| # taz.de -- Wiederannäherung in Ostasien: Brüchiger Neustart mit Reisomelett | |
| > Das Treffen der Regierungschefs von Japan und Südkorea soll die endlose | |
| > Fehde um Ex-Zwangsarbeiter beilegen. Doch gibt es Zweifel am Erfolg. | |
| Bild: Premier Fumio Kishida und President Yoon Suk Yeoul am Donnerstag in Tokio | |
| Tokio taz | Mit ihrem ersten Gipfeltreffen seit zwölf Jahren haben Japan | |
| und Südkorea einen Streit über die Entschädigung von Zwangsarbeitern | |
| während Japans Kolonialherrschaft (1910-1945) vorläufig beendet. Präsident | |
| Yoon Suk-yeol und Premier Fumio Kishida beschlossen in Tokio einen Neustart | |
| bilateraler Beziehungen und kündigten neue Gespräche über wirtschaftliche | |
| Sicherheit etwa zur Chipversorgung und eine engere Militärkooperation an. | |
| Die jährliche Pendeldiplomatie wird wieder aufgenommen. | |
| Kishida erklärte, Japan sei „glücklich über das neue Kapitel“ in den | |
| Beziehungen. Yoon nannte beide als „Partner, die bei Sicherheit, Wirtschaft | |
| und globalen Agenden kooperieren müssen“. Am Abend besuchten die zwei | |
| Politiker ein Restaurant für Omu-Reisu: Der mit Omelett bedeckte Bratreis | |
| mit Ketchup-Soße ist Yoons Lieblingsgericht. | |
| Kishida und Yoon wagen viel, obwohl sie jeweils unbeliebt sind. Ihre | |
| Entspannungsdiplomatie beruht auf der Einsicht, dass Seoul und Tokio sich | |
| besser gemeinsam auf die Krisen vor ihren Haustüren einstellen sollten, | |
| statt ständig historisch zurückzuschauen. Als US-Verbündete wollen beide | |
| Länder die Hightech-Exporte nach China eindämmen und sich auf Chinas | |
| Bedrohung von Taiwan vorbereiten. Und sie beunruhigt Nordkoreas Atom- und | |
| Raketenrüstung. | |
| Wie zur Bestätigung feuerte das Regime in Pjöngjang Stunden vor dem Besuch | |
| eine atomwaffenfähige Langstreckenrakete ab. Der dritte Waffentest in | |
| dieser Woche richtete sich wohl auch gegen [1][gemeinsame Militärmanöver | |
| der USA mit Südkorea]. | |
| ## Eisbrecher Yoon Suk-yeol | |
| Yoon hatte das Eis als erster gebrochen und letzte Woche [2][einen Fonds | |
| angekündigt], der Ex-Zwangsarbeiter und Hinterbliebene entschädigen soll. | |
| Dafür sollen nur südkoreanische Firmen Geld spenden. Damit ignorierte Yoon | |
| ein Urteil von Südkoreas Oberstem Gerichtshof von 2018, wonach zwei | |
| japanische Unternehmen mehrere Ex-Zwangsarbeiter entschädigen müssen. Tokio | |
| betrachtet das hingegen seit einem Vertrag mit Seoul von 1965 als | |
| abgeschlossen. | |
| Aus Verärgerung über das südkoreanische Urteil verhängte Japans damaliger | |
| Premier Shinzo Abe im Juli 2019 Exportkontrollen für Materialien zur | |
| Herstellung von Chips und Displays in Südkorea. Darauf standen beide Länder | |
| kurz vor dem Abbruch ihrer diplomatischen Beziehungen. | |
| Nun hob Japan diese Exportkontrollen direkt vor dem Spitzengespräch auf. | |
| Seoul wiederum will den Antrag auf das Schlichtungsverfahren über diesen | |
| Streit bei der Welthandelsorganisation zurückziehen. | |
| Die Annäherung hat jedoch weder in Japan noch Südkorea viel Beifall | |
| gefunden. Denn schon einmal wurde die Gründung eines Entschädigungsfonds | |
| durch einen konservativen Präsidenten zunächst als Durchbruch gefeiert. Das | |
| Regierungsabkommen von 2015 sollte einen Schlussstrich unter die | |
| Versklavung südkoreanischer sogenannter „[3][Trostfrauen]“ in damaligen | |
| Bordellen von Japans kaiserlicher Armee im Zweiten Weltkrieg ziehen. | |
| ## Die Art der Annäherung bleibt umstritten | |
| Doch der nächste Präsident Moon Jae-in stampfte den Fonds ein, weil die | |
| noch lebenden Ex-Zwangsprostituierten nicht gefragt worden seien. Ein | |
| ähnliches Schicksal droht dem neuen Fonds, weil er in beiden Ländern | |
| komplett unterschiedlich wahrgenommen wird. | |
| Aus südkoreanischer Sicht handelt es sich um ein großes Zugeständnis an | |
| Japan, weil weder die Regierung in Tokio noch die verurteilten Unternehmen | |
| Geld zahlen müssen. Daher waren in einer Umfrage 59 Prozent der Südkoreaner | |
| gegen den Plan. | |
| Die linksliberale Opposition sprach gar von der „größten Demütigung unserer | |
| Geschichte“. Eine Gruppe von Ex-Zwangsarbeitern, die den Fonds ablehnen, | |
| verklagte am Donnerstag Mitsubishi Heavy auf Schadenersatz. | |
| ## Yoons Entgegenkommen bestätigt Tokios bisherige Haltung | |
| Währenddessen fühlt sich Tokio in seiner Rechtsansicht bestätigt, dass | |
| Japan vor 58 Jahren mit der Zahlung von 800 Millionen Dollar alle | |
| Kriegsfolgen abgegolten hat. Yoons Regierung schließt sich dieser | |
| Darstellung letztlich an, weil jene südkoreanischen Unternehmen wie der | |
| Stahlriese Posco, die damals japanisches Geld erhielten, nun in den | |
| Entschädigungsfonds einzahlen sollen. | |
| Zum Ausgleich überlegt Japan mit Spenden japanischer Unternehmen einen | |
| eigenen Fonds einzurichten, der Jugend- und Kulturaustausch zwischen den | |
| Ländern finanzieren würde. | |
| 16 Mar 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Fritz | |
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