Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Kunst der Woche: Das große Zweimalzwei
> Bei Ernie Wang und Joe Highton ist den Pflanzen nicht zu trauen. Ambra
> Durante und William N. Copley zeichnen, wie es ihnen gefällt.
Bild: Ernie Wangs Keramiken wirken nur auf den ersten Blick lieblich. So wie hi…
Wer im Winter die Ausstellung des [1][Berlin Program for artists] – einem
Mentoringprogramm für junge Künstler*innen – im KW Institute for
Contemporary Art gesehen hat, wird sich an ihn erinnern. Ernie Wang hatte
dort eine herrlich überbordende Keramikinstallation ausgestellt: „Where
Dreams Come True… But You Got Away“ (2022) ein von zartrosa Würmern
durchfressenes Zauberschloss, aus dem aus allen Ecken und Enden lustvolle
Pflanzen sprießen, umrahmt von zwei filigranen Bohnenmobiles.
„My art is like my shopping“, so beschreibt der 1993 in Taiwan geborene
Künstler seine Arbeit in seinem Künstlerstatement. Er schöpft aus der Fülle
alltäglicher Objekte der (Konsum-)Welt, nur dass er sie sich eben nicht in
den Einkaufswagen häuft, sondern von Hand nachtöpfert, oft ein wenig
pastelliger und niedlicher, als sie in echt ausfallen.
Für seine Ausstellung „Garden Problems“ in der [2][Galerie Åplus] hat er
sich mit Joe Highton zusammengetan. Auch Highton hat eine Schwäche für
Objekte, für Dinge, Handwerkszeug und Materialien, wie man sie im Baumarkt,
dem Elektrohandel oder als Industrieabfall findet. Die Skulpturen für die
Ausstellung, die er aus Holz, Metall, Mesh, Ästen, Bändern, Elektronik,
Seilen, Papier, Schrauben, Haken und Farbe zusammengesetzt hat, haben etwas
von Ranken überwuchernden Satellitenschüsseln in irgendeiner vergessenen
Gegend. Oder handelt es sich vielmehr um getarnte Spionagegeräte?
Lieblich, aber bei näherer Betrachtung durchaus auch bedrohlich wirken
daneben die Keramiken von Wang. Aus dem halbgeöffneten Keramikbuch im
vorderen Raum schieben sich gierige Zungen und Tentakel hervor, im hinteren
hat er mehrere Objekte an eine Metallvorrichtung gekettet. Eine kleine
Bombe ist dabei, genau wie mittelalterliche Morgensterne. Und könnte nicht
der Blumentopf dazwischen auch als Waffe gebraucht werden? Den Pflanzen ist
bei Highton und Wang besser nicht zu trauen.
Statt eines Galerietextes haben die beiden Künstler einen Song geschrieben,
der den Titel der Ausstellung trägt. Um Unkrautwildwuchs, Schädlingsbefall,
morsche Sträucher oder was man sich sonst so spontan unter „Garden
Problems“ vorstellen könnte, geht es da ebenfalls weniger. Eher um das
zarte Pflänzchen der Liebe in Zeiten der Unsicherheit und übermäßigen
Bildschirmnutzung.
## Bild trifft Schrift trifft Strich
Von letzterer ist auch in der Kunst von Ambra Durante die Rede. Die erst
2000 geborene Künstlerin zeichnet verschachtelte Bild-Schrift-Geschichten,
für die man den Kopf hin und her bewegen muss und die vom Dasein im Hier
und Jetzt, vom Alleinsein und Beisammensein, vom Traurigsein und
Beisichselbstsein erzählen. Da geht es eben auch um Screentime, um das
Impostorsyndrom, um Vergangenheit und Zukunft, Erwartungserwartungen und
deren Enttäuschung, kleine und große Dramen, die Durante dennoch stets mit
einer gewissen Leichtigkeit und feinem Witz auf ihr Zeichenmaterial bringt.
Dieses kann bei ihr alles Mögliche sein, akkurat ausgeschnittene
Papierbögen oder irgendwelche Zettel oder Kartonstücke.
