# taz.de -- Koalitionspläne für Wahlrechtsreform: Dann lieber ganz radikal | |
> Durch die Wahlrechtsreform könnten flächendeckend Wahlkreise ohne | |
> Direktmandat bleiben. Da wäre es besser, das Zwei-Stimmen-Prinzip ganz | |
> abzuschaffen. | |
Bild: Der Bundestag muss kleiner werden, aber nicht auf Kosten der kleinen Part… | |
Ein Bundestag ohne CSU hätte diesem Land viel erspart. Kein Franz Josef | |
Strauß, der als Verteidigungsminister die Polizei in die Spiegel-Redaktion | |
schickte. Kein Karl-Theodor zu Guttenberg, der nichts als eine vermurkste | |
Bundeswehrreform hinterließ. Und kein Andreas Scheuer, der als | |
Verkehrsminister der Großen Koalition darauf bedacht war, möglichst große | |
Teile seines Etats nach Bayern umzuleiten. | |
Die Aussicht, dass die CSU aus der Bundespolitik verschwinden könnte, ist | |
mit Blick auf ihre politische Bilanz also einerseits verlockend. Trotzdem | |
ist der neueste Plan der Ampelkoalition für das Wahlrecht gefährlich. Der | |
am Sonntag publik gewordene Entwurf der Regierungsfraktionen könnte die | |
Demokratie beschädigen. Anders als [1][in bisherigen Entwürfen] fehlt in | |
[2][den neuen Plänen zur Wahlrechtsreform] die sogenannte | |
Grundmandatsklausel. Erste Medienberichte haben die Auswirkungen zum Teil | |
verkannt. Ihnen zufolge entfiele nur die geltende Regelung, wonach eine | |
Partei, die mindestens drei Wahlkreise gewinnt, auch dann in | |
Fraktionsstärke ins Parlament einzieht, wenn sie bundesweit unter 5 Prozent | |
bleibt. | |
Schon das hätte ein Geschmäckle gehabt: 2021 hat es die Linkspartei nur | |
wegen dieser Klausel noch mal mit mehr als drei Abgeordneten in den | |
Bundestag geschafft. Die Ampel stünde also im Verdacht, sich gezielt der | |
linken Opposition entledigen zu wollen. Grundsätzlich hätte sich die | |
Streichung aber doch noch einigermaßen schlüssig begründen lassen können: | |
Warum muss ein gewonnener Wahlkreis in Ostberlin dazu führen, dass ein | |
Kandidat aus dem Schwarzwald ein Mandat erhält? | |
Tatsächlich sind die Konsequenzen des neuen Entwurfs aber weitreichender: | |
Eine Partei, die unter 5 Prozent bleibt, dürfte künftig nicht mal ihre | |
gewonnenen Wahlkreise behalten. Die Linke säße also nicht mal mehr mit | |
ihren drei direkt gewählten Abgeordneten im Bundestag. Und für die Zukunft | |
ist denkbar, dass die CSU zwar weiterhin Dutzende Wahlkreise gewinnt, aber | |
trotzdem kein Mandat erhält: Auf den Bund hochgerechnet landete sie schon | |
2021 nur knapp über der Fünfprozenthürde. | |
Auch die [3][ursprünglichen Reformpläne der Ampel] hätten zur Folge gehabt, | |
dass einzelne Wahlkreissieger ohne Mandat bleiben. Ein Makel, aber | |
akzeptabel angesichts des Ziels, [4][den Bundestag auf halbwegs gerechte | |
Weise zu verkleinern]. Der neue Plan könnte jedoch dazu führen, dass | |
flächendeckend Wahlkreise ohne Direktmandat bleiben. Das geht so sehr gegen | |
die Intuition, dass es sogar besser wäre, das Wahlrecht noch radikaler zu | |
reformieren – und die Wahlkreise und somit das 2-Stimmen-Prinzip ganz | |
abzuschaffen. | |
13 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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