# taz.de -- WM-Nachlese im Bundestag: Fußballfeste und ihre Lobbyisten | |
> Die CDU/CSU-Fraktion hat Fragen zum Stadionbesuch der deutschen | |
> Innenministerin bei der WM in Katar, weil Sport nichts mit Politik zu tun | |
> haben soll. | |
Bild: Ärgernis für die Opposition: Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit One… | |
Die CDU/CSU-Fraktion wollte jüngst [1][per Kleiner Anfrage] von der | |
Regierung etwas ganz Wichtiges über die Fußball-WM in Katar wissen: | |
„Inwiefern stimmte sich die Bundesinnenministerin im Vorfeld des Spiels | |
Deutschland–Japan mit Vertretern des DFB hinsichtlich der Entscheidung ab, | |
die ‚One Love‘-Binde zu tragen?“ | |
Dass hinter dieser parlamentarischen Initiative die zwar absurde, | |
mittlerweile aber DFB-offizielle Haltung steckt, dieser Homokram sei | |
verantwortlich für das frühe Ausscheiden der deutschen Mannschaft bei der | |
WM, darf man mit guten Gründen vermuten. Die AfD war schon vorher auf den | |
Unfug gekommen und hatte im Dezember das Gleiche angefragt: „Gab es im | |
Vorfeld des Fußball-WM-Spiels Deutschland gegen Japan am 23. November 2022 | |
Gespräche oder Konsultationen zwischen dem DFB oder Verantwortlichen der | |
deutschen Fußballnationalmannschaft mit Vertretern des | |
Bundesinnenministeriums über das Tragen der sogenannten One-Love-Binde?“ | |
[2][Mit solchen Fragen das Parlament zu nerven, das ist für diese Leute | |
Sportpolitik.] | |
Ressentiments gegen die LGBTQ+-Community eint beide politische Parteien, | |
obwohl beide durchaus schwules und lesbisches Spitzenpersonal haben. Auch | |
die reaktionäre Vorstellung, der Fußball sei etwas, das rein gar nichts mit | |
den Geschehnissen auf dieser Erde zu tun habe, haben AfD und CDU/CSU | |
gemeinsam. | |
Die stellen sich den Sport als eine eigene Welt vor. Einzig dazu | |
geschaffen, damit deutsche Mannschaften besser sind als andere. Wenn aber | |
doch einmal etwas passiert, das nicht in diese dumpfe Vorstellung passt, | |
dann sagen sie: Das hat mit Sport nichts zu tun, das sind Bilder, die wir | |
hier nicht sehen wollen, man darf Politik nicht mit Sport vermischen. | |
Politik ist nämlich pfui und Sport ist hui. Dass CDU/CSU und AfD ganz | |
unbestreitbar Politik sind, merkt bei denen scheint’s keiner. | |
## Sorge wegen der Scheichs | |
Während es die AfD aber nur schlimm findet, dass sich jemand um | |
Menschenrechte von Queeren kümmert, hat die Union zudem die Sorge, dass der | |
Exportnation jemand in die Quere kommen könnte. Deswegen hatte sie noch | |
diese Frage an die Regierung: „Auf wessen Idee beruhte die Auswahl eines | |
Museums, das der Geschichte der Sklaverei gewidmet ist, als | |
Veranstaltungsort für ein laut Medienberichten ursprünglich beabsichtigtes | |
Treffen mit Vertretern der Gewerkschaftsorganisation ILO zur Situation der | |
Wanderarbeiter in Katar?“ Schließlich könnten die Scheichs das nicht gut | |
finden, fürchtet die Union. | |
Die Bundesregierung antwortete, der Ort des Treffens sei in Absprache mit | |
der Internationalen Arbeitsorganisation gewählt worden, und ganz nebenbei | |
muss die Regierung auch noch die Außenhandels- und Fußballexperten der | |
CDU/CSU belehren, dass die ILO keine Gewerkschafts-, sondern eine | |
Organisation der UNO ist. | |
Selbstverständlich kann man Frau Faesers Aktion, die One-Love-Binde zu | |
tragen, kritisieren. Etwa, dass sie bloße Symbolpolitik ist, und schon der | |
Umstand, dass diese Binde explizit so etwas wie eine Entschärfung der | |
ursprünglich avisierten Regenbogenbinde darstellt, sollte für Kritik | |
sorgen. Und dass in der One-Love-Debatte die [3][Situation der | |
migrantischen Arbeiter und Arbeiterinnen] etwas untergegangen ist, darf | |
ruhig auch erwähnt werden. | |
Aber all das wäre ja schon eine ernstzunehmende politische Betrachtung des | |
Mega-Events Fußball-WM. Wie falsch eine solche jedoch ist, wird uns | |
spätestens nächstes Jahr wieder erklärt werden, wenn wir zur Männer-EM in | |
Deutschland nicht nur von CDU/CSU/AfD, sondern auch von der Ampel-Regierung | |
hören werden, dass dies ja ein fröhliches Fußballfest ist, das so rein gar | |
nichts mit Politik zu tun haben darf. Oder schon diesen Sommer, wenn die | |
Frauen-WM von Saudi-Arabien gesponsert wird. Ich freu mich jetzt schon | |
drauf. | |
8 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://dserver.bundestag.de/btd/20/054/2005497.pdf | |
[2] /Neuanfang-im-DFB/!5916416 | |
[3] /Katar-Fussball-und-Menschenrechte/!5903410 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
## TAGS | |
Kolumne Über den Ball und die Welt | |
Fußball-WM 2022 Katar | |
Nancy Faeser | |
GNS | |
Hansi Flick | |
Fußball | |
DFB-Präsident | |
Fußball-WM 2022 Katar | |
Fußball-WM 2022 Katar | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
DFB-Länderspiel gegen Peru: Der Brecher geht voran | |
Das DFB-Team versucht sich nach der Katar-Pleite zu berappeln. Das gelingt | |
mit 2:0 gegen die Südamerikaner und einem wuchtigen Niclas Füllkrug. | |
Fußball in den Niederlanden: Homophobie als Nebenwiderspruch | |
Als Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung sollen in der Eredivisie | |
Kapitäne die One-Love-Binde tragen. Nicht alle wollen mitmachen. | |
Neuanfang im DFB: Und dann noch auf ein Käffchen? | |
Deutschlands neuer Fußballretter Rudi Völler beehrt den Sportausschuss des | |
Bundestages – und hat die versammelte deutsche Sportpolitik im Sack. | |
Bilanz der WM 2022 in Katar: Das Runde im eckigen Leben | |
Der Partycharakter einer WM funktioniert auch in einer totalitären | |
Monarchie. Als Problemlöser von Wertekonflikten ist der Fußball aber | |
überfordert. | |
Kritik an Fußball-WM: Unsere Protestnoten | |
Bei dieser WM in Katar wird demonstriert wie nie zuvor. Wir haben uns die | |
Stärken und Schwächen der Proteste genauer angeschaut. Eine Einzelkritik. |