In der Ausstellung „Enfant Terrible“ der [3][Galerie Friese] trifft sie auf
William N. Copley, was recht gut aufgeht. Durante wirkt in der
Gegenüberstellung tatsächlich wie eine Schwester im Geiste Copleys: in der
Einfachheit manch einer Strichzeichnung, der Art und Weise, wie Schrift und
Bild kombiniert werden – bei Copley etwa im Gemälde „Je m’en fou“ (196…
in der Benutzung von Symbolen, die es zu entziffern gilt und in der
Beobachtungsgabe für die Verhältnisse ihrer Zeit, die sich in den Bildern
manifestiert. Die Ausstellung gibt beiden Positionen ihren Raum, mischt sie
nicht durch, so dass man sich auf jede von ihnen gebührend einlassen kann.
Was man nicht nur bei Durante, sondern auch in den Räumen, in denen Gemälde
und Zeichnungen von Copley hängen, unbedingt tun sollte. Fantastische Werke
sind da dabei, „Towering Inferno“ (1975) etwa, Öl auf Leinwand: eine
kopulierende Truppe, nonchalant zensiert mit schwarzen Balken, die genauso
aussehen wie die Steine der Mauer hinter ihnen. Oder „See Yourself as
Lovers See You“ (1987), ebenfalls Öl auf Leinwand, ein Bild, auf dem
Copleys Affinität zu Surrealismus und Dadaismus, zur Kunst von unter
anderem René Magritte, Francis Picabia und Marcel Duchamps und seine eigene
Interpretation dieser Referenzen besonders deutlich zum Ausdruck kommt.
Am Ende bleibt die Frage, ob es sich denn nun bei den beiden um Entfants
terribles handelt, wie es der Ausstellungstitel nahelegt. Je nach Auslegung
des Begriffs sicherlich. Copleys Sonderstellung in der Kunst des
vergangenen Jahrhunderts, als Künstler, Freigeist, Autodidakt und
Multiplikator ist unbestritten.
Und auch Durante verweigert sich den altbekannten Kategorien, eine
Kunsthochschule hat auch sie nie besucht, neben der Bildenden Kunst widmet
sie sich auch dem Schreiben und Musik machen. Die Antwort gibt sie zudem
gleich selbst „Je suis un enfant terrible“ hat sie mit Textilmarker hinten
im Nacken auf ein weißes Hemd geschrieben, die erste Arbeit, die einem nach
dem Betreten der Galerie begegnet.
24 Mar 2023
## LINKS
[1] /Mentoren-zum-Karriereanschub/!5572889
[2] https://www.xn--plus-poa.de/
[3] https://www.galeriefriese.de/
## AUTOREN
Beate Scheder
## TAGS
taz Plan
Berliner Galerien
Skulptur
Zeichnung
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
Kunst Berlin
taz Plan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Kunst der Woche für Berlin: Die Liebe zur Macht
Yalda Afsah lässt bei Between Bridges Tiere und Menschen aufeinander los.
Frieda Toranzo Jaeger öffnet bei Barbara Weiss Herzen und Autotüren.
Die Kunst der Woche in Berlin: Da und Sein
Bei Russi Klenner collagiert Noa Yekutieli Bilder ihrer Identität. Plan B
weihen mit Adrian Ghenie ihre neuen Räume am Strausberger Platz ein.
Die Kunst der Woche in Berlin: Das Traumgesicht der Städte
Max Hetzler zeigt frühe Fotoarbeiten von Thomas Struth, CFA zeigt frühe
Malerei von Christa Dichgans. Robert Berghoff arbeitet derweil mit
Fotopaaren.
Die Kunst der Woche: Fantastische Straße
Hendrik Krawen verzweigt Straßen und Buchstaben bei Kewenig. „Drängende
Gegenwart“ beim European Month of Photography zeigt überlegte Fotografie.
100 Fotografie-Ausstellungen in Berlin: Fenster auf und Zunge raus
Der 10. Europäische Monat der Fotografie zeigt Fotokunst in 100
Ausstellungen. Doch wie autonom ist die Fotografie heute?
Die Kunst der Woche: Wo die Liebe hinfällt
Eine Gruppenausstellung in der Galerie Molitor erkundet Kunst als Werk der
Liebe, Isabella Bortolozzi verkuppelt Chakaia Booker mit Carol Rama.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.