# taz.de -- Festivalmacherin zum Umgang mit dem Tod: „Da fehlt das Pathos vö… | |
> Ein Festival in Bremen nähert sich dem Tod auf künstlerische Art, mit | |
> Pathos und Witz. „Tausend Tode“-Organisatorin Katrin Hylla erklärt den | |
> Ansatz. | |
Bild: Anlaufstelle für Trauernde: Ein altes Grabkreuz auf einem Friedhof | |
taz: Die meisten Menschen hierzulande [1][verdrängen das Thema] Tod ja | |
lieber. Warum machen Sie gleich ein ganzes Festival daraus, Frau Hylla? | |
Katrin Hylla: Genau deswegen! Die Präsenz des Themas ist ja allen bewusst – | |
wir sprechen aber nicht darüber. Es gibt auch wenig Räume, in denen es die | |
Möglichkeit gibt, sich darüber auszutauschen. Auf dem Festival kann darüber | |
reflektiert werden, ohne dass es gleich ans Eingemachte gehen muss. | |
Soll das Theater ersetzen, wofür es sonst Kirchen und Selbsthilfegruppen | |
gibt? | |
Nein! Wir sind ja keine Therapeut*innen und sehen uns nicht in der | |
Lage, alles aufzufangen, was bei dem Thema womöglich zum Vorschein kommt. | |
Wir konzentrieren uns deshalb auf künstlerische Performances – obwohl es | |
auch Gespräche geben wird. | |
Im Theater kommt der Tod oft mit Pathos daher. Ist das bei Ihnen anders? | |
Es gibt da sehr unterschiedliche Positionen. Es gibt eine Arbeit, die mit | |
dem Pathos des Heldentodes spielt, die „6,5 heldentode“ von Hanna | |
Steinmair. Da wird mit einem Augenzwinkern darauf geguckt, wie männliches | |
Sterben inszeniert wird. Aber wir haben genauso Arbeiten, die mit einer | |
angenehmen Sachlichkeit über die Versorgung von Leichen und den Umgang mit | |
trauernden Angehörigen sprechen. Ganz anders ist es auch bei David | |
Weber-Krebs’ Adaption der Tolstoi-Erzählung „Der Tod des Iwan Ilijitsch“: | |
Da fehlt das Pathos völlig. Da wird sehr still ohne Pomp gestorben. | |
„Die Bestattungspraxis in Deutschland ist von Klassismus geprägt“, sagen | |
Sie. Inwiefern? | |
Dazu gibt es eine Lesung der Kulturanthropolog*in Francis Seeck aus dem | |
Buch „Recht auf Trauer – Bestattungen aus machtkritischer Perspektive“. Es | |
geht um ordnungsbehördliche Bestattungen von Menschen, die schon zu | |
Lebzeiten marginalisiert wurden: In Berlin-Neukölln finden monatlich | |
Sammelbeerdigungen im Minutentakt statt, ohne Beisein von Freunden oder | |
Familie. Beerdigungen sind teuer, das muss man sich auch leisten können. | |
Francis Seeck beleuchtet das sehr genau. | |
Regisseur und Autor Boris Nikitin wiederum erzählt die Geschichte der | |
ALS-Erkrankung seines Vaters. Was macht seinen „Versuch über das Sterben“ | |
aus? | |
Als sein Vater die Diagnose bekam, zog er [2][assistierten Suizid] in | |
Erwägung. Das änderte sich aber mit dem Fortschreiten der Krankheit. Da | |
geht es um die Frage: Was macht Lebensfreude aus? Oder wie der Autor sagt: | |
Es geht darum, Leben zu lernen, indem man das Sterben lernt. Menschen, die | |
trauern oder dem Sterben nahe sind, unterbrechen unsere sogenannte | |
Normalität und Funktionalität. | |
Wonach haben Sie diese fünf sehr unterschiedlichen Ansätze ausgesucht? | |
Wir wollten mehrere Perspektiven zeigen und es hat sich angeboten, das auf | |
drei Tage zu konzentrieren. Es gibt natürlich noch viele andere | |
Sichtweisen, die wir gern integriert hätten – aber unsere Möglichkeiten, | |
solche Gastspiele zu finanzieren, sind begrenzt. Wir haben nun zwei | |
sprachlich sehr feine Arbeiten, eine feministische Herangehensweise und | |
Expertinnen, die aus dem [3][Alltag als Bestatterinnen] berichten können. | |
Wollen Sie den Tod näher zu den Menschen bringen? | |
Er ist um Grunde nahe genug, andererseits ist das Thema in der Pandemie | |
noch näher an viele Menschen herangerückt. Auch viele Arbeiten sind in | |
dieser Zeit entstanden. Wir wollen dem Raum geben und die künstlerische | |
Arbeit als eine Möglichkeit, über das Thema zu sprechen, in den Fokus | |
rücken. Die Positionen hier sind zum Teil sehr persönlich und doch so | |
abstrakt, dass viele Menschen darauf einsteigen können. | |
10 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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