatum keine leere Drohung: Der öffentliche | |
| Verkehr kam ab Montagabend tatsächlich weitgehend zum Erliegen. Sogar die | |
| Verbindungen der internationalen TGV-Züge, die sonst auch bei Bahnstreiks | |
| aufrechterhalten werden, waren dieses Mal fast ebenso stark betroffen wie | |
| der regionale Verkehr. | |
| Oft war schon klar, dass streikendes Bahnpersonal auf lokalen Versammlungen | |
| die Fortsetzung der Arbeitsniederlegung für die kommenden Tage beschließen | |
| würde. Dasselbe gilt auch für die Transportbetriebe in Paris und mehreren | |
| anderen Städten. | |
| ## Auch Seehäfen und Erdölraffinerien blockiert | |
| Ein sichtbares und für die Verkehrsteilnehmer spürbares Zeichen der | |
| Radikalisierung des Konflikts waren zusätzlich die Straßenblockaden: | |
| Bereits am frühen Morgen errichteten Gegner*innen der Reform bei Rennes, | |
| Perpignan, Straßburg oder auch Amiens Sperren. Anderswo fuhren Lkw-Fahrer | |
| im Schneckentempo und provozierten damit Staus. | |
| Auch die meisten Seehäfen und alle Erdölraffinerien waren von Streikenden | |
| blockiert. Viele Hochschulen und auch die Zugänge zu zahlreichen | |
| Mittelschulen wurden – oft mit Billigung der Lehrer*innen – von | |
| Studierenden und Schüler*innen besetzt. Die Jugendorganisationen haben | |
| für Donnerstag weitere Kundgebungen angekündigt. Auch der 8. März soll als | |
| Tag der Frauenrechte in Frankreich dem Widerstand gegen eine besonders | |
| frauenfeindliche Reform dienen. | |
| Über die Zahl der Teilnehmer*innen an den Demonstrationen in mehr als | |
| 300 Städten variieren die Schätzungen wie immer. In [4][Marseille] | |
| beispielsweise waren es laut Gewerkschaften eine Viertelmillion und | |
| jedenfalls viel mehr als am [5][31. Januar], in Paris laut CGT 700.000, in | |
| Bordeaux 100.000 oder in Nantes 75.000, die Polizei dagegen zählte sehr | |
| viel weniger. | |
| In Lyon kam es nach Sachbeschädigungen zu heftigen Zusammenstößen mit der | |
| Polizei, die schließlich zum Rückzug blasen musste. In Paris demonstrierten | |
| laut den Behörden mehrere zehntausend Menschen, laut den | |
| Organisator*innen mehrere hunderttausend. | |
| Bereits am frühen Nachmittag zeichnete sich ab, dass dieser Aktionstag die | |
| bisher größte Mobilisierung im Kampf gegen die von Präsident Emmanuel | |
| Macron gewünschte Rentenreform war. Der Vorsitzende der CGT, Philippe | |
| Martinez, erklärte schon zu Beginn der Pariser Kundgebung den Medien, er | |
| erwarte, dass die Staatsführung mit den Gewerkschaften Verhandlungen über | |
| eine Lösung des Konflikts durch einen Rückzug der Reform aufnehme: „Macron | |
| hat nun die Entscheidung in der Hand. Wie kann er die Welt der Arbeit, die | |
| so geschlossen gegen ihn ist, ignorieren?“ Die Gewerkschaften haben dem | |
| Präsidenten in diesem Sinne einen gemeinsamen Brief geschickt, in dem sie | |
| verlangen, von ihm empfangen zu werden. | |
| Laurent Berger, der Gewerkschaftsboss der CFDT, warnte ebenfalls die | |
| Regierung vor einer Wut der Arbeitnehmer*innen, die mehr denn je „stark und | |
| intakt“ sei und aufgrund der sozialen Unzufriedenheit wegen der Inflation | |
| leicht ausufern könnte. Wie für die Regierung geht es auf der Gegenseite | |
| für die [6][Gewerkschaften] inzwischen um viel mehr als eine strittige | |
| Reformvorlage: um ihre politische Glaubwürdigkeit und Legitimität der | |
| Repräsentation. | |
| 7 Mar 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rentenreform-in-Frankreich/!5919537 | |
| [2] /Proteste-gegen-Macrons-Rentenreform/!5906676 | |
| [3] /Millionen-demonstrieren-in-Frankreich/!5915096 | |
| [4] https://www.facebook.com/watch/?v=1845639659124996 | |
| [5] /Generalstreik-in-Frankreich/!5912006 | |
| [6] /Generalstreik-in-Frankreich/!5910577 | |
| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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